Invasion. Lars Burkart
Lars Burkart
Invasion
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Inhaltsverzeichnis
Kapitel 1
Ich sterbe.
Oh ja, ich werde sterben.
Hier an Ort und Stelle. Ich werde es begrüßen. All dieses Leid, dieser Schmerz, endlich sind sie vorbei. Gleich werde ich meine Freunde wiedersehen, meine Kameraden.
Wie ich darauf komme, dass dies mein Ende ist? Na, sehen Sie sich doch mal um: Der Sand, auf dem ich liege, ist blutrot. Überall liegen Verletzte und Tote. Und die, die noch am Leben sind, werden es nicht mehr lange sein. Das hier ist ein Schlachtfeld, wie es seinesgleichen sucht. Fällt Ihnen auf, dass es beinahe nur Soldaten von unserer Seite sind, die da liegen, verstümmelt, blutend, vor Schmerzen schreiend? Hören Sie, wie sie nach ihren Müttern schreien? Aber kaum einer von der anderen Seite. Kaum eines von denen.
Oh ja, ich sterbe.
Wir waren von Anfang an unterlegen. Wir hatten nicht den Hauch einer Chance. Obwohl es zu Beginn noch ganz gut für uns lief. Da machten wir noch Boden gut. Aber jetzt glaube ich, wir wurden schon damals vorgeführt. Als hätten sie schon damals nur mit uns gespielt.
Ich fürchte mich.
Aber ich fürchte mich nicht vor dem Tod. Den werde ich begrüßen. Was ich fürchte, ist das Sterben. Nicht die Schmerzen, nein, auch die nicht. Schmerzen erleide ich genug. Die sind mir nicht fremd. Ich fürchte, umsonst zu sterben. Für nichts und wieder nichts. Ich werde einfach so vergehen, und niemand wird sich an mich erinnern.
Dieser ganze beschissene Feldzug hier hat sich als ein verdammter Griff ins Klo erwiesen. Und ich war so clever, bis zu den Schultern reinzugreifen.
Aber beginnen wir am besten am Anfang. Fangen wir damit an, wie ich auf diesen beschissenen Planeten gekommen bin. Eigentlich hatte ich gar nicht vor, zum Militär zu gehen. Dennoch bin ich jetzt hier. Wie es dazu kam, wollen Sie wissen? Tja, ein Mädchen ist daran schuld. Wie immer.
Gleich nach der Schule gab mir Nadine den Laufpass. Von einem Tag auf den nächsten, können Sie sich das vorstellen? Wir kannten uns seit dem Kindergarten, gingen gemeinsam in die Grundschule, tauschten den ersten Kuss und dann, auf dem Abschlussball, schoss sie mich in den Wind.
Tja, am nächsten Tag fand ich mich mit einem schrecklichen Kater und einer bis zum Himmel stinkenden Schnapsfahne wieder in einem Rekrutierungsbüro, und zwei Wochen später wurde ich einberufen. Wir befanden uns zu diesem Zeitpunkt schon im Krieg. Die Ressourcen der Erde gehen zu Ende. Klar, dass sie bei Freiwilligen nicht lange warten.
Was soll ich sagen, der Militärdienst lag mir. Schon in der Grundausbildung heimste ich meine erste Belobigung ein. Zusätzlich wurde ich Führer meines Ausbildungszuges. Ich hatte es einfach drauf: Taktik, Nahkampf mit dem Lasergewehr, Präzisionsschießen, Flugausbildung und nicht zuletzt das erweiterte Überlebenstraining. Sie fragen, was das ist? Nun, in erster Linie genau das, was der Name verspricht: Es ist erweitert. Das Besondere daran ist, dass statistisch nur jeder zehntausendste Rekrut dafür geeignet ist. Und die Anforderungen sind hoch, sodass auch von denen nicht jeder das Training übersteht. Ich hab’s bestanden, sogar als einer der besten, die je daran teilgenommen haben.
Danach bekam ich mein erstes kleines Kommando, ohne je an Kampfeinsätzen teilgenommen zu haben. Eine kleine Gruppe von zwölf Rekruten, und ich hatte das Kommando. Die sechs Monate Grundausbildung rasten nur so an mir vorbei.
Dann der erste richtige Einsatz. Nicht weiter erwähnenswert. Ein paar Tumulte auf dem Mond. Einige Rebellen wollten den Präsidenten der Vereinten Kolonien stürzen. Nach nicht mal achtundvierzig Stunden war es vorbei. Sie haben bestimmt davon gehört, in den Nachrichten.
Bis dorthin klappte alles wie am Schnürchen. Doch dann kam der Marschbefehl nach EK-12.
„Es geht los.“
Zitternd hielt ich den Marschbefehl in den Händen.
„Was? Du verarscht mich doch!“ Jims braungebranntes Gesicht starrte mich an. Dann schnappte er nach dem Zettel und hielt ihn sich so nah vor die Augen, als wäre er kurzsichtig. Freilich war er das nicht. Er war neben mir der beste Schütze. Wir kannten uns seit dem ersten Tag der Grundausbildung, waren schnell so was wie Freunde geworden.
Eben kamen noch drei Kameraden in unser Zelt. Jim strahlte ihnen entgegen und trank einen Schluck aus seiner Feldflasche. Ich wollte auch was trinken, doch ich wollte nicht, dass die anderen meine zittrigen Hände sahen. Wenn Jim das sah, war das was anderes. Ich vertraute ihm. Er war mein Freund. Für die anderen war ich ihr Vorgesetzter. Denen durfte ich so was nicht zeigen. Ich bin natürlich ebenso Jims Vorgesetzter, aber das ist was anderes.
Die drei blieben stehen, atmeten aus und sahen mich müde an. Ich konnte ihre heißen Körper spüren, als wären sie fiebrig. Ihre Uniformen waren nassgeschwitzt, klebten an ihnen wie eine zweite Haut. Die Hitze war unerträglich. Weit über vierzig Grad, und hier in der Wüste wehte auch nicht der kleinste Wind.
Was sollten wir machen? Lebensraum ist in den letzten hundert Jahren immer spärlicher geworden. Durch die Erderwärmung Ende des zwanzigsten und einundzwanzigsten Jahrhunderts wurde unsere gute alte Erde immer enger. Irgendwann dann konnte auch die Küstenumwandlung dem nichts mehr entgegensetzen. Durch Trockenlegung flacherer Küstenregionen hatten wir einiges an Land gewinnen können, aber ganz genügen würde das nie. Jedenfalls blieben die fruchtbaren Regionen der Zivilbevölkerung vorbehalten. Und dort, wo es zu kalt oder zu heiß zum Leben war, wurde das Militär stationiert.
„Was ist?“, fragte Andy, ein muskelbepackter, rothaariger Mann Mitte zwanzig und damit fünf Jahre älter als ich. Dennoch stand auch er unter meinem Kommando. Er machte jedoch nie Anzeichen, dass es ihn störte, von einem Jüngeren Befehle zu erhalten. Sein Gesicht war braungebrannt.
„Um Null vierhundert brechen wir auf“, sagte ich.
„Null vierhundert“, kommentierte er. Wie immer war in seinem Gesicht nicht zu erkennen, was er davon hielt. Sein Mienenspiel wie stets unleserlich.
„Schon so zeitig“, kam es von Stevie, ebenfalls ein Kraftpaket. Seine Augen starrten mich an. Anders als Andy hatte er sehr wohl Schwierigkeiten, Befehle von einem Jüngeren anzunehmen, obwohl er gerade mal drei Lenze mehr als ich auf dem Buckel hatte.
„Wird ja auch Zeit. In dieser Gluthölle bekommt man ja Maden“, gab die einzige Frau im Team von sich. Wenn Sie jetzt glauben, sie wäre den Männern unterlegen, haben Sie sich gewaltig geschnitten: Sandy kämpfte ebenso verbissen wie ihre männlichen Kameraden, war eine ebenso gute Nahkämpferin, ein besserer Scharfschütze und eine herausragende Strategin. Sie war etwas später in unser Team gekommen, denn sie hatte ihre Grundausbildung nach uns begonnen, wurde aber zum selben Zeitpunkt fertig. In ihren Fähigkeiten kam sie gleich nach mir. Ich hatte sie im Auge und beobachtete ihre Taten genau.
„Wegtreten!“, bellte ich