ABSOLUTION 1945. K. Ericson

ABSOLUTION 1945 - K. Ericson


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Sprechen wird schwerer, seltsamerweise spricht der Cousin jetzt fehlerfrei. Mir fällt auf, Josef verträgt auch so einiges.

      Als auch noch Obstbranntwein auf den Tisch kommt, haben wir beide einen ordentlichen in der Mütze, aber wir realisieren, dass wir einen weiten Rückweg haben und es bereits zu dämmern beginnt.

      Wir schenken ihm alles Geld in unseren Hosensäcken, er braucht es notwendiger als wir.

      Die Verabschiedung fällt heftig aus. Die Verwandtschaft mit den Holzschuhen haut es alle drei Meter auf den Arsch.

      Verdammt, und jetzt vier Stunden besoffen nach Hause,

      mein neues Zuhause.

      Nach zwei Stunden werden wir etwas nüchterner, gerade rechtzeitig, der Aufstieg des letzten Berghanges beginnt.

      Josefs Augen verengen sich schon wieder, dieses mal

      vor Ehrgeiz.

      Er marschiert bergauf, wie unter Drogen.

      Hat der Kerl vielleicht auch so etwas ähnliches, wie Pervitin im Rucksack? Na ja, soll er halt der Erste sein. Kaum habe ich das gesagt, schiebt mich der Ehrgeiz nach vorne.

      Wir haben beide unsere dicken Loden Janker, fest zu geknöpft an.

      Ich bin ein Militär, ich kann strategisch denken!

      Obwohl es schon recht kühl ist, ziehe ich meine Weste aus.

      Josef hat einen ordentlichen Vorsprung, aber ich rieche seinen Schweiß. Angstschweiß. Angst, dass er überholt wird.

      Na gut, dass ist Wunschdenken, doch nach einem Kilometer merke ich, er wird langsamer.

      Kein Militärstratege, der Junge, er klettert weiter, bis er nicht mehr kann.

      Als er schweißgebadet, den Rucksack abnimmt, Weste auszieht und verstauen muss, ziehe ich vorbei:

      »Ja, so ist das Leben!«

      » Eben.«

      Auf der Anhöhe, warte ich auf ihn, lasse ihn aus meiner Wehrmachtfeldflasche trinken.

      Nach einigen Schlucken stehen auch seine Augen nicht mehr so eng.

      Jetzt geht es bergab und ich stimme nationales Liedgut an.

      Josef mustert mich, meint »So ein Scheiß!«

      Dann singt er mit.

      Mittlerweile fast nüchtern erreichen wir das Kloster. Josef hat einen Generalschlüssel, es ist fast Mitternacht und Gott sei Dank stockdunkel. Josef Schlüssel knirscht leise im Schloss.

      Ich muss noch einmal pinkeln gehen, Pater Georgs Zellentüre öffnet sich leicht, leichter Lichtschein dringt auf den Gang.

       10

      Am nächsten Morgen, auf dem Weg in die Mensa grinst uns jeder an. Kaum sitzen wir geht es auch schon los.

      Bruder Georg echauffiert sich:

      »Besoffen nach Mitternacht ins Kloster zu kommen, das ist nicht christlich!«

      «Wir haben nicht gleich zurück gefunden.», wird von unserer Seite beteuert.

      »Ja, wenn man betrunken ist, ist das schwer!«

      Josef stößt seinen Stuhl um und beugt sich weit über den Tisch:

      «Deshalb sind uns die Tage unseres Lebens als Frist gewährt,

      damit wir uns von unseren Fehler bessern, vom wem das ist, weiß ich nicht mehr, aber du solltest es beherzigen, du schwule Sau!«

      Jetzt springt der Abt auf, packt uns beide am Ärmel und zieht uns aus dem Speisesaal.

      »So geht’s nicht!«

      Ich versuche beschwichtigen:

      »Niemand kann sich aussuchen wie er in diese Welt geboren wird. Niemand kann sich seine Prägung aussuchen, aber ein falscher Bruder ist er schon, der Bruder Georg.«

      Der Abt ist sichtlich betroffen:

      »Wir sind eine Gemeinschaft und wir müssen zusammenhalten, auch wenn es schwer fällt. Ich kann diese Puritaner auch nicht leiden, aber ich sage es jetzt hier und nur einmal, wir sind eine kirchliche Gemeinschaft!

      Pater Georg nehme ich später ins Gebet. Seine Mundwinkel zeigen nach oben. »Abgang!«

      Ich schließe meine Zimmertüre ab, füttere meine neue Freundin Sneilda, sie bedankt sich mit einem kurzen Kopfnicken.

      Auf dem Rückweg in meine Zelle habe ich wieder einmal vergessen, pinkeln zu gehen.

      Der umständliche Weg auf das WC nervt langsam. Aber ich ein rationeller Mensch, ich pinkle einfach in mein Waschbecken, anschließend Wasser laufen lassen, schaut sofort wieder aus wie neu. Sneilda schaut mir interessiert zu, als ich sie anblicke, dreht sie sich aber sofort um und steckt, ihr Köpfchen demonstrativ unter ihren rechten Flügel.

      »Reg` dich nicht auf! Ist ja mein Waschbecken, mich stört`s nicht.

      Na gut, ich werde mit dem Abt sprechen, vielleicht stellt er eine Putzkraft an. Das war ein Scherz, Vogel.«

      Sneilda schaut unbeteiligt aus dem Fenster.

      Unter dem Vogelkäfig habe ich mit einem Ami- Kaugummi meine letztes Pervitin festgeklebt. Seltsamerweise ist es aufgebraucht,

      »Sneilda, hast du mir meine Panzerschokolade aufgefressen?

      Du warst in letzter Zeit so gut drauf!«

      Keine Antwort.

      Irgend etwas geht mir ab.

      Nach dem Komplet werde ich mich wieder einmal unter Menschen begeben.

      Ich bin ein Soldat! Und ein Soldat geht in ein Wirtshaus!

      Es geht auf neun Uhr zu, in der Klausur herrscht absolute Stille.

      Ich habe mein altes Zivilgewand angezogen und schleiche die alten, in der Mitte stark abgegangen Stiegen Richtung Kreuzgang.

      Mit voller Konzentration schließe ich leise die alte Türe Richtung Friedhof auf, die Grabsteine glänzen hell im Mondlicht, ein Sprung über die Friedhofsmauer und ich bin in Freiheit.

      Völlig unauffällig gehe ich die Dorfstraße entlang, blicke mich einmal kurz um und drücke die Klinke zum »Sankt Lamprechter Hof«, dem einzigen Wirtshaus weit und breit herunter.

      Sofort schlägt mir altbekannter Bier und Rauchgeruch entgegen, hier lässt es sich Leben.

      Ich setze mich vis a vis von einigen Einheimischen an einen Einzeltisch, in der Hoffnung, dass sie mich ansprechen. Das geschieht sofort, nach dem ich mein Bier bestellt habe.

      »He, dich kenne ich doch, bist du nicht einer von den Pfaffn aus dem Kloster?«

      Der Bauernlümmel wirkt eigentlich ganz sympathisch, deswegen halte ich mich zurück und sage nur:

      »Halt`s Maul!« Es folgt eine kurze Pause:

      »Paul.«

      Zuerst ungläubiges Staunen, dann fällt bei einigen der Groschen und sie beginnen zaghaft zu lachen, dass sich aber lautstark steigert. Die Bauernburschen schlagen sich vor Lachen auf die Schenkel, außer Einer.

      Er steht auf, kommt zu mir rüber:

      »Was hast g`sagt?«

      Er packt mich hart am Ärmel, das Hemd zerreißt am Unterarm.

      Er sieht meine SS - Tätowierung!

      »Komm du Pfaffe, gehen wir vor die Türe.«

      Unter lautem Gejohle verlassen wir das Wirtshaus. Vor dem Eingang, ich kann es nicht glauben, er krempelt sich in aller Ruhe seine Hemdsärmel auf. Soviel Blödheit muss bestraft werden.

      Ich hau ihm eine ordentliche aufs Maul. Das


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