Der Monddiamant. Уилки Коллинз

Der Monddiamant - Уилки Коллинз


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Sergeant, eine solche Kleinigkeit!«

      Sergeant Cuff sah Seegreaf mit demselben Blick an, mit dem er die Kieswege im Rosengarten betrachtet hatte und gab uns in seiner melancholischen Weise den ersten Vorgeschmack seiner eigentlichen Spezialität.

      »In der vorigen Woche hatte ich eine Untersuchung vorzunehmen, Herr Seegreaf,« sagte er. »Das Ziel dieser Untersuchung war die Entdeckung eines Mordes, ihr Ausgangspunkt ein Tintenfleck auf einer Tischdecke, von dessen Entstehung Niemand Rechenschaft zu geben wußte. In allen meinen Erfahrungen, auf allen meinen Wegen, durch alle Schlupfwinkel dieser schmutzigen kleinen Welt habe ich noch nicht gelernt, irgend etwas als eine Kleinigkeit zu betrachten! Bevor wir einen Schritt weiter thun, müssen wir das Kleid finden, das diesen Flecken verursacht hat und müssen uns vergewissern, wie lange diese Farbe naß gewesen ist.«

      Der Oberbeamte, den die erhaltene Zurechtweisung verstimmt hatte, fragte, ob er die Mägde kommen lassen solle. Nach einer kurzen Überlegung schüttelte Cuff seufzend den Kopf. »Nein,« sagte er, »wir wollen uns erst mit der Farbe hier beschäftigen. Es handelt sich dabei einfach um Ja oder Nein. Die Frage nach dem Frauenkleid ist weniger einfach. Wie viel Uhr war es, als die Mädchen gestern im Zimmer waren? War es 11 Uhr? Wie? Ist irgend Jemand im Hause, der sagen kann, ob die Farbe gestern Morgen um 11 Uhr trocken war?«

      »Das muß Mylady’s Neffe, Herr Franklin Blake wissen,« sagte ich.

      »Ist der Herr zu Hause?«

      Herr Franklin war uns so nah wie möglich, denn er wartete nur auf die Gelegenheit, dem großen Cuff vorgestellt zu werden. Im nächsten Augenblick war er im Zimmer und machte seine Aussage wie folgt:

      »Diese Thür, Herr Cuff, ist von Fräulein Rachel unter meiner Aufsicht, mit meiner Hilfe und mit einem von mir selbst verfertigten Bindemittel gemalt worden. Das Bindemittel trocknet, gleichviel zu was für Farben es verwandt wird, in 12 Stunden.«

      »Erinnern Sie sich, wann die ausgewischte Stelle bemalt worden?« fragte der Sergeant

      »Genau,« sagte Herr Franklin »Das war gerade die Stelle, die zuletzt gemalt ward. Wir wollten gern am vorigen Mittwoch damit fertig sein, und ich selbst habe um 3 Uhr Nachmittags oder kurz nachher die letzte Hand daran gelegt.«

      »Heute ist Freitag,« sagte Sergeant Cuff zu Seegreaf, »lassen Sie uns einmal zurückrechnen Also Mittwoch Nachmittag 3 Uhr war diese Stelle fertig bemalt; das Bindemittel machte dieselbe binnen 12 Stunden — das heißt also bis um 3 Uhr Donnerstag Morgen trocken. Um 11 Uhr haben Sie hier Ihr Verhör vorgenommen —- ziehen Sie 3 von 11 ab — bleibt 8. Die Malerei war schon acht Stunden trocken gewesen, als Sie annahmen, daß die Kleider der Mägde dieselbe übergewischt hatten.«

      Das war der erste Schlag auf Herrn Seegreaf’s Haupt. Hätte er nicht Verdacht gegen Penelope gehabt, so hätte ich ihn bemitleidet!

      Nachdem Sergeant Cuff den Farbpunkt auf diese Weise festgestellt hatte, gab er seinen Kollegen als unbrauchbar auf und wandte sich an Herrn Franklin, von dem er sich bessern Beistand versprach.

      »Es ist klar, Herr Blake,« sagte er, »daß Sie uns den rechten Schlüssel in die Hand geliefert haben.« Kaum hatte er diese Worte gesagt, als sich die Thür des Schlafzimmers öffnete und Fräulein Rachel zu uns hereintrat. Sie wandte sich an den Sergeanten, ohne die geringste Rücksicht darauf zu nehmen, daß er ihr völlig fremd sei. »Bemerkten Sie,« sagte sie, auf Herrn Franklin deutend, »daß er es sei, der den Schlüssel in Ihre Hand gelegt habe?«

      »Dies ist Fräulein Verinder,« flüsterte ich dem Sergeanten zu.

      »Dieser Herr, mein Fräulein,« erwiderte der Sergeant, indem er mit seinen stahlgrauen Augen Fräulein Rachel scharf in’s Gesicht blickte, »hat möglicher Weise den Schlüssel in unsere Hände gelegt.«

      Sie wandte sich um und versuchte Herrn Franklin anzusehen — ich sage versuchte, denn sie wandte sich plötzlich wieder ab, noch ehe ihre Augen den seinigen begegnet waren. Sie schien sich in einer ganz eigenthümlichen Gemüthsverfassung zu befinden; sie erröthete und wurde dann wieder blaß. Mit der Blässe gewann ihr Auge einen neuen Ausdruck — einen Ausdruck, der mich entsetzte.

      »Nachdem ich Ihre Frage beantwortet habe. mein Fräulein,« fing der Sergeant wieder an, »bitte ich um die Erlaubnis, nun meinerseits eine Frage an Sie zu richten. Auf der Farbe an der Thür ist etwas übergewischt — wissen Sie zufällig, wann das geschehen ist oder wer es gethan hat?«

      Statt jeder Antwort fuhr Fräulein Rachel mit ihren Fragen fort, als ob der Sergeant gar nicht gefragt oder sie ihn nicht gehört hätte.

      »Sind Sie auch ein Polizeibeamter?« fragte sie.

      »Ich bin Sergeant Cuff von der geheimen Polizei.«1

      »Halten Sie es der Mühe Werth, von einem jungen Mädchen einen Rath anzunehmen?«

      »Ich werde ihn gern anhören, mein Fräulein.«

      »Thun Sie Ihre Pflicht allein und lassen sich nicht von Herrn Franklin Blake helfen.«

      Sie sprach diese Worte mit einem solchen Ausdruck von Hohn und Wuth, mit einem so furchtbaren Ausbruch des Hasses gegen Herrn Franklin in Stimme und Blick, daß ich, obgleich ich sie von ihrer frühesten Kindheit an kannte, obgleich ich sie nächst Mylady am meisten von allen Menschen ehrte und liebte, zum ersten Male in meinem Leben mich ihrer schämte.

      Sergeant Cuffs unbewegliche Augen blieben unablässig auf sie geheftet.

      »Ich danke Ihnen, mein Fräulein. Wissen Sie zufällig etwas über den Fleck auf der Farbe? Können Sie ihn selbst gemacht haben?«

      »Ich weiß nichts von diesem Fleck.«

      Mit diesen Worten ging sie wieder in ihr Schlafzimmer und schloß es hinter sich zu. Diesmal hörte ich sie wie früher Penelope in Thränen ausbrechen, sobald sie allein war. Ich konnte es nicht über mich gewinnen, Herrn Cuff anzusehen — ich blickte auf Herrn Franklin, der mir zunächst stand. Er schien von dem, was vorgegangen, noch peinlicher berührt als ich selbst.

      »Ich habe Ihnen schon gesagt,« erwiderte er, »daß ich ihretwegen beunruhigt sei, und nun sehen Sie warum.«

      »Fräulein Verinder scheint über den Verlust ihres Diamanten etwas ungehalten,« bemerkte der Sergeant. »Es ist ein kostbarer Edelstein; sehr begreiflich, sehr begreiflich!«

      Hier übernahm also ein völlig Fremder dieselbe Entschuldigung unseres Fräuleins, die ich Tags zuvor, als sie sich gegen Seegreaf vergessen, vorgebracht hatte. Ein kalter Schauer überlief mich, ich wußte selbst nicht warum. Jetzt weiß ich, daß mir in jenem Augenblick die erste Ahnung davon gekommen ist, daß lediglich in Folge des Anblicks und der Reden von Fräulein Rachel dem Sergeanten Cuff ein neues und schreckliches Licht in der Sache ausgegangen sein könne.

      »Man darf es mit den Worten einer jungen Dame nicht so genau nehmen,« sagte der Sergeant zu Herrn Franklin, »lassen Sie uns das eben Vorgefallene vergessen, und unser Geschäft ohne Unterbrechung fortsetzen. Dank Ihrer Mittheilung wissen wir, wann die Farbe trocken war. Was wir zunächst herauszufinden haben, ist, wann dieselbe zuletzt ohne den Fleck gesehen worden ist. Sie sind ein Mann von Einsicht und verstehen mich.«

      Herr Franklin nahm sich zusammen und suchte seine Gedanken von Fräulein Rachel abzulenken und der Farben-Angelegenheit zuzuwenden.

      »Ich glaube Sie zu verstehen, je enger wir die Frage der Zeit begrenzen können, desto enger begrenzen wir das Feld der Untersuchung.«

      »So ist’s,« erwiderte der Sergeant.

      »Haben Sie Ihre Arbeit noch nach ihrer Vollendung am Mittwoch Nachmittag angesehen?«

      Herr Franklin schüttelte den Kopf, »das glaube ich nicht.«

      »Haben Sie die Arbeit angesehen?« fragte Cuff mich.

      »Auch ich kann das nicht behaupten.«

      »Wer war die letzte Person, die sich am Mittwoch Abend in diesem Zimmer befunden hat?«

      »Ich glaube Fräulein Rachel.«

      Herr


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