Das verlorene Seelenheil. R. S. Volant
endlich wieder zur Sache kommen? Ich bekomme allmählich Hunger und bin am Verdursten!“, brummte er, stand auf und ging hinüber zum Tisch. Er schenkte sich einen Becher Wein ein und trank einen großen Schluck.
„Mir auch“, krächzte Henry und zog die Nase hoch. Wilhelm goss den Pokal voll, reichte den seinem Bruder und der trank wie ein Verdurstender.
„Ich auch“, knurrte Richard, wischte sich über die Augen und so füllte Wilhelm den dritten Becher.
„Hier“, meinte er, seinem Onkel das Getränk übergebend und alle drei tranken nochmals.
„Gut“, sagte Henry schließlich doch einsichtig und räusperte sich, um den Kloß in seinem Hals endgültig los zu werden. „Dann wollen wir uns mal anhören, was Sybilla dazu zu sagen hat“, murmelte er und die beiden anderen atmeten erleichtert auf.
***
Sybilla betrat mit gesenktem Haupt das private Audienzzimmer und blieb mitten im Raum stehen. „Eure Majestät“, kam es leise über ihre bebenden Lippen und sie knickste etwas unsicher. Sie war ganz in Schwarz gekleidet und auch ein schwarzer Schleier bedeckte ihr lockiges, rötliches Haar.
„Ihr wisst, warum Ihr hier seid?“, fragte Wilhelm kühl und die Königin sah ihn fragend an. „Euch wird Ehebruch vorgeworfen und dazu habt Ihr noch versucht, Eurem Gemahl ein Balg unterzujubeln! Was sagt Ihr dazu?“
„Bitte Henri, Eure Majestät, vergebt mir, es war nicht so, ich wollte es nicht, ich schwöre es!“, prasselte es sofort aus ihr hervor und sie fiel händeringend auf ihre Knie. „Er war es, er hat mich irgendwie gefügig gemacht, ich konnte mich nicht einmal wehren, oh bitte, bitte, das ist die Wahrheit“, bettelte sie und schlug schluchzend die Hände vor ihr deutlich ausgemergeltes Gesicht.
„Was wollt Ihr damit sagen? Dass Amanoue Euch gegen Euren Willen nahm?“, fuhr Herzog Richard sie geradezu entrüstet an und sie nickte schnell.
„Ja, Euer Gnaden, genauso, war es!“
„Oh bitte!“, höhnte Richard schnaubend. „Lasst dieses Theater! Ich kenne Amanoue gut genug um zu wissen, dass er niemals dazu in der Lage wäre!“
„Es ist die Wahrheit! Er hat mich mit einem Zauber gelähmt und mich geschän…“, weinte sie haltlos und sank noch mehr in sich zusammen.
Immerhin schien sie damit Wilhelm zu beeindrucken und der rutschte bereits unwohl auf seinem Polster hin und her. „Er hat Euch“, das Unfassbare auszusprechen, viel selbst diesem hartgesottenen Mann schwer, „vergewaltigt?“, fuhr er wesentlich leiser fort, während Henry weiterhin mit versteinerter Miene neben ihm saß.
„Oh bitte! Niemals! Heinrich, Eure Majestät, meinte ich, du weißt selbst, dass Amanoue nie dazu fähig wäre!“, regte Richard sich erneut auf. „Amanoue ist die Sanftmut in Person!“
„Und dennoch hat er mich mit meiner Gemahlin hintergangen und dazu gehören immerhin zwei! Ob mit oder ohne ihre Zustimmung, es ist unverzeihlich“, erklärte der König kalt.
„Es geschah ohne meine Zustimmung! Bitte, Ihr müsst mir glauben! Ich habe immer nur Euch geliebt und dies sagte ich auch zu ihm! Aber er wollte es nicht hören und fiel regelrecht über mich her!“, beschwor Sybilla ihn, die Hände wie zum Gebet gefaltet. „Henri, ich würde Euch niemals aus eigenem Willen heraus betrügen! Er ist ein Incubus, er muss ein Incubus sein, sonst wäre ich sicher standhaft geblieben, wie in all den Jahren, in denen Ihr mich so oft alleine gelassen habt!“, redete die Königin sich schließlich in Rage, was bei den drei Männern zu unterschiedlichen Reaktionen führte.
Herzog Richards Blick ging zynisch amüsiert zur Decke, da er kein Wort davon glaubte, Wilhelm schien plötzlich ganz Ohr zu sein und der König zeigte weiterhin keinerlei Regung. „Ihr bezichtigt den Adjutanten seiner Majestät also der Zauberei?“, fragte sein Bruder höchst interessiert nach und die Angeklagte nickte rasch.
„Ich schwöre vor Gott und würde es auch vor aller Welt tun, wenn man mir ein gerechtes Gerichtsverfahren zugestehen würde, dass ich in all den Jahren meinem Gatten treu ergeben war und ihn niemals betrog! Ich liebe meinen Gemahl von ganzem Herzen, auch wenn er es wohl nie mit der ehelichen Treue so genau nahm, wie ich! Befragt meine Hofdamen oder Eure eigene Gemahlin, die mir eine enge Freundin ist und sie werden Euch meine Treue bestätigen! Niemals, ich wiederhole es: Niemals, war ich meinem Ehemann untreu, nicht einmal in Gedanken“, antwortete Sybilla felsenfest und mit Stolz erhobenem Haupt.
Wilhelm schnaufte tief durch und sah zu seinen beiden Mitanklägern hinüber. „Ich glaube Euch auch so“, sagte er und deren Köpfe fuhren zu ihm herum. „Was? Sie hat das Recht dazu, eine öffentliche Anhörung zu bekommen, wenn du sie wirklich verurteilen möchtest! Es geht hier schließlich um ihren Kopf“, flüsterte er ihnen zu. „Henry, du wirst nicht um ein ordentliches Gerichtsverfahren herumkommen und was dann? Sie ist echt gut! Und glaube mir, alle Welt wird auf ihrer Seite stehen, wenn sie so vor Gericht redet und damit könnte sich das Blatt ganz schnell wenden und plötzlich stehst du als untreuer Gemahl da, der, wenn sie es darauf anlegt, auch noch mit dem gleichen Kerl wie sie Unzucht getrieben hat! Und nicht nur mit dem!“
„Verdammt, verdammt, verdammt“, murmelte Richard und nickte. „Schicke sie zurück in ihre Gemächer und zwar ganz schnell, ehe sie dich noch ganz um Kopf und Kragen redet!“
Henry sog die Luft ein, stützte nachdenklich seinen Kopf auf eine Hand, wobei er mit drei Fingern sein Kinn hielt und blickte zur Seite. Schließlich nickte auch er. „Gut, Ihr könnt einstweilen wieder zurück in Eure Gemächer gehen. Ich werde mich mit meinen Ratgebern besprechen und Euch wird dann mitgeteilt werden, zu welchem Entschluss ich gekommen bin“, sagte er ehrerbietig, aber ohne seine Gemahlin anzusehen.
Sybilla war längst wieder aufgestanden und fasste im Gegensatz zu ihm alle drei offen ins Auge. „Ich danke Euch, mich wenigstens angehört zu haben aber eines möchte ich noch hinzufügen: Wenn mein Kopf fällt, wird es nicht der einzige sein, das verspreche ich Euch“, sagte sie kühl und knickste wieder, dieses Mal wirkte es allerdings keines Wegs unsicher, sondern voller Eleganz und siegesgewiss. „Eure Majestät, Eure Gnaden“, verabschiedete sie sich liebreizend lächelnd und stolzierte hinaus.
„Sie ist wirklich gut, das muss man ihr lassen“, meinte Wilhelm anerkennend. „Dir ist schon klar, dass sie dir gerade offen gedroht hat? Oder kapierst du es immer noch nicht, dass sie dich in der Hand hat, mehr, als du sie“, wandte er sich an seinen Bruder, der mal wieder kurz vor der Explosion zu stehen schien.
„Ob ich es kapiert habe?“, donnerte er auch gleich los, „oh ja! Wie kann sie es wagen, MICH! Derart anzugreifen! Sie will mir drohen? Soll sie doch! ICH! Bin der König und sitze ja wohl am längeren Hebel!“, brüllte er aufspringend.
Die beiden ließen ihn erst einmal einige Runden durchs Zimmer streifen und damit Zeit, um sich wieder einigermaßen zu beruhigen. „Was hast du erwartet? Dass sie weinend zusammenbricht und alles ohne sich zu wehren einfach so hinnimmt? So ist Sybilla nicht, schließlich wurde sie zur Erbin eines Herzogtums erzogen! Sie war schon immer eine Kämpferin“, wagte es Wilhelm schließlich zu sagen.
„Wie konntes du auch diese Scheiße mit Satorius machen! Konntest du nicht irgendeinen anderen zum Herzog von Savoyen einsetzen?“, warf ihm auch noch Onkel Richard vor und Henry biss sich vor Wut dermaßen auf die Unterlippe, dass es fast blutete.
„Ich wollte, dass sein Sohn Herzog wird und dachte mit Nicolas hätte ich somit einen starken Bündnispartner! Wie hätte ich denn ahnen können, dass der alte Satorius mir derart in den Rücken fällt? Hm?“, blaffte er zurück.
„Du hast ihm sein geliebtes Söhnchen weggenommen! Denkst du wirklich, dass er dir dies jemals vergibt? Satorius mochte dich nie so recht, aber seitdem hasst er dich regelrecht und ich kann es ihm nicht mal verdenken“, entgegnete sein Onkel ebenfalls aufgebracht.
„Hört auf!“, rief Wilhelm dazwischen und hob beide Hände ermahnend in ihre Richtungen. „Es nützt uns nichts, wenn wir uns jetzt gegenseitig an die Kehlen gehen und Vorwürfe machen! Henry, auch wenn es dir schwerfällt und du vielleicht sogar