Franz und das Schwarz. Marius Rehwalt
nach Blickwinkel zu verändern schien. Sie luden ihn ein, sich zu setzen und das Feuer zu genießen. War es im ersten Augenblick noch kalt gewesen, so war es mit dem Moment, in dem das Feuer entflammte, sofort wohlig warm im Raum geworden.
Der alte Mann kam aus der gegenüberliegenden Ecke mit zwei Tontöpfen und setzte sich in den rosafarbenen Ohrensessel. Mit einer Geste deutete er auf den anderen.
Franz setzte sich und erhielt den einen Topf. Erst zögerte er kurz, aber als er den Alten ruhig seine Suppe genießen sah, nahm auch er einen großen Löffel zu sich.
Seine Augen weiteten sich. Die Ohren brannten ihm und seine Kehle wurde herrlich warm und weich. Es roch nach Zimt und Orangen. Doch schmeckte es süß und saftig. Die Suppe machte satt und irgendwie auch glücklich. Niemals hatte er so etwas bisher gegessen. Als er fertig war, stellte er seinen Topf neben sich auf dem Boden ab.
»Vielen Dank. Es war ein wirklich wunderbares Mahl. Sehr, sehr lecker. Ich bin satt wie noch nie, aber fühl mich gar nicht voll. Danke, alter Mann.«
»Ach, nichts zu danken. Du warst so lieb zu mir. Das war lange niemand mehr.«
Dann wurden seine Augen milchig. Er schien abwesend zu sein, nicht mehr hier im Raum.
Franz wartete einige Momente, ehe er ihn fragte: »Wer bist du?«
Nach einer Weile fragte er ihn erneut, diesmal etwas lauter.
Der Alte schien wie aus seinem Tagtraum zu erwachen.
»Ich? Ach, du bist noch da? Entschuldige. Wie war die Frage?«
»Ich wollt gern wissen, wer du bist«, wiederholte Franz ruhig.
»Ich bin alt, das siehst du doch. Mich braucht wohl niemand mehr.«
»Jeder Mensch ist wichtig und wird gebraucht. Ob alt, ob jung. Ich würde gern verstehen, wer du bist und was du so machst.«
»Ach so, ach so. Na ja … ich bin der Flavius. Ja, ja. Flavius wurde ich genannt. Flavius Kunst. Sieh dich nur um! Sinnlose Dinge, die ich tu und treibe. Braucht wohl niemand mehr. Die Leute haben ihre Schmuddelhefte, ihre Computer und Fernseher. Sie brauchen mich nicht mehr. Du brauchst mich nicht mehr. Ja, ja.«
Der alte Mann streichelte sanft Franz’ Hand und versank dann erneut in einem tiefen Traum. Seine Pupillen weiteten sich und wurden kurz darauf abermals stumpf. Fast sah es so aus, als besäße er nur noch eine Iris.
Franz überließ ihn erst einmal seinem Traum und stand auf. Erst jetzt bemerkte er, wie voll die kleine Hütte war. Man konnte kaum laufen. Überall lagen Bücherstapel, Bilder und Krimskrams, den wahrlich niemand mehr gebrauchen konnte. Manche Bücher waren eingestaubt und überall sah man Spinnennetze. Die Wände hingen voll mit düsteren, traurigen Bildern. Hier und da war mal ein buntes oder auch ein Foto, das den Alten in jüngeren Jahren zeigte. Niemals allein. Immer stand er umschlungen mit anderen und mit einem breiten Grinsen. Franz vermutete, dass es seine Freunde wohl gewesen sein mussten. Doch dies schien lange her zu sein. Besuch hatte er schon lange nicht mehr gehabt. Da war sich Franz ganz sicher. Iocus zog an seiner Hose.
»Znarf, wir müssen weiter. In der Schublade, da liegt der Schlüssel. Ich kann ihn sehen.«
»Ich will ihn fragen, ich kann ihn nicht einfach nehmen.«
Franz wollte dem Alten nichts wegnehmen. Das gefiel ihm nicht. Aber auch er wusste, wenn er den alten Mann so sah, dass es sich als schwierig herausstellen könnte, mit ihm ein sinnvolles Gespräch zu führen. Es würde wohl schon einige Zeit dauern, ihn aus seinem Traum zu erwecken. Er tat ihm sehr leid. Aber irgendwie schien der alte Mann glücklich. So in seiner Welt. Franz sah deutlich, dass er lächelte. Mit dem gesamten Gesicht, auch mit seinen verträumten, faltigen Augen.
»Du kannst ihm jetzt nicht helfen. Er muss noch eine Weile durchhalten. Du kannst ihm nur helfen, wenn du auf den Ruf deines Funkens hörst und ihn befreist. Komm! Der Nebel macht nur jetzt den Weg frei. Sonst müssen wir warten bis zum nächsten Mal. Und ich kann dir nicht sagen, wann sein Geist sich lichtet.«
»Du hast ja recht, Iocus.«
Franz ging zu dem kleinen Schränkchen neben der runden Eingangstür. Die Schublade, in der der Schlüssel lag, war offen. Kreativ stand in verschnörkelter Schrift darauf. Franz nahm ihn, steckte ihn in seine Tasche und ging nach draußen. Er drehte sich noch einmal um und nickte dem Alten zu.
»Halte durch!«, bat Franz und trat dann in die schmale, niedrige Gasse im Nebel, die von der Stadt wegführte.
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