Das Lächeln von Kleopatra. Albert Morava

Das Lächeln von Kleopatra - Albert Morava


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wenn auch nicht gsnz hautenger Körperkontakt mit ihr. Er empfand ein Gefühl des Vertrauens, welches irgendwoher kam, er wusste nicht woher. Auch Körperlichkeit keimte gedämpft auf, doch in dem Augenblick empfand er eher eine Art geteilte Intimität.

      Als sie das Palaistor hinter sich gelassen hatten und auf der Straße standen, nahm Jan ihre Hand und drückte sie leicht - als möchte er sich von ihr verabschieden. Instinktiv behielt er ihre kleine Hand etwas länger in seiner als beim Abschiedsgruß üblich. Sie löste den langen Händedruck nicht auf und lächelte.

      "Sehen wir uns bald wieder?" fragte er. " Es gibt so viele Dinge über die wir reden könnten."

      "Du kannst mich noch bis zur Straßenbahnhaltestelle begleiten."

      Die nächste Haltestelle war nicht weit, einige Minuten zu Fuß bis zur Nikolauskirche. Ein kurzer, etwas mühsamer Spaziergang im lästigen Lärm des Prager Straßenverkehrs. Sie setzten ihren Fußmarsch zunächst schweigend und eine Spur zu ernst fort - Hand in Hand.

      "Sollen wir uns verabreden?"

      "Morgen nachmittag um vier Uhr bin ich im Klementinum", sagte sie. "Vor der Spiegelkapelle."

      Die Straßenbahn war angekommen. Er umarmte sie, ohne einen Kuss zu wagen.

      "Bis morgen dann?"

      "Vor der Spiegelkapelle."

      Sie stieg ein und winkte ihm freundlich durch das Fenster zu.

      Zu Fuß lief er weiter über die Karlsbrücke. Nur langsam ging die Sonne für ihn unter und er spürte eine ungewöhnliche Leichtigkeit in sich. Der Abend war windstill und warm, der Flußstrom der Moldau floß ruhig dahin. Kurz blieb er stehen und betrachtete die Wellen.

      Von der Insel Kampa her - mitten in der Moldau - ertönte der helle Klang einer Trompete in einer Kaskade, die sich langsam steigerte und immer höher wurde, als ob sie bis zum Himmel steigen möchte. De r Himmel war wolkenlos - schimmernd rot verfärbt nur durch die Abenddämmerung im Westen. Ein runder, farbloser Mond ging langsam auf. Nachts schlief er tief und träumte von einem fernen Land, dessen Namen er nicht kannte.

      In der Nähe eines breiten Flusses, der kaum Ufer zu haben schien, kamen ihm Elephanten entgegen, auf denen bunte indische Reiter saßen. Die Elephanten waren nicht groß, klein und grau waren sie. Bis auf einen großen, weißen Elephanten in deren Mitte - auf dem eine in Weiß verhüllte Frau saß.

      Als sie an Jan vorbeiritt, zog sie plötzlich ihren Schleier vom Kopf herunter. Sie war blond und hatte das edle Gesicht einer Prinzessin. Ein barfüßiger indischer Mönch erschien plötzlich neben ihm und sagte: "Ich bin Vatsyayana und sie ist deine Frau." Zu gut um wahr zu sein, Jan wurde wach und sein erster Gedanke galt Ella

      .

      Er freute sich auf das so unerwartet vorgeschlagene Stelldichein, doch in diese Freude und Lust, einen Menschen zu entdecken, der ähnlich denkt, wie er selbst, mischten sich auch Zweifel und Unsicherheit. Trotz der zwei flüchtigen Begegnungen, in denen sie ihm auffgefallen war, kannte er sie nicht.

      Ella hatte eine außergewöhnliche Ausstrahlung durch die sie überall auffiel. Sie war immer und überall der Blickfang von allen; möglicherweise ohne es überhaupt zu wollen. Männer schauten ihr im allgemeinen nach, mit eindeutigen Kommentaren. Frauen oft mit verhaltenem Neid oder vielleicht lesbischen Wünschen. Eine Mischung aus Aschenputtel und Kurtisane mit Marilyn-Monroe-Gesicht - für die meisten galt sie als eine ausgemachte Herzensbrecherin.

      Dass ein Mädchen mit diesen Eigenschaften - die in einer Rockband mitsang und gleichzeitig auf der Bühne eine Arie aus der Traviata von Verdi singen konnte - und auch noch Theologie studierte, schien ihm einfach zu außergewöhnlich.

      Als er eine halbe Stunde vor der ausgemachten Zeit im Klementinum ankam, war Ella schon da, umgeben von mehreren jungen Männern. Sie diskutierten und lachten, es schien, dass in der Spiegelkapelle gerade eine Musikprobe für die geplante Rockvorführung lief. Jan blieb etwas abseits stehen, wohlwissend, dass er zu früh da war. Sie bemerkte ihn und hatte ihm flüchtig zugewunken.

      Abwartend setzte er sich auf eine Sitzbank im Klementinumhof und behielt die Spiegelkapelle im Blick.

      Ella stand im Gespräch mit ihren männlichen Begleitern vor dem Eingang. Das Traviata - Mädchen vom Vortag wirkte auf einmal ganz anders: in ihren schwarzen Lederstiefeln hätte sie vom Pariser Place Pigalle kommen können. Zur Bluse aus roter Seide mit weit offenem Ausschnitt trug sie eine schwarze Lederweste und ein goldfarbenes Halstuch, das zwar ihren Hals zudeckte, aber nicht den gewölbten Ansatz ihrer Brüste.

      Die Jungs, die um sie herumstanden, und eine Art aggressiven Großstadtslang sprachen, waren allem Anschein nach einfache, aufsässige Jungarbeiter, die sich aus irgendeinem Anlass fein zurechtgemacht hatten. Auch ein großer Rothaariger mit schulterlangen, gewellten Haaren und leicht irrem Blick eines Drogensüchtigen war dabei.

      Aus dem Inneren der Spiegelkapelle ertönte mächtig die Orgel, an der jemand seine Kunstfertigkeit für die kommende Musikprobe unter Beweis stellte.

      Jan empfand leichtes Unbehagen. Mit gemischten Gefühlen versuchte er intuitiv, die Situation aus seiner Sicht einzuschätzen. Etwas gefiel ihm nicht und vor allem nicht die Jungs, in deren Begleitung Ella war. Mit keinem von diesen Typen hätte er sich ein sinnvolles Gespräch vorstellen können, erst recht nicht in dem lässigen und leichtfertigen Jargon, den sie sprachen.

      Im Innenhof des Klementinum waren mehrere Sitzbänke an verschiedenen Stellen aufgestellt - meist direkt neben den Blumenbeeten an den ockergelben Mauern der Bibliothek.

      Auch Passanten setzten sich oft dahin sowie Hundebesitzer, die hier ihre Maskottchen im Freien spielen ließen. Hier konnte man Stunden verbringen und als Zeitvertreib die Menschen beobachten, die durch den Innenhof wanderten.

      Jan wechselte die Sitzbank, um mehr Abstand zum Eingang der Spiegelkapelle zu gewinnen und gleichzeitig eine bessere Sicht über den gesamten Innenhof zu haben.

      Eine Gruppe von jungen Mädchen scharte sich um eine gut aussehende Brünette mit glatten, schwarzen und überlangen Haaren, die ihr üppig über die Schultern fielen und ihren Rücken fast vollständig zudeckten. Eher schmucklos angezogen, mit Jeans und weißem Pullover, wirkte sie dennoch selbstbewusst und steuerte mit ihrer Mädchengruppe - die meisten waren jünger als sie selbst und wohl sämtlich ihre Fans - auf die Eingangstür der Spiegelkapelle zu. Sie nannten sie Ivana und sie war zweifelsfrei die neue Starsängerin in der anstehenden Vorführung.

      Die Gruppe betrat die Kapelle, worauf einige Pfiffe ertönten, in die sich auch einige Buhrufe mischten. Ella und ihre Begleiter folgten ihr und nach einigen Minuten ertönte in der Kapelle das erste Probestück - es war das Ave Maria von Bach - arrangiert im Stil eines Kuschelrockstücks mit geschickter Verwendung von Saxophon und begleitet von einem Gitarrenensemble, das sich jetzt Heavens Angels nannte.

      Auch Orgelpassagen und Harfentöne waren zu hören; ein durchaus interessantes Arrangement für die damalige Zeit. Nach der Saxophon - Ouvertüre erklang die Stimme der neuen Sängerin, kräftig, warm und gefühlvoll; absolut sicher in allen Tonlagen. Ein sturmähnlicher Applaus und Pfiffe der Anerkennung folgten.

      Es war faszinierend, dieses modern und eindrucksvoll arrangierte Ave Maria vor dem Hintergrund des Klementinums zu hören; viele Passanten blieben einfach stehen, nur um zu lauschen.

      Doch es bedeutete gleichzeitig das Ende von Ellas Träumen als Sängerin bei den Heavens Angels.

      Das Publikum war von Ivanas Gesang so überwältigt, dass Ella in der Probe gar nicht zum Zug kam.

      Nachdem der Beifall sich legte, erschien Ella in der Eigangstür der Kapelle ganz allein und winkte Jan zu.

      "Hier bin ich", sagte sie mit etwas erzwungenem Lächeln, " und jetzt haben wir Zeit genug für uns!"

      "Schön", sagte er, " dass du da bist." Er stand auf und wollte sie umarmen, doch sie entzog sich, es blieb bei einem langen Händedruck.

      "Hier besser nicht", sagte sie, "lass uns hier weggehen."

      Jan


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