Rätsel im Ballsaal. Historischer Roman. Catherine St.John
Eddie geht es mir doch genauso. Wollen wir nach ihnen sehen? Danach können wir ja überlegen, was wir morgen auf dem Ball der Prestons tragen wollen.“
„Uns geht es so wunderbar“, seufzte Melinda, als sie diese Pläne umgesetzt hatten. „Wir haben die allerliebsten Ehemänner, jede einen entzückenden kleinen Sohn, ich vielleicht bald noch eine Tochter, wir können auf dem Land leben und ab und zu ein paar Bälle in London mitmachen -“
„- auf denen wir nicht mehr zu hauptsächlich fadem Weiß verurteilt sind“, ergänzte Cecilia. „Mal sehen, wer morgen bei den Prestons sein wird. Lieber Himmel, hoffentlich nicht Carew – oder hat er jetzt endlich eine Frau gefunden?“
„Du glaubst nicht ernsthaft, dass ich das weiß, oder? Frag doch die grässliche Eloise, immerhin ist sie seine Schwester!“
„Ungefälliges Weibsbild!“
„Wie bitte?“, fragte Lord Hertwood hinter ihr. „Wie sprichst du mit meiner Gemahlin, böse Schwester?“
Beide Damen kicherten. „Wir haben beide keine Lust, bei Lady Eloise Dalley nachzufragen, ob ihr unsäglicher Bruder jetzt endlich eine Frau gefunden hat“, erklärte Melinda.
„Obwohl uns die Antwort natürlich rasend interessieren würde“, ergänzte Cecilia.
„Warum eigentlich?“ Lord Hertwood setzte sich. „Kann es euch nicht vollkommen gleichgültig sein, ob dieser Idiot eine Dumme gefunden hat, die sich nur für den Titel einer Countess interessiert?“
„Natürlich, aber darüber zu klatschen macht doch Spaß!“ Melinda lächelte ihren Mann breit an.
„Ladys!“ Hertwood verdrehte die Augen zur Decke. „Was sagt denn Ben dazu?“
„Ungefähr das gleiche wie du, aber darüber, was mich amüsiert, entscheide ich schließlich immer noch selbst, nicht wahr, Seb?“, fertigte Cecilia ihren Bruder ab.
„Wir sollten Portia ein paar Mal mit auf Bälle nehmen“, wechselte Melinda das Thema. „Ich glaube, Tante Margaret findet eine Saison mittlerweile doch recht anstrengend – und wir gehen doch gerne auf Bälle.“
„Ja, wenn keine von uns beiden in der Hoffnung ist!“
„Oh, Cecilia? Habe ich da etwas verpasst?“, frotzelte ihr Bruder prompt.
„Unsinn, ich spreche von Melinda. Aber ihr scheint es ja recht gut zu gehen?“
„Hast du mir selbst eben nicht geglaubt?“ empörte sich Melinda etwas künstlich.
„Natürlich! Du bist in so spitzbübischer Stimmung, es muss dir glänzend gehen. Wollen wir Portia morgen Abend gleich zu den Prestons mitnehmen?“
„Ich schicke ein Brieflein zu den Arnebys“, nickte Cecilia.
Melinda wandte sich an ihren Mann: „Portia ist jetzt zwanzig und in ihrer dritten Saison. Allmählich sollte sie die Sache wohl ernsthaft angehen, nicht wahr, Sebastian?“
„Wenn sie das möchte? Es gibt auch Damen, die gar nicht heiraten wollen“, gab Sebastian zu bedenken.
„Besser gar nicht heiraten als den falschen Mann“, verkündete Cecilia kriegerisch. „Natürlich könnte man als Witwe des falschen Mannes auch recht zufrieden leben…“
„Solle ich Ben warnen, dass du ihm nach dem Leben trachtest, du alte Zynikerin?“, gab Sebastian sofort zurück.
„Versuch´s nur, er wird dich anstarren, als seiest du nicht recht bei Trost“, prophezeite Cecilia. „Oh fein, der Tee!“
Cecil betrachtete sich recht unlustig im Spiegel. Sicher, der schwarze Abendfrack saß wie angegossen (auf Weston war eben Verlass), die blassgraue, silbern bestickte Weste war elegant, nach der neuesten Mode und dennoch streng in der Anmutung, das Halstuch war tadellos gelegt, die schwarzen Pantalons waren über jeden Zweifel erhaben. Nichts war zu beanstanden – und Kniehosen brauchte er gar nicht, denn heute Abend ging es nicht zu Almack´s. Aber, du lieber Himmel, hatte er keine Lust auf diesen Ball! Sicher, Michael Preston gehörte zu seinen wenigen Freunden, was die Chance verringerte, dass ihn jemand offen schnitt – aber gegen angeregtes bis aufgeregtes Getuschel war auch kein Gastgeber gefeit…
„Stell dich nicht so an“, hatte Michael einigermaßen barsch gesagt, „einmal muss es ja doch sein! Denk an die kleine Marian: Soll sie eines Tages auf die Gnade eines entfernten Verwandten angewiesen sein?“
Marian – ja, für sie nahm er das alles auf sich. Aber mussten die meisten jungen Damen gar so naiv, kindisch und geistlos sein? Bedeutete eine Ehe nicht in den meisten Fällen endlose Langeweile?
Lucindas Konversation war auch nicht auszuhalten gewesen. Eigentlich war es die meiste Zeit nur darum gegangen, wie schön sie war, wie gut ihr die zweihundertste Robe stand, welchen Tratsch sie von ihren Freundinnen gehört hatte und welche Veranstaltungen sie als nächstes besuchen wollte. Und warum er sie schon wieder nicht begleiten wollte, ungefällig, wie er war. Wozu: Um am Rand zu stehen und zuzusehen, wie sie in die Arme immer wieder anderer Männer flog? Mit ihm wollte sie nicht tanzen, wie sie ihm klargemacht hatte: Wozu denn? Wir sind doch verheiratet!
Für so etwas war ihm seine Zeit zu kostbar – und immer mehr Herren warfen ihm auch mitfühlende Blicke zu. Das brauchte er genauso wenig.
Lucinda war eine kaltherzige Egoistin gewesen. Nicht einmal für ihr Kind hatte sie ein Herz gehabt. Oder wenigstens ab und einmal etwas Zeit…
Gut, vielleicht wäre sie bei ihm geblieben, wenn er sie täglich wortreich bewundert hätte, ihre Schönheit in den delikatesten Formulierungen gelobt… er war doch kein verdammter Poet!
Was hatte der arme Bevenhurst wohl mit ihr auszustehen gehabt, bevor sie gestorben war?
Andererseits: de mortuis nil nisi bene, warum also so abfällig an die arme Lucy denken, sie war ja schließlich tot? Und er musste dringend eine neue Frau finden, für Marian und für einen Erben. Und vielleicht auch ein wenig für sich selbst… war er nicht doch etwas einsam?
Nein, er hatte doch Marian. Sie war wirklich reizend, so aufgeweckt für ihre sechs Jahre!
Aber sie brauchte auf die Dauer auch eine Mutter, nicht nur ihre Nanny oder eine Gouvernante wie Miss Sheffield. Mutter war ihr im Moment noch eine ganz fremde Rolle, denn Lucy – nein, Schluss damit!
„Sehr schön, Mylord, wenn ich das bemerken darf“, lobte Grin, sein Kammerdiener. Cecil lächelte kurz. „Als ob du sonst um Erlaubnis bitten würdest! Aber ich bin auch recht zufrieden – streng, aber elegant.“
Grin machte seinem Namen alle Ehre und verneigte sich dann. „Mit einem undefinierbaren Hauch von Halbtrauer?“
„Sehr gut beobachtet. Nun, ich bin gespannt, ob ich den Ball bei den Prestons genießen werde…“
„Aber gewiss doch, Mylord. Und – wenn ich das bemerken darf: Das Haus braucht wieder eine Herrin.“
„Das weiß ich selbst, Grin. Du brauchst übrigens nicht aufzubleiben!“
„Danke, Mylord.“
Kapitel 3
Cecil schlenderte die Treppen hinunter und durch die Halle, ein Diener reichte ihm Zylinder und Umhang, der Butler pfiff nach draußen, woraufhin der Wagen vorfuhr. Ich bin der Earl of Walsey, verdammt, sagte sich Cecil und stieg in die Kutsche. Sie werden mich nicht schneiden – und für diesen klatschsüchtigen, nutzlosen Haufen gibt es doch jeden Tag eine neue Sensation. Was haben diese armen Tröpfe denn sonst zu tun?
In wenigen Minuten standen sie vor dem Haus der Prestons; einer der Lakaien sprang von seinem Platz hinten auf dem Wagen und