Der Kurier des Kaisers. Fedor von Zobeltitz

Der Kurier des Kaisers - Fedor von Zobeltitz


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Kreise wurden vereinzelte unmutige Ausrufe hörbar. Major Richebourg trat mit rotem Kopf dicht vor Fritz und faßte ihn an einen Knopf seines Lederkollets.

      »Was soll das heißen, Kerl?« zischte er ärgerlich hervor. »Bist du des Teufels, daß du trotz meiner Erklärung deine niederträchtige Behauptung aufrecht hältst?!«

      Jetzt schlug auch Fritz die Röte des Zornes in die Wangen.

      »Ich bitte Sie zuvörderst um größere Höflichkeit, Herr Major,« rief er aus. »Wir stehen uns nicht auf du und du! Im übrigen bleibe ich bei meiner Aussage!«

      Bazaine trat zwischen die beiden.

      »Lassen Sie, lieber Richebourg,« sagte er, »wir wollen uns nicht erregen, trotzdem das Bürschlein unverschämt wird! Was sind Sie für ein Landsmann, junger Herr? Spanier oder Franzose?«

      »Deutscher, Euer Excellenz zu dienen.«

      Wieder ging eine Bewegung durch den Kreis der Offiziere; man flüsterte und lächelte höhnisch.

      »Deutscher?« wiederholte der Marschall in fragendem Tone. »Das dürfte doch wohl nur eine – allgemeine Bezeichnung sein. Aber richtig – ich entsinne mich – es existiert ja seit Beendigung des böhmischen Krieges ein sogenannter ›Norddeutscher 20 Bund‹ – ich las davon. Also Deutscher« – und während Bazaine dies Wort eigentümlich ironisch betonte, flog ein Lächeln um seinen schnurrbärtigen Mund. Er ließ seine Cigarette fallen und zertrat sie mit der Stiefelspitze. »Eh bien,« fuhr er fort, »ich will Ihren Wunsch erfüllen und die Sache untersuchen lassen. Major Richebourg – haben Sie die Güte, den Requisitionstrupp zusammen zu berufen und Erkundigungen einzuziehen. Inzwischen, mein Herr Deutscher, dürften Sie wohl gestatten, daß wir ein wenig frühstücken.«

      Er ließ Fritz stehen. Vor den Zelten und in dem umfriedigten Halteplatz, in dem die Pferde angekoppelt wurden, entspann sich ein reges militärisches Treiben. Feldtische wurden aufgeschlagen; Ordonnanzen eilten hin und her, schleppten Weinflaschen herbei, deckten die Tische und öffneten die Konservenbüchsen. Feuer wurden entzündet, die Mannschaften begannen abzukochen. Marketenderwagen rasselten heran, die Gefährte der Sanitätskolonnen, eine Batterie Geschütze. Ein Bataillon Infanterie, das in weiterer Entfernung lagern sollte, rückte salutierend vorüber. Durch den Lärm der Soldateska und das Wiehern, Schnaufen und Stampfen der Gäule, denen Futter geschüttet wurde, klangen vereinzelte Kommandos . . .

      Fritz hatte sich ermüdet auf einen Stein am Wege gesetzt und sah sich jetzt erst nach Wohanna um. Der Pama hatte den Halteplatz umschritten und näherte sich Fritz mit langsamen und gemessenen Bewegungen.

      »Señor,« sagte er halblaut, »ich habe unsre Pferde gesehen – sie stehen dort drüben dicht nebeneinander.«

      In diesem Augenblick näherte sich auch Major Richebourg dem Tische, an dem Bazaine mit einigen Offizieren frühstückte.

      Fritz sah, daß der Major eine Meldung erstattete und daß der Marschall ihm antwortete. Richebourg schritt nunmehr auf Fritz zu, der sich sofort höflich erhob.

      »Meine Nachforschungen haben die Grundlosigkeit Ihrer Angaben erwiesen, junger Mann,« sagte er. »Seine Excellenz der 21 Herr Marschall lassen Sie daher ersuchen, ihn und uns nicht länger zu belästigen.«

      Er faßte an sein Käppi und wandte sich wieder.

      Fritz ließ ihn ruhig gehen.

      »Wohanna – auf ein Wort!«

      Der Indianer sprang herbei.

      »Wo stehen unsre Gäule?«

      »In der ersten Reihe, Señor – gesattelt und aufgeschirrt.«

      »Würde es leicht sein, sie loszukoppeln?«

      »Ich denke ja, Señor.«

      »Gieb acht! Wenn die Franzosen uns die Pferde nicht freiwillig geben, werden wir sie uns mit Gewalt zurücknehmen. Ich werde zunächst eine kleine List versuchen. Sei jeden Moment bereit, dich in den Sattel zu schwingen und in der Carriere zu flüchten. Welche Richtung haben wir einzuschlagen?«

      »Die nördliche.«

      Fritz nickte und trat sodann an den Tisch Bazaines heran.

      »Sacré!« rief der Marschall und setzte das erhobene Glas klirrend auf den Tisch zurück. »Ist der Mensch noch nicht zufrieden?!«

      »Zu meinem Bedauern nein,« erwiderte Fritz ruhig. »Der Herr Major muß sich geirrt haben – die gestohlenen Pferde stehen dort drüben angekoppelt!«

      Richebourg schnellte empor.

      »Unerhört, Excellenz,« schäumte er auf, »lassen Sie den Burschen aus dem Lager jagen – ich verpfände mein Ehrenwort, daß –«

      »Ruhe, Ruhe, Ruhe, mein lieber Major« – Bazaine winkte beschwichtigend mit der Hand; »fassen wir das Intermezzo als eine willkommene Abwechslung auf – wir werden uns auf dem Heimwege noch genug langweilen!« Er erhob sich. »Wer hatte das Kommando über die Requisitionsabteilung?«

      »Kapitän Melville, Excellenz.«

      »So rufen Sie ihn!«

      22 Der Marschall winkte Fritz und schritt mit ihm zu den Pferden. Ein Dutzend Offiziere folgte.

      »Nun bitte, Monsieur« – und Bazaine schaute den jungen Deutschen von oben herab an – »welches sind die Gäule, die Sie als die Ihren beanspruchen?«

      »Diese beiden, Excellenz – den Rappen mit der Blesse und die braune Stute!«

      »Kapitän Melville!«

      »Excellenz befehlen?«

      »Wo sind die Pferde her?«

      »Nach Aussage von sechs Zeugen im Dorfe Los Andos rechtmäßig requiriert worden, Excellenz.«

      Die Augen Bazaines flammten auf.

      »Und Sie, mein Herr Deutscher,« sagte er mit starker Betonung, »wollen meine braven Leute noch weiterhin Lügen strafen?«

      Fritz zuckte mit den Achseln.

      »Ich – ich glaube zwar nicht, daß ich mich täuschen kann, Excellenz,« antwortete er mit gut erheuchelter Verlegenheit, »aber schließlich ist jeder Irrtum menschlich. Darf ich um eine letzte Vergünstigung bitten? Der Rappe warf im Trabe das rechte Vorderbein so merkwürdig aus dem Kniegelenk, daß ich das Pferd gar nicht verkennen kann. Würde Euer Excellenz gestatten, daß es mir einmal im Trabe vorgeführt wird?«

      Bazaine nickte.

      »Gut – auch das noch! Koppelt beide Gäule los und trabt sie dem jungen Herrn vor!«

      Der Befehl wurde im Augenblick vollzogen.

      Major Richebourg triumphierte.

      »Ein schlanker Trab,« rief er mit seiner meckernden Stimme. »Keine Spur von Hahnentritt! Der Mensch lügt – ich sagte es ja!«

      Fritz stand am Kopfe des Rappen, den eine Ordonnanz vorn an der Kandare hielt. Er warf einen raschen Seitenblick 23 auf Wohanna und nickte befriedigt, als er sah, daß sich der Pama dicht an der Seite der braunen Stute hielt.

      »Nein, Herr Major, ich lüge nicht,« entgegnete unser Held kaltblütig; »ich sehe es auch am Gebiß des Pferdes – – – erlauben Sie einmal,« und Fritz schob die Ordonnanz beiseite und faßte selbst in die Zügel, um anscheinend das Maul des Rappen öffnen zu können.

      Im nächsten Augenblick saß er im Sattel. Ein geller Schrei benachrichtigte Wohanna.

      »Auf Wiedersehn, Marschall Bazaine!«

      Und in gestrecktem Galopp floh der erschreckte Gaul die Straße hinab. Wie eiserne Klammern hafteten die Schenkel des jungen Mannes auf dem Rücken des Rappen. Mit den Fäusten schlug er in Ermangelung einer Peitsche dem erregten Tier auf Hals und Kopf, die Zügel locker lassend, um eine ungehinderte Pace zu ermöglichen. Er schaute weder rechts noch links; Staubwolken wirbelten um ihn auf, und der feine Sand blendete


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