GIERSCHLUND. Irene Dorfner

GIERSCHLUND - Irene Dorfner


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wenig Profil und die Beleuchtung war sehr spärlich. Für heute Nacht hatte Noah ein Gelände bei Burgkirchen ausgesucht, das mit einem angrenzenden kleinen Waldstück geradezu ideal für eine Challenge zwischen den beiden gewesen war. Wie immer hatten sie die Mofas in den Kofferraum von Julians Auto geladen, das jetzt auf einem Supermarktparkplatz in Burgkirchen stand, von wo aus sie weggefahren waren. Das war sein Ziel, dort wollte er hin. Der Autoschlüssel lag wie immer unter dem linken Vorderreifen.

      Noah war nicht mehr weit entfernt. Er hatte vielleicht noch drei Kilometer vor sich, musste die Straße überqueren und dann konnte er endlich Hilfe holen.

      Julian konnte er nicht helfen, dazu war er nicht in der Lage. Sein bester Freund war einfach im Boden verschwunden, mitsamt seinem Mofa. Das ging alles so schnell, dass er nicht reagieren konnte.

      Noah war sofort zu ihm geeilt und konnte nicht fassen, welch tiefes Loch vor ihm lag. Wie sollte er da hineingelangen? Mehrmals rief er Julians Namen, aber der antwortete nicht. Irgendwie gelang es Noah, mit der lächerlichen Funzel seines Mofas in das Loch zu leuchten. Endlich sah er Julian und das Mofa auf einem Berg von Fässern. Sein Freund bewegte sich nicht. Noah war verzweifelt. Er rief und schrie, bis er sich endlich dazu entschloss, Hilfe zu holen. Dafür musste er zur Hauptstraße. Hier in dieser verlassenen Gegend gab es niemanden, der ihm helfen konnte.

      Noah fuhr auf dem schmalen Feldweg, den er in der Dunkelheit kaum erkennen konnte. Er kam nur langsam voran, viel zu langsam. Vielleicht gab es noch Hoffnung für seinen Freund? Ständig hatte er das Bild vor Augen, wie Julian leblos in der Grube lag. Sein erster Gedanke war, dass er tot sein musste, und daran dachte er auch jetzt. Nein, das durfte nicht sein!

      Noah merkte nicht, dass er weinte. Er konnte die Straße noch nicht sehen, die er zu überqueren hatte. Auch das beleuchtete Firmenschild des Supermarktes tauchte immer noch nicht auf.

      Dann hörte er hinter sich einen Wagen. Konnte das wahr sein? Noah konnte sein Glück kaum fassen und hielt an. Er stieg ab und ging winkend auf den Wagen zu, der viel zu schnell fuhr.

      Dann gab es einen fürchterlichen Knall.

      2.

      „Unfall mit Todesfolge“, war die knappe Auskunft des vierundfünfzigjährigen Hans Hiebler, als er auflegte.

      „Was hat die Mordkommission damit zu tun?“, maulte Viktoria Untermaier, die die Vertretung der erkrankten Tatjana Struck immer noch innehatte. Aber nicht mehr lange, und die Kollegin kam zurück, was Viktorias Zeit im bayerischen Mühldorf am Inn endlich beendete.

      „Anweisung vom Chef. Offenbar zweifeln die Kollegen vor Ort an der Unfalltheorie, die Spurensicherung ist unterwegs“, fügte Hans an, dem der Grund des Einsatzes gleichgültig war. Das war allemal besser als diese stumpfsinnige Büroarbeit, zu der sie der Chef verdonnert hatte. Das Wetter war viel zu schön, um die Zeit im Büro zu verbringen.

      Der zweiundfünfzigjährige Leo Schwartz sprang sofort auf. Er dachte ähnlich wie Hans, dem er sich sofort anschloss, um nicht mit Viktoria fahren zu müssen. Noch immer mied er so gut es ging den direkten Kontakt mit ihr, auch wenn er sich bemühte, höflich und freundlich zu ihr zu sein. Viktoria und er waren bis zu ihrem Weggang nach Berlin, wo sie einen vermeintlich besseren Job angetreten hatte, ein Paar gewesen. Dann war sie auf einmal wieder aufgetaucht, um die Vertretung der Kollegin Struck zu übernehmen, was ihm überhaupt nicht schmeckte. Leo hatte lange gebraucht, um über sie hinwegzukommen – und dann stand sie plötzlich wieder vor ihm. Ja, sie hatten sich auch auf Anweisung des Chefs und der der Kollegen zusammengerauft, was Viktoria sehr viel besser umsetzen konnte als er. Zum Glück dauerte es nicht mehr lange und Tatjana Struck war wieder einsatzbereit.

      „Na gut, dann fahren wir“, maulte Viktoria immer noch, der die Hitze der letzten Tage sehr zusetzte. Sie war für eine derart lange Vertretung klamottentechnisch nicht ausgerüstet, weshalb sie seit Wochen immer wieder dieselben T-Shirts trug, bei denen es sich nicht lohnte, dass sie sie bügelte, obwohl sie in ihrem Pensionszimmer diesbezüglich sehr gut ausgestattet war. In regelmäßigen Abständen hatte sie beantragt, die Vertretung abzubrechen und wieder nach Berlin gehen zu dürfen, aber das wurde nicht genehmigt. Sie wusste nicht, dass der Mühldorfer Polizeichef Rudolf Krohmer seine Finger im Spiel hatte und das verhinderte. Er hätte sich erneut um eine Vertretung kümmern müssen, was für die kurze Zeit sehr schwierig geworden wäre. Eine unzufriedene Vertretung war für Krohmer allemal besser als gar keine.

      Dem zweiundvierzigjährigen Werner Grössert schien die Hitze nichts auszumachen. Er trug wie immer einen Anzug und eine farblich abgestimmte Krawatte; alles vom Feinsten. Werner sah eher aus wie ein Model als ein Kriminalbeamter. Viktoria rümpfte die Nase, denn optisch passten sie und Werner, zu dem sie in den Wagen stieg, überhaupt nicht zusammen.

      „Warum schwitzt du nicht? Manchmal denke ich, du kommst von einem anderen Stern.“

      „Keine Ahnung. Vielleicht die Gene“, lachte Werner, der sich um Witterungsverhältnisse noch nie Gedanken gemacht hatte. Er konnte das sowieso nicht beeinflussen, warum sollte er sich dann darüber aufregen oder auslassen?

      Die Fahrt nach Burgkirchen ging an Teising, Altötting und Kastl vorbei. Alles Orte, die Viktoria bekannt waren. Nicht mehr lange, und sie war wieder zurück in Berlin, wo sie sich nicht willkommen fühlte. Die neuen Kollegen und Nachbarn waren höflich und freundlich – mehr aber auch nicht. Warum war sie nur so dumm gewesen und hatte ihre Heimat für einen Job aufgegeben? Je länger sie hier war, desto wohler fühlte sie sich, was auch an dem freundlicheren Umgang mit Leo lag, mit dem sie sich immer besser verstand, auch wenn sie seine vorsichtige Art spürte. Trotzdem wollte sie weg, je eher, desto besser. Sie befürchtete, sich zu sehr an die alte Heimat zu gewöhnen.

      Die Kriminalbeamten sahen den Tatort schon von Weitem. Nicht nur das große Polizeiaufgebot war auffällig, sondern auch die riesige Menschentraube, die sich darum gebildet hatte. Die Fahrzeuge der Neugierigen parkten links und rechts am Fahrbahnrand, was nicht erlaubt war. Hans bahnte sich den Weg durch die Menschenmenge, die darüber nicht erfreut war. Niemand wollte seinen Platz räumen. Endlich konnte Hans seinen Wagen abstellen, was von vielen meckernd kommentiert wurde, denn dadurch verloren einige die gute Sichtposition.

      Werner fand keinen Parkplatz.

      „Lass mich das machen“, sagte Viktoria und stieg aus. Sie ging auf einen Wagen zu, der sich eben mit Mühe in eine enge Lücke gequetscht hatte.

      „Sie wissen, dass Sie hier nicht parken dürfen?“

      „Das geht dich einen Scheißdreck an“, raunte der Fahrer sie an, der sich aufgrund seines hohen Alters kaum auf den Beinen halten konnte.

      Viktoria stellte sich ihm in den Weg und zückte ihren Dienstausweis. Der Mann blieb erschrocken stehen.

      „Kriminalpolizei?“

      „Fahren Sie freiwillig weg oder wollen Sie das volle Programm?“

      Der Mann drehte sich um und setzte sich in seinen Wagen. Nachdem er umständlich ausgeparkt hatte, fuhr er weg.

      „Die Lücke ist frei“, sagte sie zu Werner, der amüsiert zugesehen und zugehört hatte. „Ich gehe zum Tatort. Sei so gut und kümmere du dich um das Chaos hier.“

      Werner rief zwei Uniformierte zu sich.

      „Die Fahrzeuge müssen weg. Sie beide werden mich dabei unterstützen.“

      „Ist das Ihr Ernst? Was glauben Sie, was dann los ist? Die Leute interessieren sich für das, was passiert ist, das kann man doch verstehen. Vor allem, weil hier sonst quasi nie etwas los ist. Ich weiß, wovon ich spreche, ich wohne selbst in Burgkirchen.“

      „Ich habe kein Verständnis für Gaffer, die sich am Unglück anderer erfreuen und unsere Arbeit erschweren. Sie machen die Fahrer dieser Fahrzeuge ausfindig und fordern sie auf, umgehend wegzufahren.“

      „Und wenn die sich weigern?“

      „Dann rufen Sie den Abschleppwagen.“

      Werner ging zu den Gaffern.

      „Was


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