Der Kurier des Kaisers. Fedor von Zobeltitz
noch eine letzte Frage, Señor,« sagte er. »Ist wirklich der einzige Lohn, den Sie für Ihren Dienst beanspruchen, der Zutritt in die Hacienda?«
»Der einzige,« erwiderte der Mexikaner rasch, während eine leichte Röte über sein Gesicht flog. »Ich bin – aus Gründen, deren nähere Erläuterung nicht zur Sache gehört – mit meinem Onkel zerfallen. Er verwehrt mir jede Annäherung; ich würde mich der Gefahr aussetzen, mit Hunden von seinem Hofe gehetzt zu werden, wenn ich mir den Zutritt erzwingen wollte. Und doch muß ich ihn in dringenden Familienangelegenheiten sprechen! Das kann ich nur erreichen, wenn sich die Thore seiner Hacienda der bewaffneten Macht öffnen.«
Herr von Leuthen schaute sich im Kreise um.
»Was sagen die Herren zu den Vorschlägen des Don Fuerto?« fragte er.
»Ich meine, wir würden Thoren sein, wenn wir sie ablehnen wollten,« entgegnete Rittmeister Cuerna, und Graf Hodegg, ein blutjunger Österreicher mit frischem, noch halb knabenhaftem Gesicht, fügte hinzu:
»Ich teile die Meinung des Herrn Rittmeisters, möchte dem Herrn Oberst aber ganz gehorsamst zu bedenken geben, daß es vielleicht gut sein würde, die Angelegenheit zunächst dem Oberkommando zu melden.«
»Wogegen ich für mein Teil durchaus nichts einzuwenden hätte,« fiel der Mexikaner lebhaft ein. »Nur muß ich um dringende Beschleunigung bitten, da das republikanische Heer sich bereits zusammen zu ziehen beginnt.«
Der Oberst nickte.
»Wir hatten die Absicht, nach Puebla zu rücken,« sagte er, »um uns dort mit dem Corps des Generals Marquez zu 30 vereinigen. Der Plan muß aufgegeben werden. Ich halte es für zweckmäßiger, wir marschieren direkt nach Queretaro, wo die Generale Mejia und Miramon den Hauptteil unsrer Armee zusammengezogen haben. General Miramon hat den Oberbefehl – er mag das Weitere veranlassen. Graf Hodegg, wollen Sie, bitte, veranlassen, daß um zwei Uhr nachts zum Abmarsch geblasen wird; die Truppen sollen sich daher rechtzeitig zur Ruhe legen. Wir wählen den Weg über Tlaxala und Pachuca.«
In diesem Augenblick wurde der Zeltvorhang zurückgeschlagen, ein alter, eisgrauer Wachtmeister mit gewaltigem Knebelbart trat ein.
»Was giebt's?« fragte Leuthen.
»Verzeihen Herr Oberst – die Posten haben zwei Leute, einen Deutschen, wie es scheint, und einen Indios als der Spionage verdächtig angehalten und gefangen genommen. Was soll mit den beiden geschehen?«
»Wenn es in der That Spione sind, werden wir mit ihnen nicht lange fackeln und sie an den nächsten Baum knüpfen lassen. Die Herren Juaristen pflegen mit wehrlosen Gefangenen ähnlich zu verfahren. Aber zunächst lassen Sie die beiden Strolche einmal vorführen.«
»Hierher, Colonello?«
»Ja . . . Señor Fuerto, haben Sie die Güte, sich ein Lager bereiten zu lassen. Ich denke, es wird Ihnen recht sein, daß Sie uns nach Queretaro begleiten?«
Der Mexikaner erhob sich.
»Durchaus, Herr Oberst; Queretaro liegt mir wie Ihnen auf dem Wege, und wenn die militärischen Operationen richtig geleitet werden, garantiere ich Ihnen, daß die Kaiserlichen binnen heute und drei Wochen die Herren von ganz Mexiko sind . . . Darf ich Sie nur bitten, mir für die Nachtruhe ein paar Decken und für mein Pferd etwas Futter geben zu lassen. Mehr verlangen wir beide nicht,« fügte er lächelnd hinzu.
31 Der Oberst gab dem dicken Wachtmeister einige entsprechende Befehle, der sich sodann mit Señor Fuerto entfernte.
»Mir sagt der Mann nicht sonderlich zu,« bemerkte Herr von Leuthen, als der Mexikaner das Zelt verlassen hatte, »aber ich meine, wir sind jedenfalls verpflichtet, das Oberkommando von seinen Mitteilungen in Kenntnis zu setzen. Solange wir uns seiner Person versichert halten, werden wir einen Verrat von seiner Seite kaum zu fürchten haben.«
»Ich glaube auch nicht an einen solchen,« entgegnete Rittmeister Cuerna, sich eine Cigarette in Brand setzend. »Dem Manne scheint in der That lediglich daran zu liegen, Einlaß in die Hacienda Panisca zu bekommen – vielleicht will er bei dieser Gelegenheit ein persönliches Racheempfinden befriedigen – wer kann es wissen! Ich bin selbst Mexikaner und kenne meine verehrten Landsleute. Jedenfalls aber dünkt es mich angebracht, ihn auf dem Wege nach Queretaro scharf beobachten zu lassen . . .«
Der Eintritt der beiden Spione schnitt die Antwort des Obersten ab. Der gleiche Ausdruck von Erstaunen flog über die Züge der drei Offiziere, als sie die Gefangenen sahen. Es war zweifellos, daß die ganze typisch deutsche Erscheinung Fritz Bergers einen unerwartet günstigen Eindruck auf sie machte.
Während Wohanna in bescheidener Ruhe am Zelteingang stehen blieb, trat der junge Mann voll sichtlicher Erregung bis an den Tisch heran und sagte hastig in seinem schlechten Spanisch:
»Wenn ich die Ehre habe, den Kommandanten des Lagers vor mir zu haben, so bitte ich um Schutz gegen die Vergewaltigung, die man mir hat zu teil werden lassen. Ich bin kein Spion, wie man behauptet, sondern in der That ein harmloser Reisender. Seit wann ist es in Mexiko erlaubt, einen solchen, der unter Begleitung eines Führers durch das Land reist, wie einen Verbrecher zu behandeln?«
Der Oberst winkte dem Aufgeregten abwehrend mit der Hand.
»Gemach, junger Herr – nur immer gemach,« entgegnete er. »Wir leben in schwerer Kriegszeit und unter eisernen 32 Gesetzen. Wenn Ihnen unrecht geschehen ist, so wird es auch wieder gut zu machen sein. Im übrigen sehen Sie einen Landsmann vor sich – Sie können also halt schon gleich mir deutsch sprechen.«
Diese Worte übten einen sichtlich besänftigenden Eindruck auf Fritz aus. In sein blasses Gesicht kehrte langsam die Farbe zurück; er nahm die Mütze vom Kopf und verbeugte sich leicht.
»Vergebung, Herr Oberst,« erwiderte er, »wenn ich mich zu unnötiger Heftigkeit hinreißen ließ. Ich komme von Veracruz und will nach dem Norden. Bis Orizaba konnte ich die Post benutzen; von dort aus aber mußte ich zu Pferde weiter, da die Postfahrten infolge der Unruhe im Lande unterbrochen sind. Beim ersten Nachtlager wurden wir von Banditen überfallen, die uns die Pferde raubten. Diese Banditen waren freilich französische Soldaten, aber auch sie hätten uns unser Eigentum nicht wiedergegeben, wenn wir nicht eine List gebraucht haben würden. Und nun werden wir von neuem festgehalten – diesmal von Kaiserlichen – unter der wahnsinnigen Behauptung, daß wir Spione seien! Welch Unverstand!«
»Der Gefangene führt Karten und Pläne und ein an Juarez gerichtetes Schreiben bei sich,« warf der Wachtmeister ein. »Lieutenant Hauer, der Kommandeur der Vorpostenwache, hatte bestimmten Befehl gegeben, die beiden nicht eher zu entlassen, ehe sie von dem Herrn Oberst gründlich untersucht worden seien.«
»Ich stelle mich zur Verfügung,« sagte Fritz mit einem gewissen Trotz. »Die Karten, die ich bei mir trage, habe ich mir erst in Veracruz gekauft, um mich besser orientieren zu können, und das Handschreiben an Herrn Juarez, das ich zu verleugnen gar keine Ursache habe, datiert vier Jahre zurück.«
Oberst von Leuthen schüttelte den Kopf.
»Ich verstehe das nicht recht,« entgegnete er. »Wer ist der Absender respektive der Verfasser jenes Schreibens?«
»Ein Herr Giuseppe Mazzini.«
Der Oberst fuhr erstaunt zurück.
33 »Mazzini – der berüchtigte italienische Revolutionär?!«
Eine sichtliche Verlegenheit prägte sich auf dem hübschen Gesicht des jungen Deutschen aus.
»Ich hörte allerdings auch schon daheim,« sagte er, »daß Mazzini eine gefährliche Persönlichkeit sein solle. Aber seine revolutionäre Gesinnung hat mit der Angelegenheit, um derenwillen ich nach Mexiko gekommen bin und mit der sich auch der Brief an Juarez beschäftigt, nichts zu thun. Wenn der Herr Oberst die Güte haben wollen, mich in Ruhe anzuhören, bin ich bereit, Ihnen der Wahrheit gemäß die Gründe, die mich hierher geführt haben, zu erzählen. Ich möchte in diesem Falle nur bitten, mit dem Herrn Oberst allein bleiben zu dürfen.«
Graf Hodegg und Rittmeister Cuerna erhoben sich sofort. Auf einen Wink Leuthens mußten auch der Wachtmeister und