Ricarda Huch: Deutsche Geschichte – Untergang des Römischen Reiches Deutscher Nation – bei Jürgen Ruszkowski. Ricarda Huch
Kultus zurückgegeben.
Straßburger Dom (Münster) – Foto: Jonathan Martz
Einige Tage später traf der berühmte Vauban ein, um die Grenzstadt zu einer uneinnehmbaren Festung zu machen. Im Oktober erfolgte der triumphale Einzug des Königs mit der ganzen königlichen Familie. An der Pforte des Münsters empfing den unblutigen Eroberer der Bischof von Straßburg, Egon von Fürstenberg, unter Ludwigs Kreaturen eine der verächtlichsten.
Am selben Tag besetzten französische Truppen in Italien die Mantua gehörende Festung Casale.
Man kann wohl das Schuldverhältnis bei diesem traurigen Ereignis nicht richtiger beurteilen, als es Leibniz in einem lateinischen Gedicht getan hat: Deutschland an Straßburg: Schandfleck welchen der Rhein mit all seinen Wogen nicht abwäscht, dass du schweigend verdirbst, dass du das Reich mit verdirbst! Straßburg an Deutschland: Schandfleck welchen der Rhein mit all seinen Wogen nicht abwäscht, dass daliegen im Schlaf allzumal Kaiser und Reich.
Nachdem der Schlag gefallen war, fehlte es nicht an Bemühungen im Reich, Kräfte zum Widerstand gegen die Vergewaltigung zu sammeln; sie scheiterten hauptsächlich an der Weigerung des Kurfürsten von Brandenburg, der am Tag nach dem Fall Straßburgs dem französischen Gesandten einen mit Diamanten besetzten Degen schenkte und das Bündnis mit Frankreich erneuerte. Vergebens bestürmte der kaiserliche Gesandte, der von dem bereits abgeschlossenen Geheimbund nichts ahnte, das Gewissen Friedrich Wilhelms; dieser befürwortete eifrig den Verzicht auf die von Frankreich geraubten deutschen Gebiete. Von Brandenburg verlassen, von türkischer Übermacht bedroht, entschloss sich Leopold zu einem 20jährigen Waffenstillstand mit Frankreich, in welchem er für diese Zeitspanne den Verlust der von den Reunionskammern beanspruchten und eingezogenen Gebiete mit Einschluss Straßburgs anerkannte.
Viele geschichtliche Ereignisse sind durch den Willen handelnder Menschen bestimmt, andere führt eine Verkettung von Umständen herbei, die oft lange Zeit im Dunkeln verlaufen, bis im Augenblick der Reife sie ans Licht treten und sich entfalten. Aber das Unberechenbare hat auch seine Stelle. Der Dämon Zufall wirbelt festes Menschenwerk durcheinander, auf unentwirrbare Knäuel legt sich die lösende Hand des Todes. Dass sich zwei Augen schließen, kann das politische Bild der Erde verändern, auch dass zwei Hände sich zum Ehebund vereinigen, konnte damals entscheidende Folgen haben. Im Jahr 1677 heiratete Wilhelm von Oranien die protestantische Tochter des katholischen Jakob Stuart, des Bruders König Karls II. von England, der, da Karl kinderlos war, sein Nachfolger sein würde. Noch war es eine ziemlich belanglose Verbindung; aber Ludwig XIV. erkannte die Gefahr, die daraus für ihn entstehen konnte, und empfand sie als Verlust inmitten seiner Siege. Seinem zähesten Feind hatte sich ein Zugang zum englischen Thron eröffnet. Im Jahr 1679 starb der Kurfürst Ferdinand Maria von Bayern, der ein Vasall Frankreichs gewesen war; sein Sohn und Nachfolger wurde Kaiser Leopolds Schwiegersohn, Anhänger und siegreicher Feldherr. Die Politik des Anschlusses an Österreich am Anfang der Regierung Ferdinand Marias hatte bald der herkömmlichen Gegnerschaft weichen müssen. Sie wurde unterstützt durch des Kurfürsten Heirat mit Adelaide von Savoyen, einer Prinzessin, die Frankreich liebte und Österreich hasste und diese Richtung mit dem Feuer ihrer Natur und der Energie ihres Charakters am Hof durchsetzte. In einem Punkt zwar bestand ein Gegensatz zwischen Frankreich und Bayern, insofern beide ein Anrecht auf die Krone behaupteten; doch hatte Ludwig so wenig Aussicht, sie zu erlangen, dass er davon absehen konnte; den bayrischen Anspruch auf Böhmen und einen Teil der Erblande erkannte er gern an. Ein merkwürdiger Umschwung erfolgte, als Adelaide die Heirat ihres Sohnes Max Emanuel mit einer Tochter des Kaisers ins Auge zu fassen begann. Sie erwartete so viel von dieser verheißungsvollen Verbindung, dass sie sie sterbend ihrem Sohn empfahl, während ihr ganzes Leben hindurch die Bekämpfung Österreichs und der Anschluss an Frankreich ihr Ziel gewesen war. Auch der Tod des Kurfürsten von Sachsen, der die Subsidien Frankreichs empfangen hatte, brachte einen Anhänger des Kaisers auf den Thron. Wunderbar mutet es ferner an, dass durch die Rücksichtslosigkeit Ludwigs XIV. im Leben und in der Politik zwei Männer, welche durch ihre Nationalität eher zu Frankreich gehörten, von dort nach Wien gedrängt wurden und als österreichische Feldherren dem Kaiser herrliche Siege erkämpfen sollten: Herzog Karl von Lothringen und Prinz Eugen von Savoyen.
Karl III. von Lothringen (auch der Große genannt) (* 18. Februar 1543 in Nancy; † 14. Mai 1608 in Nancy) war Herzog von Lothringen und Mercœur.
Wenn die bedeutungsvolle Stunde herannaht, strömt es von allen Seiten, wo vorher sich nichts regte, um das große Ereignis, sei es Sieg oder Untergang, ans Licht zu treiben.
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