App to Date. Carine Bernard
von seinen Tischmanieren geahnt, hätte sie sich vielleicht nicht ausgerechnet zum Essen mit ihm verabredet.
Zum Glück war sie mit ihrem Fragenkatalog fast durch. Sie musste nur noch die letzten Fragen zur Statistik abarbeiten, danach würde sie das Date möglichst schnell beenden.
»Wie alt bist du?«
Er hob den Kopf und grinste sie an. »Rate mal«.
Sie hatte keine Lust zu raten. »Dreißig?«
»Achtundzwanzig. Die meisten schätzen mich älter.« Er warf sich in die Brust, als ob das eine besondere Leistung wäre. »Und du?«
»Ich bin fünfundzwanzig.«
Er wischte sich mit dem Handrücken über den Mund. »Das ist gut. Ich will keine Frau, die älter ist als ich.«
Jenny tat, als hätte sie seinen letzten Satz nicht gehört. »Bist du aus Düsseldorf?«
Er schüttelte den Kopf. »Ich komm’ aus einem Dorf in der Eifel«, antwortete er. »Es heißt Hallschlag, kennst du es?«
»Nein«, entgegnete Jenny wahrheitsgemäß und lächelte ihn aufmunternd an. »Erzähl mir davon!«
»Da gibt’s nicht viel zu erzählen«, sagte Ralf. »Es ist halt ein Dorf, irgendwo im Nirgendwo.«
Jenny musste grinsen. Der Mann hatte Humor und eine gewisse Art von Selbstironie, die ihr tatsächlich gefiel. Vielleicht war er doch nicht so schlimm.
»Wie lange lebst du schon hier?«
»Seit acht Jahren«, erwiderte er und zog die breiten Schultern hoch. »Zu Hause wollten sie mich nicht, deshalb bin ich abgehauen.«
Jenny sah ihn verwundert an. »Was heißt, sie wollten dich nicht?« Ganz ohne Small Talk ging es nicht.
»Na da, wo ich meine Lehre gemacht habe.« Er runzelte die Stirn. »Wir waren zu dritt, zwei Türken und ich. Die zwei Türken habens’ übernommen und mich nicht. Sind alles Scheißer.«
Jenny versuchte, mitleidig dreinzuschauen, aber sie war sich nicht sicher, ob es ihr gelang.
»Aber ich scheiß auf die. Können mich alle am Arsch lecken.« Jennys Miene erstarrte. Die plötzliche Feindseligkeit in seinem Tonfall erschreckte sie mehr als seine Ausdrucksweise. Bisher war er ihr harmlos erschienen, nicht besonders intelligent, aber freundlich. Doch nun hatte sich seine Miene verfinstert, und in seinen wasserblauen Augen funkelte der Hass.
»Dass sie dich nicht genommen haben, hat doch nichts damit zu tun, dass die anderen Lehrlinge Türken waren, oder?«, fragte sie vorsichtig.
»Sag mal, wo lebst du eigentlich? In dieser Scheiß-Politik werden doch die Ausländer inzwischen bevorzugt.« Er verzog das Gesicht, und seine Stimme klang verbittert. »Als anständiger Deutscher hast’ heute kaum noch eine Chance.«
»Aber das stimmt doch nicht«, widersprach Jenny. »Wenn jemand gut ist, soll er auch eine Chance bekommen, egal welche Nationalität er hat.«
»Willst du vielleicht behaupten, ich war nicht gut genug?« Eine steile Falte erschien auf seiner Stirn, und er sah sie drohend an.
»Nein, nein, das habe ich nicht gesagt«, beeilte sich Jenny zu erklären.
»Das will ich hoffen.« Seine Miene entspannte sich, und er fuhr mit der Hand durch das kurze Haar. »Weil du bist ’ne ganz süße Maus.« Er grinste sie breit an. »Ich hoff’ nur, dass du nicht zu denen gehörst, die bei jedem Ausländer, der nach Deutschland kommt, Beifall klatschen.«
Jenny senkte kurz die Lider, dann sah sie wieder hoch. »Ich habe nichts gegen Ausländer.«
»Ich auch nicht«, erwiderte er mit seiner zu hohen Stimme. »Solange sie wissen, wo ihr Platz ist.«
Jennys Magen verknotete sich bei diesen Worten. Sie ließ sich jedoch nichts anmerken, sondern machte der Bedienung ein Zeichen. Sie hatte endgültig genug.
»Ich muss jetzt gehen«, sagte sie und hielt jegliches Gefühl aus ihrer Stimme heraus.
»Was, jetzt schon?« Ralf zog die Brauen zusammen, sodass sie zwei dicke Wülste über seinen Augen bildeten. »Ich dachte, wir zwei gehen noch was trinken. Ich kenn da eine Bar …«
»Nein, heute nicht«, unterbrach ihn Jenny. »Ich habe noch etwas vor.«
»Was denn?« Er ließ nicht locker, und Jenny runzelte die Stirn.
»Wenn du es genau wissen willst, ich treffe mich mit meinem Bruder.« Das stimmte zwar nicht, sie würde Marc erst morgen wieder sehen, aber das brauchte der Rosarote Weberknecht nicht zu wissen.
»Wir müssen aber noch den Handshake machen!« Er sprach das englische Wort aus, wie es geschrieben wurde, Hand-Schacke, und Jenny unterdrückte ein Schmunzeln.
»Ja klar.« Sie hielt ihm ihr Handy hin. Er kam ihr mit seinem entgegen, und das Muster löste sich flirrend auf.
»Und noch ein Foto«, forderte er.
Jenny schluckte. Das ging entschieden zu weit.
»Bitte!« Er sah sie treuherzig an. »Du bist mein allererstes grünes Date.«
»Na gut.«
Er kam um den Tisch herum und ging neben ihr in die Hocke. Selbst so war er fast so groß wie sie auf ihrem Stuhl. Er legte den Arm um ihre Schulter, fummelte mit der freien Hand an seinem Handy herum und hielt er es vor ihre Gesichter. Eine LED leuchtete auf, es blitzte und Jenny zwinkerte.
»Rosalie.« Seine Stimme klang zärtlich. Er lächelte sie von unten herauf an und machte keine Anstalten, sich wieder zu erheben. Im Gegenteil, er reckte den Hals, um sie zu küssen.
Jenny wich ihm aus und rutschte auf ihrem Stuhl ein Stück zur Seite. Zum Glück kam der Kellner und befreite sie aus der Situation. Ralf stand auf und übernahm großzügig die Rechnung.
Jenny bedankte sich, und er zwinkerte ihr anzüglich zu. »Dafür schuldest du mir aber was«, sagte er. »Das Mindeste ist ein weiteres Date.«
»Abgemacht«, gab Jenny zurück. »Du weißt ja, wie du mich erreichen kannst.«
Die Lüge kam ihr routiniert über die Lippen. Das Profil der Veilchenblauen Haselmaus würde noch heute Abend ins Datennirwana verschwinden, und er würde sie nie wiedersehen.
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