Rache der Zarin. Der Beginn: Nach wahren Begebenheiten. Tatana Fedorovna

Rache der Zarin. Der Beginn: Nach wahren Begebenheiten - Tatana Fedorovna


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Vater entglitt die Beherrschung über seine Gesichtszüge. Tiefste Sorgen spiegelten sich in ihnen.

      Mama forderte erneut: „Töte sie sofort, nur so kannst du uns beschützen! Gib den Befehl! Noch gehorcht man dir. Wenn du mich und deine Kinder wirklich liebst, dann zerfetze sie! Sei ein russischer Wolf und kein feiges Schaf.“ Sie blickte ihm fest in die Augen. „Wir wollen ohnehin nicht länger Romanows sein. Der Name ist für immer besudelt. Lasst uns danach die Sachen packen und aus dem bösen Land fliehen, solange es noch möglich ist. Sie alle hassen uns. Ich verabscheue dieses bösartige Volk!“

      „Wer hasst uns?“, fragte der kleine Zarewitsch noch verängstigter. „Ich denke, alle lieben mich?“

      Mama lachte abermals ihr neues hysterisches Lachen. Sie war eine wütende Hyäne, die ihre Jungen bis aufs eigene Blut verteidigte und bereit war ihr Leben zu opfern. Papa rannen nun Tränen aus den Augen. Ich hatte ihn noch nie weinen sehen. Die Räson verbot das, so schwer die Situation auch war. Russische Männer weinen nicht. Das tun nur Frauen. Er war immer der Fels gewesen, an dem sich alle festhalten konnten.

      Wir alle fühlten instinktiv, dass Mama Recht hatte. So gern ich Papa glauben wollte. Die eisige Vorahnung unseres Todes zog durch unsere Gemächer und vertrieb die letzte Illusion von Beständigkeit vollständig. Wie übermütige Schmetterlinge hatten wir das wärmende Licht eines Sonnentages genossen, ganz vergessend, das dieser Tag enden würde, doch die Nacht und unser Ende rückten mit jedem Augenblick näher. Das wurde mir nun bitter klar.

      Papa kniete sich auf den Boden und versuchte erneut die Hand seiner geliebten Frau zu nehmen. Diese gewährte ihm diese Intimität nicht mehr.

      „Wenn dir das Leben unserer Familie etwas wert ist, wenn dir der Zarewitsch etwas bedeutet, dann töte deinen Neffen und seine Helfer! Beweise, dass du uns wirklich liebst und es nicht nur leere Worte sind. Zeig, dass du wirklich ein Zar und kein gutmütiger Narr bist! Kämpfe endlich!“, beschwor sie ihn erneut.

      Sie zuckte in Krämpfen und weinte erbittert, weil sie ahnte, dass Papa vor dieser letzten Konsequenz zurückschreckte. Es waren nun einmal Söhne aus dem Geschlecht der Romanows, die Rasputin gemeuchelt hatten. Sein Charakter war ausgleichend, mehr der eines Künstlers, als der eines wirklichen Soldaten. Er führte einen Krieg, ohne die Bereitschaft tatsächlich Blut vergießen zu wollen. Die Niederlage war auf diese Weise vorprogrammiert. Wer immer nur das Beste für alle will, wird am Ende Schaden bringen.

      „Du hast schon immer auf die Falschen gehört! Ich hätte dich niemals heiraten sollen. Alle wollten das verhindern, selbst deine Mutter. Sie wusste warum. Jetzt führst du sogar Krieg gegen die Deutschen. Deine Frau und Kinder sind aber Deutsche!“

      „Sind wir wirklich Deutsche?“, fragte der Zarewitsch.

      „Mama will damit sagen, dass wir auch solche Wurzeln haben, da sie in Deutschland geboren wurde“, erklärte ich schnell.

      „Dann sollten wir vielleicht auf Mama hören und fliehen“, versuchte der kleine Zarewitsch im Streit zwischen seinen Eltern auf seine kindliche Weise zu vermitteln. In seinen Augen stand Hoffnung. Die Flucht erschien ihm als ein wunderbarer Ausweg.

      Unser Vater sah ihn traurig an.

      „Ihr seid hier geboren und somit Russen!“, widersprach er Mama. Da er sich aber mit ihr keinesfalls noch mehr anlegen wollte, beschwichtigte er jedoch. „Natürlich habt ihr auch das Blut euer Mutter.“ Das Wort deutsch vermied er dabei. Russland führte ja Krieg mit dem deutschen Kaiser, der auch noch sein Cousin war.

      „Und ich bin nicht so verdorben wie diejenigen, die Rasputin töteten. Alles muss nach Gesetz und Ordnung erfolgen“, endete er.

      „Glaubst du diesen Unsinn tatsächlich?“, schrie Mutter abermals die Beherrschung verlierend.

      „Die Gesetze machen nur Menschen. Man kann sie verändern. Du bist der Zar! Mach ein Gesetz, das uns beschützt! Rasputin war ihnen egal. Wer ist der Nächste? Sie wollen in Wirklichkeit deinen Sohn, den Thronfolger meucheln! Er und das Zarentum sind ihr eigentliches Ziel. Wer soll jetzt den Zarewitsch heilen, Doktor Botkin etwa? Bist du denn immer noch blind oder dumm? Sie weihen unseren Sohn dem Tod. Töte sie, schnell oder ich fliehe mit den Kindern allein!“ Sie sah ihrem Gemahl direkt in die Augen. „Und wir sind keine Russen, sondern Deutsche! Alle deine Untertanen sehen das so!“

      Entsetzt schauten wir uns an. Die Sorgen trennten Mama und Papa. Sie wirkten in diesem Moment wie Rivalen und nicht wie ein sich liebendes Ehepaar. In ihren Appellen erahnten wir das ganze Ausmaß der Gefahr.

      „Ich werde den Arzt rufen lassen“, schlug Vater vor.

      Mama verlor vor Wut jede Zurückhaltung und spuckte in Raserei auf das Parkett des Bodens.

      „Damit der mir Laudanum gibt oder mich wegen des Aussprechen der Wahrheit für irre erklärt? Das wollen sie doch nur. Ich glaube hier keinem mehr. Warum vertraust du deinen Beratern immer mehr als uns? O, Nicky! Warum ist es so weit gekommen? Wo ist deine Liebe geblieben? Dieser Krieg hat dich verändert. Du trägst ebenso Schuld daran, dass unser Beschützer ermordet wurde. Diese Schlangen haben erkannt, dass Rasputin sie enttarnt hatte. Wir werden alle sterben, wenn du sie nicht bestrafst!“

      „Sie werden selbstverständlich ihre Strafe erhalten!“, erklärte unser Vater.

      „Dann lass sie doch sofort hinrichten! Häng das Gesindel auf!“

      „Das kann ich nicht.“

      Mama winkte konsterniert ab.

      „Ich wusste es! So bist du eben. Sie werden dich bald heiligsprechen, aber nicht wegen des Glaubens, sondern wegen Scheinheiligkeit. Die ist aber nichts anderes als deine Schwäche zu handeln. Sogar die Terroristen wissen das inzwischen!“

      So würdelos hatte ich Mama noch nie mit ihm sprechen gehört. Sie verhöhnte ihn regelrecht.

      „Das Blut klebt nun auch an deinen Händen“, flüsterte sie und blickte uns schaurig verschwörerisch an. „Das Leid ist nicht mehr aufzuhalten.“

      Sie klang, als verabschiedete sie sich schon jetzt von ihren Kindern – für immer.

      Wir waren noch mehr verängstigt. Panik erfüllte endgültig unsere Herzen. Dieser Tag gehörte zu den Schlimmsten.

      „Ich will noch nicht sterben!“, bat der Zarewitsch ängstlich.

      Ich strich ihm tröstend über sein tropfnasses Haar und konnte die eigenen Tränen nicht länger zurückhalten.

      „Olga?“ Aljoscha sah mich fragend und um Hilfe bittend an. Die Situation überforderte ihn, obwohl er durch seine Krankheit schon oft an der Schwelle des Todes gestanden hatte.

      „Ich passe auf dich auf“, flüsterte ich in sein Ohr und benetzte ihn nun auch noch mit meiner Trauer.

      „Niemand soll dir jemals Leid zufügen. Dann bekommt er es mit mir zu tun!“

      Aljoscha lächelte dankbar und drückte meine Hand.

      Auch aus Vaters unermesslich traurigen Augen ergossen sich in einem dünnen Rinnsal Tränen in seinen Bart. Er war sich seiner eigenen Unfähigkeit bewusst, fand jedoch keinen Ausweg.

      In der Tür erschien ein Staatssekretär. Irritiert nahm er die Tränen im Gesicht des Zaren wahr.

      „Majestät, Sie werden erwartet!“

      Meine Mutter winkte meinen Vater ab.

      „Geh nur zu den Verrätern, berate dich mit ihnen! Du hast mich enttäuscht! Lecke dem Gesindel ordentlich den dreckigen Arsch!“

      Wir schauten sie pikiert über die ungewöhnlich deftige Wortwahl an. Die Welt war wirklich aus den Fugen geraten.

      Papa wischte sich mit dem Uniformärmel die Tränen ab und erhob sich schwerfällig. Einige seiner Orden schepperten dabei traurig. Das Geschehen wirkte unwahr, verloren, wie hinter einem Schleier.

      Unser Vater schien mir um Jahre gealtert. Sein Gang war nicht mehr der eines russischen Zaren. Ein erschöpfter alter Mann zog ein letztes


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