Kullmann stolpert über eine Leiche. Elke Schwab
etwas für mich empfindest. Such dir eine andere Frau.«
Geknickt und sichtlich ratlos verließ Roland das Hinterzimmer und den Salon. Trixi schaute ihm nach. Wie ein begossener Pudel wirkte er. War sie zu gemein zu ihm gewesen? Nein, schüttelte sie energisch den Kopf. Sie hatte sich richtig verhalten.
Am Abend regnete es. Dazu wehte ein kalter Wind. Die Heimfahrt war eine Qual, weil der Regen ihr in die Augen geriet, sodass sie alles verschwommen sah. Außerdem fror sie entsetzlich. Durch das Zittern ihrer Beine fiel ihr das Strampeln noch schwerer.
Endlich erreichte sie die Brücke.
Plötzlich drang ein lautes Scheppern an ihr Ohr, das sogar das Rauschen des Regens und des Windes übertönte. Es hörte sich an, als seien mehrere Metallteile aufeinandergeschlagen. Sie zuckte zusammen.
Zitternd vor Angst und Kälte sperrte sie daheim angekommen hastig die Tür auf und schob ihr Fahrrad in den Flur, was sie sonst nie tat. Aber das Geräusch hatte sie so erschreckt, dass sie nicht den Mut aufbrachte, das Vehikel im dunklen Keller zu verstauen. Das Untergeschoss bestand aus Gewölben, in denen Trixi hinter jedem Pfeiler das Schlimmste vermutete. Schon als Kind hatte sie sich davor gefürchtet, was ihre Mutter allerdings nicht interessierte. Beharrlich hatte sie das verängstigte Kind in den Keller geschickt, um Vorräte zu holen. Schlotternd vor Angst hatte sich Trixi gefügt, eine lästige Pflichterfüllung, die ihre Horrorfantasien beflügelt hatte. Heute lebte sie mit einer tief verwurzelten Angst. Das neu installierte elektrische Licht machte es nicht besser, im Gegenteil: Die dicken Pfeiler warfen lange Schatten, hinter denen sich leicht jemand verstecken konnte. Zum Glück konnte sie heute selbst entscheiden, ob und wann sie dieses finstere Gewölbe betrat.
Im Flur tropfte das Regenwasser vom Fahrrad und hinterließ eine hässliche, braune Pfütze. Trixi wollte die schmutzige Lache wegwischen, aber es tropfte immer wieder nach. Das Wasser hatte sich in den Schutzblechen über den Reifen gesammelt.
Enttäuscht machte sie sich auf den Weg ins Badezimmer, als sie meinte ein Klopfen am Wohnzimmerfenster zu hören. Aber wie konnte jemand an ein Fenster klopfen, das sich in drei Metern Höhe befand?
Ängstlich betrat sie das große Zimmer, dessen Mobiliar zum größten Teil aus Antiquitäten bestand, ein Überbleibsel ihrer Eltern, die eine große Leidenschaft für alte Möbel hatten. Dazwischen standen ein elegant gestylter Sessel in gebrochenem Weiß und ein tiefes, bequemes Sofa mit Schonbezug, eine Errungenschaft, auf die sie sehr stolz war. Darunter lag ein teurer Perserteppich in einem kräftigen Blau, der ihre Schritte dämpfte. Ein Klappsekretär füllte die Ecke links vom Fenster aus, eine Vitrine, vollgestopft mit Porzellan und Kristallvasen die andere Ecke. Stehlampen in verschiedenen Stilrichtungen waren im ganzen Zimmer verteilt. Sie traute sich nicht eine dieser Lampen anzuschalten. Vorsichtig näherte sie sich dem Fenster, um das Rollo herunterzulassen.
Als sie sich ins Bett legte, hörte sie ein Geräusch am Schlafzimmerfenster. Der Rollladen war verschlossen, aber sie fühlte sich trotzdem nicht sicher. Nachts schreckte sie immer wieder hoch.
Unausgeschlafen verließ sie am nächsten Morgen das Haus. Vor der Tür wäre sie beinahe über einen bunten Blumenstrauß gestolpert. Sie konnte gerade noch rechtzeitig ausweichen und betrachtete widerwillig das wunderschöne Arrangement leuchtend bunter Blumen. Eine Karte hing daran, es war eine Standardkarte aus dem Blumenladen. Die Grüße lauteten einfach nur: »In Liebe.«
Das reicht, dachte Trixi.
Auch wenn es ihr um die schönen Blumen leidtat; es war der Hintergedanke, der damit verbunden war, weshalb sie den Strauß entnervt zwischen die verrosteten Autowracks schleuderte. Durch dieses Ereignis war sie so aufgewühlt, dass sie nicht auf direktem Weg zu ihrer Arbeit im Saarbasar am Fuße des Eschbergs fuhr, sondern einen Umweg über die Polizeiinspektion in der Saarbrücker Straße machte.
Sie betrat ein kleines Büro und sah einen Polizeibeamten hinter einem Monitor sitzen.
»Ich möchte eine Anzeige erstatten«, begann sie.
»Gegen wen?«, fragte der Polizist und schaute sie prüfend an.
Trixis blondes Haar war zerzaust, ihr Gesicht fleckig, die Augen umschattet. Normalerweise schminkte sie sich erst im Friseursalon. Dieser Polizist musste einen tollen Eindruck von ihr haben.
»Gegen Roland Berkes.«
»Was tut er denn?«
»Er belästigt mich.«
»Wie?«
»Er schenkt mir Blumen, versucht immer wieder, mich zu einem Rendezvous zu überreden, legt mir Geschenke vor die Haustür, traktiert mich mit Anrufen.«
»Und darüber beschweren Sie sich?«
Trixi starrte den Beamten mit offenem Mund an. Hatte sie richtig gehört? Sie konnte es nicht glauben.
»Ich möchte den Kerl anzeigen«, wiederholte sie ihre Bitte.
»Was soll ich notieren?«, fragte der Polizist. »Anzeige wegen unerlaubten Schenkens von Blumensträußen?«
Wütend verließ Trixi das Polizeigebäude. Diese Abfuhr musste sie erst einmal verdauen. Während sie durch die Straßen zum Friseursalon radelte, überlegte sie, was sie falsch gemacht haben könnte. Die Reaktion des Bullen war ihr suspekt. Aber genau genommen hatte sie ihm auch nicht die ganze Wahrheit gesagt. Den Psychoterror, den Roland Berkes mit seinen Belästigungen anrichtete, hatte sie nicht erwähnt. Bestimmt hatte der Bulle sie falsch verstanden. Aber jetzt zurückkehren und alles nochmal versuchen, wollte sie auch nicht. Bei dem Mann war sie unten durch. Jetzt musste sie zuerst einmal abwarten, wie es weiterging, bevor sie einen neuen Versuch machte, sich Schutz bei der Polizei zu suchen.
Sie erreichten den Salon. Schon von weitem sah sie ich. Roland stand vor der Tür und erwartete sie. Das hatte gerade noch gefehlt. Am liebsten würde sie jetzt doch sofort umdrehen und zur Polizei zurückfahren. Aber damit könnte sie ihren Job riskieren, denn es warteten schon einige Kundinnen auf sie.
»Ich habe mich mit deiner Bestellung beeilt.« Roland begrüßte Trixi mit einem strahlenden Lächeln, als sei die Welt in Ordnung.
Im Tageslicht sah Trixi, dass er graue Augen hatte; die langweiligste Farbe, die sie kannte.
»Schön«, murrte sie. »Leg es auf den Tisch und verschwinde! Ich habe viel Arbeit.«
»Warum so unfreundlich? Ich möchte dich zum Essen einladen. Morgen kommt der Nikolaus und da wollte ich dir eine Freude machen.«
»Ich will nicht mit dir essen gehen, egal wer gerade an der Reihe ist, der Weihnachtsmann oder der Osterhase.«
»Aber warum denn nicht? Wir könnten uns aussprechen.«
»Das wäre reine Zeitverschwendung.«
»Schade! Vielleicht überlegst du es dir noch mal.« Roland zuckte mit den Schultern. »Ich kenne ein Restaurant, da kann man wirklich gut essen. Es würde dir gefallen.«
Trixi stemmte energisch ihre Hände in die Hüften und wartete, bis er in seinen Kleinlaster eingestiegen und davongefahren war. Erst dann konnte sie sich auf ihre Arbeit konzentrieren.
Käthe traf kurze Zeit später ein. Als sie Trixis Gesicht sah, zuckte sie zusammen.
»Wie siehst du denn aus?«
»Ich habe schlecht geschlafen, weil ich wieder einmal von dem geisteskranken Roland Berkes wachgehalten wurde.«
Käthe schüttelte den Kopf, zögerte eine Weile und erwiderte: »Lade ihn ein und rede mit ihm. Nur so kannst du Missverständnisse aus dem Weg räumen.«
»Ich dachte, du wärst meine Freundin.«
»Bin ich doch auch. Ich wollte dir nur einen Vorschlag machen, wie du diese unerträgliche Situation erträglich machen kannst.«
»Indem ich jemanden in mein Haus lasse, der mir gefährlich werden kann?«
»Roland Berkes ist gefährlich? Du verrennst dich in etwas.«
»Du glaubst