Der eiserne Gustav. Ханс Фаллада
der Brust getragen wurde; eine goldene Bleistifthülse; ein Paar große Manschettenknöpfe, deren Goldgehalt nicht ganz zweifelsfrei war. Ein Goldkettchen mit goldenem Kreuz, das die Sophie zur Konfirmation bekommen hatte. Die ehemals dicken goldenen Eheringe, die Zeit und Arbeit glatt und dünn geschliffen hatten. Eine goldene Brosche mit einer daranhängenden – falschen – kleinen Perle. Sieben goldene Zehnmarkstücke, fünf zu zwanzig Mark.
An den Mauern, auf den Litfaßsäulen klebten überall die Plakate: »Gold gab ich für Eisen! Bringt euer Gold zur Goldankaufstelle!« Die Zeitungen schrieben alle Tage davon, vielfach bewundert gingen Herren herum, die schon die schmale Eisenkette statt der goldenen auf der Weste trugen.
»Kein Stück Gold bleibt im Haus!« rief Vater Hackendahl. »Wir müssen alles abliefern! Haben wir nicht noch was? Mutter, hattest du nicht mal so kleine Dinger in den Ohren, keine Ohrringe, mehr wie Knöpfe – ich erinnere mich doch!«
»Ach, Vater«, jammerte die alte Mutter, »die kleinen Dinger – laß sie mir doch! Ein bißchen muß man doch aus seiner Jugend für sich behalten dürfen. Sie wiegen rein gar nichts, so eine Kleinigkeit kann der Regierung doch auch nichts helfen ...«
»Nichts da!« entschied Hackendahl. »Wir sollen unser Gold der Regierung geben, und da tun wir's auch! Ich versteh dich nicht, Mutter!. Du hast den Erich und den Otto hergeben müssen, und nun weinst du wegen so ein paar Golddingern!«
»Ich weine aber auch wegen Erich und Otto«, sagte die Frau und stand mühsam auf. »Immer, wenn ich den Postboten auf der Treppe höre, muß ich weinen ...«
»Ich weiß ja, Mutter!« sagte er begütigend. »Es ist nicht leicht, aber es wird doch getan, damit wir siegen. Und wir kriegen Eisen dafür, Mutter! Wozu heiß ich denn der eiserne Gustav?! Eisen paßt viel besser zu uns als Gold.«
»Ich geh ja schon, Vater!«
Und sie ging in die Schlafstube. Der Vater sah sich um, Eva war auch gegangen. Nein, er hatte Eva nicht vergessen, er sah den Goldhaufen an: Der Ring war nicht dabei. Man muß alles hergeben, dachte er. Wenn man das Liebste für sich zurückbehält, dann ist es ja kein Opfer.
Er horchte. Es war still in der Wohnung, aber jetzt war es immer totenstill in der Wohnung, wenn Bubi in der Schule war. Bubi war der einzige, der noch ein bißchen Leben ins Haus brachte. Totenstill! Hackendahl erinnerte sich: Früher hatte Eva viel gesungen, jetzt nie mehr. Totenstill. Und nun mußte er zu ihr rübergehen in ihr Zimmer, den Ring holen.
Hackendahl setzte sich in den Stuhl seiner Frau an den runden Tisch, er sah den Goldhaufen an. Für einen kleinen Bürger war es eine ganze Menge, was er da opferte. Aber es war nicht genug, es fehlte ein Ring, und wenn nur ein wenig fehlte, galt das Opfer nicht. Ein Opfer, bei dem man etwas ungeopfert ließ, galt nicht. Es war wie beim Militär: Eine Ordnung, die nicht ganz und gar ordentlich war, war überhaupt keine Ordnung. Und wenn nur ein Knopf eine matte Stelle hatte, wenn an der Hacke des glänzend gewichsten Schuhs nur ein Spritzerchen Schmutz saß – dann war es eben keine Ordnung.
Dazu war man da – auf der Welt, im deutschen Lande, auf dem Droschkenhof, in diesem Hause: daß man dafür sorgte, hier an der Stelle, für die Hackendahl einzustehen hatte, geschah alles ordentlich. Dann fühlte man sich wohl, dann hatte man ein gutes Gewissen vor sich, seinem Kaiser und seinem Herrgott. Man durfte eben nicht nachgeben, keine Ausnahme durfte man machen, eisern mußte man sein. Eisern!
Nachdenklich schiebt Hackendahl die Goldstücke hin und her. Er baut Türmchen aus ihnen, und dann legt er so etwas wie ein Kreuz. Ja, Otto hat schon das Eiserne – wer hätte das von Otto gedacht?! Aber es war jedenfalls ein Zufall gewesen, und kräftig war Otto ja. Das war noch ein guter Tag gewesen, da man berichten konnte: »Mein Sohn hat das Eiserne!«
Er war überall damit rumgegangen, auch in den Kneipen. Er war in letzter Zeit recht viel in Kneipen gewesen, man gewöhnte es sich an, wenn man gar nichts zu tun hatte. Rabause erledigte ja alles allein. Ein Leben lang war man immer nach aller Kraft tätig gewesen – wer hätte gedacht, daß man in einem Kriege, in einem großen Kriege, in einem Weltkriege Untätigkeit und Langeweile kennenlernen würde?!
Hackendahl sitzt mit gerunzelter Stirn da und spielt mit seinen Goldstücken. Er ist sich vollkommen klar darüber, daß weder Mutter noch Eva mit ihren Schätzen bei ihm angetreten sind, daß er aufzustehen und Dampf zu machen hat. Aber er sitzt da und kann sich nicht entschließen! Ist es darum, weil er die Auseinandersetzung mit der Tochter fürchtet? Der Ring mit dem braunen Stein – sie muß ihn doch von ihrem Kavalier haben!
Hackendahl seufzt schwer. Mit seiner großen Hand schiebt er das Gold endgültig auf einen Haufen zusammen, dann steht er auf. Er sieht sich suchend im Zimmer um, er kann sich immer noch nicht entschließen. Endlich ruft er (und er versucht, seiner Stimme den alten, befehlenden Klang zu geben): »Mutter! Wo bleibst du denn? Ich warte!«
»Ich find die Ohrringe nicht«, ruft sie zurück. »Ich weiß nicht, wo ich sie hingetan habe. Es ist doch Jahre her ...«
»Mach ein bißchen zu, Mutter«, mahnt er. »Bis zwölf will ich auf der Ankaufstelle sein, um eins machen die doch zu.«
»Ich such schon«, ruft sie. »Habe bloß einen Augenblick Geduld, Vater!«
In dem Augenblick könnte er zu Eva gehen. Er hat schon die Türklinke in der Hand, da hört er den Rabause auf dem Hof rufen. Er geht zum Fenster und fragt: »Was ist denn, Rabause? Wer ist denn da?«
»Es ist einer von Eggebrecht. Ich habe aber gesagt, Sie hätten keine Zeit. Sie wollten Ihr Gold abliefern.«
»Was ist denn?«
»Herr Eggebrecht ist heute früh mit einem Transport Pferde aus Polen gekommen. Sie müßten aber gleich hin – sonst wären sie wieder weg wie das letztemal.«
»Ich komme!« ruft Hackendahl, und das ist nun freilich wieder die alte kräftige Stimme des alten eisernen Gustav.
Pferde, es sind Pferde da! Seit Monaten und Monaten lauert er auf Pferde, es hat immer nicht geklappt. »Mutter!« ruft er. »Laß das mit dem Gold – oder geh meinethalben selber! Unter den Linden, in der Reichsbank, du weißt doch. Ich geh los – Eggebrecht ist mit Pferden da, aus Polen!«
»Vater! Vater!! Vater!! Du mußt mir doch Bescheid sagen! Wieviel Geld willst du denn dafür haben, und wieviel eiserne Uhrketten soll ich nehmen? Auch eine für mich?«
»Mach alles, wie du willst! Ich habe wirklich keine Zeit, Mutter! Sonst sind die Pferde wieder weg! Und ich muß Pferde haben! Ich muß!! Wo ist denn mein Bankbuch? – Evchen, gut, daß ich dich noch sehe. Der Eggebrecht ist mit Pferden da, ich muß gleich hin, sonst sind sie wieder weg. – Also deinen Ring legst du dazu, das versprichst du mir doch? Da wird ›er‹ schön mit einverstanden sein, so ein feiner Kerl, wie der sicher ist! – Na, du erzählst mir später mal alles, jetzt muß ich zu Eggebrecht ...«
Er läuft die Treppe hinunter.
17
»Hörst du, Evchen?« fragt die Mutter, und sie lacht beinahe. »Vater läuft die Treppen runter wie ein Junger! Ja, wenn Vater was von Pferden hört ...!«
»Seine Pferde gehen ihm eben über alles.«
»Er soll ruhig wieder Pferde kaufen. Wenn auch das Droschkengeschäft schlecht geht. Und manche sagen auch: Es ist überhaupt alle mit der Pferdedroschke. Aber das war ja kein Leben für Vatern – er fing schon richtig mit Bummeln an. Na, damit ist es nun vorbei, wenn er wieder Pferde kriegt.«
»Ja, wenn Vater nur wieder was zum Kommandieren hat – Pferde, Kutscher, Kinder, es ist ihm ganz gleich, nur Kommandieren muß sein.«
Die Mutter findet es ganz natürlich. »So war Vater immer, Evchen. Noch in Pasewalk, wie er ganz jung war, wenn er da mal Urlaub hatte – nicht zu ertragen war der Mann! Immer raus aus der Kammer, rein in die Stube, raus aus der Stube, rein in die Kammer ... Mit dem Zollstock hat er nachgemessen, wie die Bettvorleger liegen mußten, und unserm Hänschen – wir hatten damals noch 'nen Kanarienvogel, aber