Bis zum Ende der Ewigkeit. Yennifer Woods

Bis zum Ende der Ewigkeit - Yennifer Woods


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      Das Klingeln ihres Handys riss Christine aus dem Schlaf. Sie tastete in der Dunkelheit danach und blinzelte noch etwas verschlafen auf das Display. Die Rufnummer war unterdrückt. Genervt meldete sie sich und lauschte gespannt. Es war Charlie. Sie war so aufgeregt, dass Christine kaum verstand, was los war. Das einzige was Christine verstand war, dass sie in einer halben Stunde eine Teambesprechung hatten, bei der sich der neue Captain vorstellen wollte. Noch bevor Christine in irgendeiner Weise antworten konnte ertönte ein Piepen in der Leitung. Charlie hatte schon wieder aufgelegt. Na toll, dachte Chris mürrisch. Genau so etwas hatte ihr gerade noch gefehlt. Es gab nichts Schlimmeres als von einem Telefon geweckt zu werden, fand sie und begab sich verschlafen ins Badezimmer.

      Eigentlich fehlte ihr die Zeit um auf diese blöde Teambesprechung zu gehen. Die Spuren, die sie zurzeit verfolgte, waren sehr heiß. Die kleinste Ablenkung würde sie wieder um Tage, wenn nicht sogar um Wochen in ihrer Recherche zurückwerfen. Hastig warf sie einen Blick auf ihre silberne Armbanduhr und strich sich eine honigblonde Haarsträhne aus dem Gesicht, die hartnäckig wie ein Vorhang vor ihren Augen hing. Sie duschte, zog sich in Windeseile an, schnappte sich ihre blaue Regenjacke von der Garderobe und den Autoschlüssel und machte sich mit tropfnassen Haaren auf den Weg zum Hauptquartier.

      Charlie stand mit hochrotem Kopf hinter den Sicherheitsschranken im Foyer der Zentrale und winkte ihr aufgeregt zu, während sie wie ein Gummiball von einem Bein auf das andere hüpfte. Sie schien vor lauter Aufregung fast zu platzen. Nachdem Christine ihren Chip sorgfältig in das Lesegerät eingeführt hatte, öffnete sich die Schranke und sie konnte passieren. Charlie eilte sofort an ihre Seite und hakte sich bei ihr ein.

      »Die Buschtrommeln erzählen, dass der Neue absolut heiß sein soll. Und das Wichtigste ist, er ist solo!« Charlie fing sofort an zu plappern und ihre Stimme war vor lauter Aufregung und Begeisterung total heiser. Sie bemerkte, wie Christine die Nase rümpfte und ein abweisendes Gesicht aufsetzte.

      »Du bist eine absolute Langweilerin Christine Stone, weißt du das? Eigentlich solltest du ins Kloster gehen. Du bist jetzt seit vier Jahren allein. Seit vier Jahren, Chris! Dennis ist tot. Und nicht du. Du solltest langsam wieder anfangen zu leben. Ich glaube, er hätte nicht gewollt, dass du dich so gehen lässt und dich in eine Einsiedlerin verwandelst…«, fuhr sie hastig fort und warf Chris einen verständnislosen Seitenblick zu, während sie sie durch die langen lichtdurchfluteten Gänge zog.

      Charlie hatte Recht. Tief in ihrem Inneren war ihr klar, dass Charlie absolut Recht hatte. In den letzten vier Jahren seit Dennis Tod hatte sie sich komplett gehen lassen. Sie sah eher aus wie fünfundvierzig statt wie dreiunddreißig. Ihr äußeres Erscheinungsbild ließ sehr zu wünschen übrig. Aber es war ihr egal. Alles war einfach scheißegal. Früher hatte sie immer sehr viel Wert auf ein gepflegtes Äußeres gelegt. Stunden um Stunden hatte sie im Badezimmer vor dem Spiegel verbracht. Doch mittlerweile spielte nichts mehr eine Rolle. Ob es nun die Haare waren, die ihr strähnig über die Schultern hingen oder ein Pickel, der Mal wieder zum ungünstigsten Zeitpunkt zum Vorschein kam, es war ihr egal. Auch der letzte Friseurbesuch lag furchtbar lange zurück. Von ihren Outfits ganz zu schweigen. Früher war alles immer ganz genau aufeinander abgestimmt. Heute waren Klamotten für sie einfach nur ein notwendiges Übel. Während sie früher meistens in Pumps herumstolziert war, fand man jetzt in ihrem Schuhschrank fast nur noch Turnschuhe. Auch die heißgeliebten Röcke und Kleider waren Jeans und Sporthosen gewichen. Ganz zu schweigen von den fünfzehn Kilo Kummerspeck, die sie sich aus lauter Schmerz und Verzweiflung über den Verlust von Dennis angefressen hatte.

      »Charlie, bitte! Du weißt ganz genau, ich bin an Männern nicht interessiert. Ich hatte den Richtigen gefunden. Den Einen, mit dem ich mein Leben verbringen wollte. Das zwischen Dennis und mir war Einzigartig. So etwas werde ich bestimmt nicht nochmal erleben. Und ich will es auch nicht. Diesen unerträglichen Schmerz des Verlustes möchte ich nie wieder durchleben. Es hat mich fast umgebracht. Und ich werde niemals ganz darüber hinwegkommen…«. Sie spürte, wie ihr die Tränen in die Augen stiegen. Ihre Stimme zitterte. Charlie bemerkte es und sah sie mitleidig an.

      »Chris, es tut mir Leid. Ich wollte dir nicht weh tun«. Sie vermied es, Chris dabei anzusehen. Es schien ihr sichtlich unangenehm zu sein.

      Mittlerweile hatten die beiden den Sitzungsraum erreicht. Natürlich waren sie wie immer die Letzten. Und wie immer mussten sie sich ganz nach hinten setzen, weil die besten Plätze vorne längst vergeben waren. Na prima! Ausgerechnet heute hätten sie doch lieber etwas weiter vorne gesessen, um den neuen Captain etwas genauer zu begutachten.

      »Von hier hinten sieht man doch kaum etwas«, maulte Charlie und verzog das Gesicht, während sie sich ihre Haare glatt strich und einen prüfenden Blick in den kleinen Spiegel ihrer Make-Up Dose warf. Gekonnt zog sie sich mit ihrem beerenfarbenden Lippenstift die Lippen nach und sah sich zufrieden das Ergebnis an.

      »Wie findest du meinen neuen Lippenstift, Chris?« Sie ahmte einen Kussmund nach.

      »Ja, sehr schön, wirklich. Aber findest du das alles nicht ein wenig übertrieben«. Chris sah sie tadelnd an. Charlie sah wirklich aus, so als wäre sie einem brandaktuellen Modekatalog entsprungen. Man hatte eher den Eindruck, sie wolle auf die Piste, statt zu einer Besprechung. Sie trug einen schwarzen Minirock und ein brombeerfarbendes hautenges Top, das tiefe Einblicke in ihr Dekolleté gewährte. Die Krönung waren ihre schwarzen Pumps mit zwölf Zentimeter hohen Absätzen. Ihre wallende, glänzend schwarze Lockenmähne umrahmte ihr hübsches herzförmiges Gesicht. So war Charlie. Stets top gestylt, denn ihr Motto lautete: man weiß ja nie so genau, wem man begegnen könnte.

      Das gesamte Team schien neugierig auf den neuen Captain zu sein. Tony, der vor ihnen saß, drehte sich zu den beiden um.

      »Hey, wisst ihr beide irgend etwas über den Neuen«, fragte er neugierig und musterte sie gespannt.

      Chris zuckte nur mit den Schultern und auch Charlie schüttelte den Kopf.

      »Ich habe nur gehört, dass er unheimlich gut aussehen soll«, machte sie sich trotzdem wichtig und lachte ein wenig hysterisch. Chris verdrehte genervt die Augen. Diese Charlie dachte aber auch wirklich nur an das EINE. Tony starrte sie grinsend an.

      »So, so. Ich habe nur gehört, dass er über ein Jahr in koreanischer Gefangenschaft war. Er soll ein ziemlich harter Kerl sein«, erzählte er und große Achtung schwankte in seiner Stimme. Gerade als Chris ihn fragen wollte, woher er diese Informationen hatte, öffnete sich die Tür des Besprechungsraumes. Ein leises Raunen ging durch die Menge und alle Köpfe drehten sich augenblicklich in Richtung Tür. Neugierig sah Chris den Mann an, der den Raum betrat. Leider konnte sie von hier hinten jedoch nicht besonders viel erkennen. Innerhalb von wenigen Sekunden legte sich das Raunen und es wurde totenstill im Saal. Der neue Captain ging langsam zu dem Schreibtisch am Ende des Raumes und legte einige Akten darauf ab. Chris starrte auf den schlanken, schwarzhaarigen Mann, von dem sie bis jetzt nicht viel mehr als seine Rückseite und seinen Hinterkopf sehen konnte. Wie alt mochte er wohl sein, ging es ihr überflüssigerweise durch den Kopf. Ihrer Meinung nach schien er ein wenig zu jung für diesen Job zu sein. Plötzlich stutzte sie. Ein ganz und gar merkwürdiges, seltsames Gefühl überkam sie. Es war wie eine Art böse Vorahnung, die ihr kalt den Rücken hinunterlief. Irgendetwas an der Art und Weise wie er sich bewegte, kam ihr unheimlich vertraut vor. Wie ein schwarzer Panther, der zum Sprung ansetzte. Leider hatte er ihnen immer noch den Rücken zugekehrt. Er öffnete in aller Seelenruhe seinen Laptop und sortierte noch einige Unterlagen. Die Stille, die im Raum herrschte, war beinahe unheimlich. Man hätte eine Stecknadel fallen hören können, so still war es. Chris stutzte immer noch, während sie diesen Mann weiter mit gerunzelter Stirn beobachtete. Da war etwas. Irgendetwas, was ihr wirklich sehr bekannt vorkam. Sie wusste nur noch nicht, was genau es war. Während sie weiter grübelte, drehte er sich endlich um. Und es geschah… Wie vom Donner gerührt erstarrte Chris augenblicklich zu einer weißen Marmorstatue, die den Göttinnen der Antike alle Ehre gemacht hätte. Ihr Gesicht war kreidebleich und unbeweglich, wie aus Stein gemeißelt. Ihr Herz hörte für einen Moment auf zu schlagen. Ihr Magen krampfte sich zusammen und sie dachte, sie würde jeden Moment in Ohnmacht fallen oder sich übergeben. Großer Gott, das konnte einfach nicht wahr sein, fuhr es ihr durch den Kopf, während sie auf dem Stuhl zusammensank und versuchte, sich so klein


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