Elduria - Die Entscheidung. Norbert Wibben
könnte ich das möglicherweise auch aufheben.«
»Richtig. Das wäre ähnlich so, wie das bei den Zauberangriffen der Hexenmeister oder dem von Creulon war.«
»Aber besser ist, wir lassen es nicht so weit kommen, dass wir das probieren müssen!«
Der Junge blickt Runa beschwörend an. Sie nickt langsam. Es sieht allerdings so aus, als ob sie ihm nicht genau zuhören würde. Das bestätigt das Mädchen auch sofort durch ihren nächsten Satz.
»Damit hast du mich auf eine Idee gebracht. Ich sollte versuchen, über eine Gedankenverbindung in Atropaias Kopf nach der Ursache für ihre Schwäche und den Husten zu suchen. Dann könnte ich in der Lage sein, den dunklen Fluch von ihr zu nehmen, wenn der die Ursache sein sollte. Denke nur an die dunkel-violetten Wolken, die wir am Rand unseres Bewusstseins aufspüren und vertreiben konnten. Ich vermute, das könnte bei ihr ähnlich aussehen.«
Runa greift nach ihrer Teetasse und nimmt einen großen Schluck. Sie will bereits aufstehen, als Dragon sie sanft zurück auf den Stuhl drückt.
»Das kannst du später oder besser noch morgen probieren. Du solltest dich vorher völlig erholen, denn auch du schaust angegriffen aus!«
Sie blickt den Jungen an. Erst nach einem Blick zu ihrer Amme hinüber nickt sie.
»Einverstanden. Da Paia tief zu schlafen scheint, könnte ich die Verbindung im Moment doch nicht herstellen. – Aber ich sollte versuchen, Danrya zu beruhigen. Möglicherweise kennt sie einen weiteren Spruch, den ich anwenden kann.«
»Das kannst du gerne machen, nachdem du dich auch etwas ausgeruht hast!«
Das Mädchen blickt den Jungen an und will empört auffahren. Doch nach wenigen Momenten besinnt es sich, dass Dragon recht hat. Es nickt und schaut ihn schelmisch an.
»Ja, Mutti!«
Fast im gleichen Augenblick fällt auch sie in tiefen Schlummer. Die Übertragung der Lebensenergie auf Atropaia hat mehr Kraft als gedacht gekostet.
Im Traum kehrt Runa in ihre ersten Jahre hier im Haus zurück. Ein zufriedenes Lächeln breitet sich auf ihrem Gesicht aus. Vorsichtig, um sie nicht aufzuwecken, trägt Dragon sie zum Sofa hinüber. Er bettet sie darauf und breitet eine Decke über sie.
»Danke, mein Beschützer!«, murmelt das Mädchen im Halbschlaf.
Zur Dracheninsel und neue Zauber
Dragon möchte seiner ehemaligen Lehrerin Moira den kleinen Strauß Blumen von der Wiese bringen, wo ihr Bruder bestattet worden ist. Er will ihr auch davon berichten, dass er zusammen mit einer Drachensucherin gegen das Böse kämpft. Das Mädchen hat ihn bei diesen Worten leicht in Verdacht, mit seinen Beschützeraktionen vor ihr glänzen zu wollen. Und das hat er ihrer Meinung nach durchaus verdient. Sie schlägt ihm vor, ihn mit dem magischen Sprung dorthin zu bringen. Dann könnte sie von den jeweiligen Situationen berichten, ohne dass das wie ein Eigenlob Dragons wirken würde. Doch der Junge schüttelt sofort vehement den Kopf.
»Das habe ich keineswegs vor. Ich bin der Ansicht, dass wir im Kampf gegen Drakonia, Owain und Creulon jede Unterstützung brauchen können. Darüber haben Danrya und ich diskutiert. Ich möchte mit Moiras Hilfe versuchen, die anderen Drachen zu überreden, mit mir nach Elduria zu kommen.«
Runa fühlt sich sofort unbehaglich, ihren Freund und Beschützer derart selbstsüchtige Absichten unterstellt zu haben. Sie sollte ihn inzwischen besser kennen!
»Entschuldige bitte, ich dachte, du seist auf ein Lob Moiras aus.«
»Pah«, lautet die einsilbige Antwort des Jungen. Er wendet sich von dem Mädchen ab und geht nach draußen. Runa folgt ihm sofort und stellt sich in seinen Weg.
»Verzeihst du mir? Das war wirklich mehr als blöd von mir. Ich möchte nicht, dass du jetzt fortfliegst, ohne dass wir uns vertragen haben. – Bitte!«
Ihrer offensichtlichen Zerknirschtheit kann Dragon nicht standhalten. Nach wenigen Sekunden zieht ein Lächeln in sein Gesicht.
»Schon vergessen«, versucht er das Thema abzuschließen. Das Mädchen lächelt dankbar zurück.
»Wie sieht übrigens der Blumenstrauß aus? Du hattest ihn unter dein Oberteil gesteckt. Hat er da nicht gelitten? Ich weiß, Wiesenschaumkraut ist sehr empfindlich und kann nicht lange ohne Wasser überstehen.«
Der Junge greift erschrocken unter sein Hemd und zieht die Blumen hervor. Die sehen mitleiderregend aus. Runa deutet auf sie und murmelt: »Renovo!« Die schlapp herabhängenden Blütendolden richten sich auf. Die vielen, hellblauen, vierblättrigen Blüten leuchten wieder so frisch, als wären sie gerade erst gepflückt worden. Das führt zu einem Argument, das sofort von ihr genutzt wird.
»Wenn du bis zur Insel fliegen willst, werden die Blumen bei deiner Ankunft dort so unschön wie eben aussehen. Das geht bei diesen Pflanzen schnell. Deshalb mache ich dir erneut den Vorschlag, dich mit dem magischen Sprung dorthin zu bringen.«
»Ich bin sehr unsicher, wie die Drachen auf der Insel reagieren, wenn ich mit einer Halbelfe dort auftauche. Das könnte durchaus gefährlich werden. Darum möchte ich das lieber nicht.«
Er lässt sich nach längerer Diskussion schließlich doch überreden. Runa versichert ihm zuvor, ihren Freund lediglich dorthin bringen und sofort von der Insel zu Atropaia zurückkehren zu wollen.
»Paia sieht zwar etwas erholt aus, aber ich möchte sie nur ungern allein lassen. Sollten unsere Verfolger hier auftauchen, was durchaus nicht unmöglich ist, wird sie sich kaum mit Magie wehren können.«
»Den Rückweg trete ich in Begleitung einiger Drachen an, falls ich sie dazu überreden kann. Wohin ich sie führen soll, kannst du mir ja gedanklich mitteilen«, fordert der Junge. Sie stellen die zuletzt unterbrochene Verbindung wieder her. »Außerdem muss ich es sofort wissen, sollten die Verfolger hier erscheinen. Versprich mir, mich in dem Fall hierher zu holen.«
»Wenn du das möchtest, gerne. Ich mache das aber von der Situation abhängig. Vielleicht werde ich vorher mit Paia flüchten. Doch das sehen wir, sobald es dazu kommen sollte.«
Dragon nickt, tritt ins Haus und verabschiedet sich von der Elfe. Dann nimmt er seine Drachengestalt an und stellt sich den Eingang zur Drachenschule vor. Runa berührt seinen Rücken und bringt ihn mit dem magischen Sprung dorthin. Sie wünscht ihm Glück und ist im nächsten Augenblick wieder zurück im Wohnraum.
Der Junge möchte in gedanklicher Verbindung mit dem Mädchen bleiben, falls es, wie er anführt, die Unterstützung durch ihren Beschützer nötig haben sollte. Doch Runa ist schon bald anderer Ansicht.
»Wenn ich Hilfe benötige, werde ich den Kontakt zu dir herstellen! Du musst dir dann lediglich den Ort anschauen, wo ich erscheinen soll. Aber bis dahin können wir die Gedankenverbindung unterbrechen. Ich möchte mich mit Paia über viele Dinge unterhalten. Das würde dich genauso ablenken, wie es bei mir der Fall wäre, sollte ich deine Diskussionen mit den anderen Drachen mitverfolgen.«
Dieser Überlegung stimmt Dragon schließlich zu. Seine Rückkehr wird mehrere Tage dauern. Auch wenn er sehr schnell zu fliegen vermag, werden die ihn hoffentlich begleitenden Kreaturen nicht alle die gleiche Geschwindigkeit wie der Jungdrache erreichen können. Außerdem rechnet das Mädchen damit, dass sie vorzugsweise in der Nacht herkommen werden, um keine ungewollte Aufmerksamkeit zu erregen. Sie könnten sonst feindlichen Zauberern gemeldet werden und müssten in dem Fall mit Angriffen rechnen.
In den nächsten Tagen berichten Runa und ihre Amme, was sie in den vergangenen sieben Jahren erlebt haben. Seitens Atropaia gibt es nicht viel zu erzählen, da sie, bis auf die Verhöre und die kurzzeitigen Hofgänge, keine Abwechslung im Kerker hatte. Deshalb fällt es dem Mädchen schwer, einen Anhaltspunkt dafür zu finden, wann die Elfe von einem Zauber getroffen sein könnte. Dass das auf ihrer Flucht geschehen sein sollte, schließt es aus.
Runa schüttelt den Kopf. Creulon hatte zu keiner Zeit an einem Verhör teilgenommen, wie Atropaia versichert. Wie und wann kann er dann einen dunklen Fluch