Wahre Kriminalfälle und Skandale. Walter Brendel
Auszüge aus den Tagebüchern des „Führers“:
Eintrag für Januar 1935:
„Habe Eva dieses Jahr erst zweimal gesehen... Gesellschaftliche Verpflichtungen musste ich meist ablehnen, da mich die Arbeit total ausfüllt. Leide an Schlaflosigkeit
und Appetitlosigkeit.“
Eintrag für Februar 1935:
„Nehme eine Menge Arzneien. Auch Göring soll nur noch mit Drogen sein übermenschliches Arbeitspensum schaffen. Eva und Paula würden sich freuen, wenn ich einige Tage ausruhen könnte. Eva ließ mir sagen, ich sollte doch einige Tage kommen.“
Eintrag für Juni 1935:
„Eva hat jetzt zwei Hunderl, so wird ihr die Zeit nicht lang. Muss wegen Eva auch mit Göring sprechen. Seine Haltung ihr gegenüber ist nicht korrekt.“
Eintrag für September 1935:
„Göring mit seiner Jagerei. Er ist sonst ein tüchtiger Mann, aber wenn er das Wort Jagd hört, ist er nicht mehr zu gebrauchen.“
Eintrag für Mai 1938:
„Nehme eine ganze Menge von Medikamenten. Fühle mich auch immer sehr schlapp. Hoffentlich gibt mir der Herrgott noch so viel Zeit, um alles zu ordnen.“
Eintrag für Dezember 1938:
„Nun geht das Jahr bald zu Ende. Habe ich für das Reich meine Ziele erreicht? Bis auf einige Kleinigkeiten, ja!“
Eintrag für April 1939:
„Gedanken zum 50. Geburtstag. Nun bin ich 50 Jahre alt, überlege mir, was mir noch an Zeit bleibt, um meine Aufgaben zu erfüllen... Kann ich mit 50 eine junge Frau wie Eva an mich binden, ohne sie jemals noch zum Traualtar zu führen? Ich glaube, Eva ist da eine Ausnahme, sie ist mir verfallen.“
Eintrag für April 1939:
„Eva hat wieder ihre alte Krankheit mit der Gebärmutter. Der Herrgott hat dieser jungen Frau ein schweres Schicksal zugedacht.“
Eintrag für Juni 1939:
„Eva hat sich wieder gut erholt. Speer erzählte mir von einem Gerücht, ich würde mit Eva wie Frau und Mann auf dem Berghof zusammenleben. Dieses Gerücht kommt aus Görings Richtung.“
Eintrag für den 1. September 1939:
„Die Schleswig-Holstein hat um 4.45 Uhr das Feuer auf die Westerplatte eröffnet. Ich werde ab heute nichts anderes sein als der erste Soldat des Reiches und genauso den grünen Rock tragen wie jeder deutsche Soldat.“
Eintrag für den 20. September 1939:
„Himmler faselte etwas von einer Entführung meiner Person, aber es ist bestimmt nur wieder eine seiner Spinnereien. Habe mir Unterlagen über die Person Stalins bringen lassen. Muss doch über diesen Menschen mehr in Erfahrung bringen. Dieser Mensch beginnt mich näher zu interessieren.“
Eintrag für September 1940:
„Eva sagt, ich habe starken Mundgeruch. Lasse mir von den Ärzten einiges geben. Da es Eva seelisch nicht gut geht, werde ich einige Tage auf dem Berghof bei ihr verbringen. Dieses tapfere Mädchen hat es sehr schwer, sich in die ihr zugedachte Rolle dreinzufinden.“
Eintrag für Januar 1943:
„Finde kaum noch Schlaf. Dieses Stalingrad liegt mir schwer im Magen. In dem vor uns liegenden Jahr kommt es zum Höhepunkt des großen Ringens... Ich werde von jeder deutschen Frau und jedem deutschen Mann die schwersten Opfer verlangen. Bin auch bereit, diese Opfer als Erster zu bringen. Dieses Stalingrad kostet mich Jahre meines Lebens.“
Eintrag für Februar 1943:
„Eva teilt mir mit, auf dem Berghof würden immer öfters Witze über mich gemacht. So weit ist es schon gekommen.“
Eintrag für Februar 1943:
„Eva soll zu viele amerikanische Filme auf dem Berghof sehen. Muss ihr das mal sagen, wenn sie schon diese Filme ansieht, soll sie nicht alle auf dem Berghof dazu einladen.“
Eintrag für Juli 1944:
„Der schwerste Bericht meines bisherigen Lebens! Durch Dummheit und verbrecherischen Ehrgeiz hat eine kleine Gruppe von Lumpen versucht, mich zu beseitigen... Schon am 19. Juli hatte ich so ein komisches Gefühl im Magen. Innerlich dachte ich, hoffentlich passiert mir nichts, ich habe ein ganz schlechtes Gefühl.“
Eintrag für Februar 1945 (im „Führerbunker“):
„Himmler macht Äußerungen, ich hätte die Parkinsonsche Krankheit. Werde Himmler im Auge behalten, und wenn es sein muss, lasse ich ihn erschießen.
Eva sagt mir, sie möchte gerne bei mir sein. Muss ihr immer wieder sagen, sie ist in der jetzigen Zeit für mich nur eine Belastung. Kann sie aber gut verstehen!“
***
Das tatsächliche Vorbild für die Geschichte mit dem gefälschten Vergleichs-Material stammt aus dem Jahre 1960 von einem Prozess um die angeblichen Tagebücher der Anne Frank. Da deren Vater nicht nur die "Korrekturen" am "Original" mit einer Kugelschreibermine vorgenommen hatte, die es erst seit 1951 gab - das war unstreitig -, sondern besagtes "Original" auch in derselben Handschrift geschrieben war wie diese "Korrekturen", kam die vom Gericht beauftragte Grafologin Minna Becker, Hamburg, zu dem unumstößlichen Urteil, dass, nein, nicht etwa dass auch das "Original" vom Vater stammte, mithin eine Fälschung sein musste, wie es der Spiegel zart anzudeuten wagte (freilich erst 20 Jahre später) und wie es sich auch aus dem Vergleich von "Original und Korrekturen" mit der echten Handschriftprobe Anne Franks zweifelsfrei ergibt, sondern dass die Korrekturen ebenfalls von Anne Frank stammten, diese also 1951 noch gelebt haben muss! (Wie war das im Film? In der vorletzten Szene sagt Willié zu Dr. Wieland: "Wenn aber die Tagebücher von Hitler geschrieben sind - und dafür haben wir drei unumstößliche Gutachten -, dann beweist das doch, dass Adolf Hitler noch lebt; und den werde ich jetzt suchen gehen!" Warum nicht - schließlich hatte Heidemann schon den mysteriösen Roman-Autoren B. Traven in Mexiko aufgespürt, eine journalistische Meisterleistung allerersten Ranges, die freilich inzwischen aus den Annalen der Geschichte gestrichen wurde; offiziell fand die Enttarnung jetzt 20 Jahre später durch irgendwelche politisch-korrekten Schreiberlinge statt :-) Und Ihr werdet es nicht glauben, liebe Leser, oder vielmehr doch, denn Ihr wisst ja wie das ist mit der staatlich verordneten "Wahrheit": Das Gericht verurteilte einen unschuldigen 76-jährigen Rentner wegen des Verbrechens der Leugnung der Echtheit der Anne-Frank-Tagebücher zu einer hohen Gefängnisstrafe. So war das damals...
Tja, liebe Leser, und da sollte der arme Gerd Heidemann - der das natürlich auch alles erfuhr - nicht zu dem Schluss gelangen: "Selbst wenn die Tagebücher echt gewesen wären, hätten sie nicht echt sein dürfen, das stand von Anfang an fest!"?
Aber das hätte er besser nicht laut gesagt - schon gar nicht vor Gericht (aber das hatten wir ja schon): Er wurde zu einer zwei Monate längeren Freiheitsstrafe (4 Jahre 8 Monate) verknackt als der geständige Fälscher Kujau, unter eklatanter Verletzung des "in dubio pro reo [im Zweifel für den Angeklagten]". Warum? Wir wissen es nicht; auch der Autor rätselt noch immer, warum die Tagebücher denn nicht echt sein durften. Aber er kennt den Inhalt der restlichen Kladden nicht - vielleicht steht da ja tatsächlich so viel Brisantes drin, dass es "volkspädagogisch" besser ist, wenn es (egal, wer der Urheber ist) tot geschwiegen wird. Ebenfalls tot geschwiegen wurde Heidemanns Sicht der Dinge, die Peter-Ferdinand Koch (ein durch und durch seriöser Mann, der so gar nichts mit dem etwas minder bemittelten Chef-Redakteur "Kurt Glück" im Film gemeinsam hat) 1990 unter dem Titel "Der Fund. Gerd Heidemann und die Hitler-Tagebücher" veröffentlichte. Dabei ist sie von allen Darstellungen wahrscheinlich die ehrlichste bzw. die am wenigsten verlogene (was nicht heißen muss, dass es auch die zutreffendste ist - Heidemann hatte sich ja selber herein legen lassen, von wem auch immer). Der Autor nimmt jedenfalls Heidemann drei Dinge ab: 1. Kujau hatte ihm die Tagebücher nicht als Fälschung, sondern als "echt" verkauft, und er glaubte an ihre Echtheit. 2. Heidemann hat den größten Teil der Stern-Gelder (abzüglich des ihm zustehenden Honorars) an Kujau weiter gegeben, also keine Unterschlagung