Emmas Sommermärchen. Ivy Bell

Emmas Sommermärchen - Ivy Bell


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gehen, das würde sie bestimmt entspannen, bevor ihre Arbeitswoche wieder losging. Und vielleicht würde es Emma auch helfen, ein paar Entscheidungen zu treffen.

      Carla starrte wütend auf ihren Laptop. Sie wusste nicht mehr, was sie ändern sollte. Frau Hagen könnte ihr mal im Mondschein begegnen! Sie öffnete ihr Mailprogramm, schrieb ein paar höfliche Zeilen an Frau Hagen und kopierte ihren leicht geänderten Artikel in den Anhang. Dann drückte sie auf »Senden« und lehnte sich zurück. Morgen würde Frau Hagen sie garantiert in ihr Zimmer zitieren. Sie würde ihre dürren Finger unter ihrem Kinn aneinanderpressen und sie über den Rand ihrer strengen Brille mit ihren kalten, grauen Augen mustern. Dann würde sie ihr sagen, dass sie ihr den Text zur erneuten Bearbeitung gemailt hatte; Frau Hagen war nämlich ein Fan des papierlosen Büros. So war es immer. Carla schaffte es nicht, Frau Hagen mit ihren Artikeln zufriedenzustellen. Und was noch schlimmer war, auch die zweite Version war in der Regel nicht gut genug.

      Carla griff nach dem Telefon und rief Chris an. Er würde sie garantiert wieder aufheitern können, schließlich kannte er Frau Hagen. Chris arbeitete schon seit sieben Jahren bei »Schiller & Tegenkamp«, allerdings hatte er einen netteren Chef. Carla hatte ihn kennengelernt, als sie, einem Nervenzusammenbruch nahe, auf die Toiletten im Gang stürmen wollte, um sich zu beruhigen. Dabei rannte sie leider in Chris, der gerade mit ein paar Unterlagen aus dem Fahrstuhl kam. Die Unterlagen flogen durch die Gegend, und während Carla mir Chris auf dem Boden herumgekrochen war, um alles wieder einzusammeln, hatte er schon herausbekommen, wer sie war, in welcher Abteilung sie angestellt war, dass sie Volontärin war, wo und was sie studiert hatte und so weiter und so fort. Chris war eben Redakteur durch und durch und wusste, wie er den Leuten etwas aus der Nase ziehen konnte. Außerdem war er extrem neugierig, liebte dramatische Geschichten, und war schwul. Für Carla war er ein Lichtblick in der Agentur. Auch, wenn ihr nach ihrer ersten Begegnung der Kopf geschwirrt hatte. Noch nie war sie in so kurzer Zeit mit so vielen Fragen bombardiert worden, und sie hatte auch noch nie so bereitwillig geantwortet. Normalerweise war sie eher misstrauisch, aber aus irgendeinem Grund war ihr Chris sofort sympathisch gewesen. Seit diesem Tag hatten sie sich regelmäßig zum Mittagessen getroffen, waren irgendwann auch nach der Arbeit zusammen ausgegangen und inzwischen dicke Freunde.

      Carla lauschte auf das Freizeichen und betete, dass Chris zu Hause war und ein wenig Zeit zum Quatschen hatte. Nach dem dritten Klingeln nahm er ab.

      »Hallo?«

      Oh weh, er klang verschlafen. Dann war er bestimmt lange unterwegs gewesen.

      »Hallo Chris, hier ist Carla«.

      Sofort änderte sich Chris´ Tonlage.

      »Carla, Schätzchen, wie geht es dir? Alles in Ordnung? Du klingst ein wenig bedrückt. Ich dachte, du hast ein ganz tolles Wochenende mit deiner Schwester.«

      Carla seufzte. »Eigentlich hatte ich das auch. Aber Frau Hagen hat mir am Freitag noch meinen letzten Artikel mit ihren freundlichen Anmerkungen zurück gemailt und behauptet, er wäre eine Katastrophe und sie erwartet die überarbeitete Version noch am Wochenende. Ich habe ihr den Artikel gerade geschickt.«

      »Was hast du denn geändert? Der Artikel war super, da gab es nichts zu ändern!« Chris klang ehrlich entrüstet.

      »Ein paar Formulierungen habe ich überarbeitet, im Mittelteil ein wenig gestrichen, aber sonst habe ich nichts geändert. Das gibt morgen bestimmt Ärger.«

      »Weißt du was? Du schnappst dir jetzt deine Schwester und dann treffen wir uns bei mir. Das Wetter ist so schön, wir können entweder auf meiner Terrasse herumhängen oder noch ausgehen. Ich muss mich nur erst mal sammeln. Ich war gestern lange aus und habe so einen hinreißenden Mann kennengelernt.«, Chris machte eine kleine Pause und Carla hörte einen zufriedenen Seufzer durch das Telefon. Sie gluckste.

      »Lachst du mich etwas aus?« Chris klang entrüstet.

      »Nein!«, rief Carla, »niemals! Ich finde das nur süß, wenn du verliebt bist. Passiert ja auch nur etwa jedes zweite Wochenende.«

      »Haha. Ich muss mich ja auch für Zwei verlieben, bei dir passiert schließlich gar nichts.«

      »Vielen Dank!« Jetzt war es an Carla, gekränkt zu sein.

      »Nun schmolle nicht. Mach den Laptop aus, vergiss die Hagen, schnapp dir deine Schwester und kommt her. Ich bin sowieso schon ganz neugierig auf Emma. Entweder, sie war in Hannover oder bei ihrem Freund oder in England. Seit wir uns kennen, versteckst du sie vor mir. Damit ist jetzt Schluss. Ich erwarte euch in einer halben Stunde bei mir.«

      »Zu Befehl!« Carla lachte. »Aber gib mir eine dreiviertel Stunde. Ich muss mich noch ein wenig herrichten.«

      »So sei es«, kicherte Chris ins Telefon, dann legte er auf.

      Hamburg

      Emma, Carla und Chris saßen zufrieden auf Chris´ Terrasse. Sie hatten sich indisches Essen bestellt, gegessen, viel geredet und genossen den lauen Sommerabend.

      »Herrlich.« Emma lehnte sich in ihrem Stuhl zurück und schaute in den Himmel. »Meine nächste Wohnung muss unbedingt unterm Dach liegen.«

      »Wenn du dich entscheidest, mit Marco zusammenzuziehen, könnte sich dein Wunsch sehr schnell erfüllen«, meinte Carla und zwinkerte ihrer Schwester zu.

      Emmas Gesicht verdunkelte sich.

      »Was ist denn so schlecht an diesem Marco?«, mischte sich Chris in das Gespräch ein.

      »Gar nichts!«, rief Emma. »Er ist schon sehr.... lieb..... »

      »Na, das klingt ja super.« Chris zog eine Augenbraue hoch. Carla grinste.

      »Wie lange seid ihr zusammen? Eineinhalb Jahre? Und da fällt dir nicht mehr ein als »er ist sehr lieb«! Das klingt nicht sehr begeistert. Nach eineinhalb Jahren, in denen ihr auch nicht rund um die Uhr zusammen wart, solltest du jetzt eigentlich vor Sehnsucht vergehen und die Stunden zählen, bis du deinen Marco wieder in die Arme schließen kannst.«

      »Chris hat sehr romantische Vorstellungen von der großen Liebe«, meinte Carla. »Die decken sich nicht unbedingt mit der Realität.«

      »Meine Eltern sind bis heute sehr glücklich und sie sind schon seit fünfunddreißig Jahren zusammen. Klar, manchmal kracht es auch, aber meine Mutter hat mir gesagt, wenn es der Richtige ist, dann gibt es immer wieder Momente, in denen man sich plötzlich wieder in den Partner verliebt. Ich glaube meiner Mama.« Chris schaute entrüstet zu Carla.

      »Das ist eine schöne Vorstellung«, seufzte Emma. »Ich freue mich ja auch auf Marco. Vielleicht merkt man das nicht so, weil ich mir auch überlegen muss, wo ich arbeiten oder ob ich den Master machen möchte. Das sind schwerwiegende Entscheidungen .... he ... hört auf zu lachen!«

      Carla und Chris prusteten und hielten sich die Bäuche.

      »Entschuldige, aber das hat doch mit deiner Beziehung nichts zu tun. Entweder man freut sich oder eben nicht. Man kann doch über seinen weiteren beruflichen Werdegang nachdenken und trotzdem verliebt sein. Aber du wirkst nicht besonders verliebt.« Chris beugte sich vor und kniff Emma freundschaftlich in die Wange.

      »Gestern hat sie behauptet, die Handyverbindung wäre schlecht, nur weil sie nicht weiter mit Marco telefonieren wollte«, warf Carla ein.

      »Vielleicht hatte ich bloß keine Lust, in einem überfüllten Biergarten im Beisein meiner lauschenden Schwester mit meinem Freund zu sprechen«, blaffte Emma zurück.

      Chris zog die Augenbraue hoch. »Themenwechsel! Carla, wie lange möchtest du dich denn noch von Frau Hagen tyrannisieren lassen?«

      Carla zuckte zusammen. »Du kommst dir wohl sehr witzig vor, was?«, zischte sie. »Erzähl doch lieber mal von deiner neuen Eroberung.«

      »Das geht schnell. Er heißt Marcel, ist vierunddreißig, Personal Trainer und sieht auch


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