Der Heinrich-Plan. Irene Dorfner

Der Heinrich-Plan - Irene Dorfner


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leid, ich kenne mich in der Politik nicht aus, das hat mich nie interessiert. Mir sagt auch dieser Politiker nichts. Ich habe keine Ahnung, wer das eigentlich sein soll.“

      „Es ist ein Fehler, sich nicht für Politik zu interessieren, denn die Damen und Herren Politiker entscheiden schließlich über unser Leben. Diese Einstellung sollten Sie dringend überdenken, Herr Schwartz. Ich werde Ihnen über Bernhard Meyer Informationen zusammenstellen, man sollte seinem Gegenüber nie unvorbereitet gegenübertreten.“

      Leo gab ihm Recht, vielleicht war seine Einstellung auf diesem Gebiet wirklich etwas lasch. Aber er war auch wütend und peinlich berührt, denn er konnte Rassisten nicht ausstehen. Er konnte nicht verstehen, dass manche Menschen zwischen Hautfarben unterschieden, ihm war das völlig egal. Für ihn zählt der Mensch selber, und nicht die Hautfarbe, die Religion, das Einkommen oder der gesellschaftliche Stand. Leo war in dieser Beziehung sehr einfach: entweder, es war ihm jemand sympathisch - oder nicht.

      Sie unterhielten sich noch einige Zeit sehr angeregt über alle möglichen Themen und beide genossen das Gespräch. Es war inzwischen spät geworden und Leo fragte nach seinem Hotel.

      „Eigentlich wollte ich Sie in das nächstbeste Hotel stecken und ich habe bereits ein Zimmer für Sie reserviert. Aber da Sie mir sehr sympathisch sind, würde ich Ihnen gerne anbieten, bei mir zu wohnen. Ich habe ein großes Haus und meine Familie wohnt, um es einmal vorsichtig auszudrücken, vorübergehend bei meinen Schwiegereltern. Ich würde mich freuen, wenn Sie meine Einladung annehmen würden.“ Georg war wirklich ein netter Kerl und Leo nahm dankend an.

      „Aber nur unter der Voraussetzung, dass wir das alberne SIE weglassen.“

      Als die beiden in die Einfahrt von Georgs Grundstück außerhalb Kölns fuhren, konnte Leo seinen Augen kaum trauen. Das war kein Haus, sondern eine Villa, umrahmt von einem riesigen Grundstück. Georg bemerkte Leos überraschten und bewundernden Blicke.

      „Lass dich von dem Äußeren nicht täuschen. Es ist ein uraltes Haus, das ich von meinen Eltern geerbt habe, und das Unsummen an Unterhalts- und Renovierungskosten verschlingt. Allein die Heizkosten sind ein finanzieller Kraftakt. Das Haus ist schon lange im Familienbesitz und meine Familie war immer mächtig stolz darauf. Die Vorfahren meiner Eltern waren alle Ärzte, nur ich bin aus der Art geschlagen. Meine Eltern waren sehr enttäuscht, als ich nicht Medizin studieren wollte, sondern stattdessen nur Polizist wurde.“

      „Kann ich irgendwie verstehen, denn unser Job ist kein Zuckerschlecken. Außerdem ist der Verdienst ziemlich mies.“

      Sie gingen ins Haus, das sehr gemütlich und geschmackvoll eingerichtet war. In der großen Küche zauberte Georg ein Essen, das Leo sehr gut schmeckte. Er hatte sogar frisches Gemüse und einen Salat zubereitet. Leo genoss nicht nur das Essen, sondern auch die Gesellschaft.

      „Was ist mit deiner Familie? Opfer des Polizeidienstes?“ Leo wusste, wovon er sprach und dachte an das Scheitern seiner eigenen Ehe.

      „Richtig. Meine Frau kommt schon seit geraumer Zeit nicht mehr damit zurecht, dass ich zu den unmöglichsten Zeiten bei der Arbeit bin. Sie kommt aus einem behüteten Elternhaus und in ihren Augen ist der Beruf eines Polizisten für einen Familienvater zu gefährlich. Wir haben uns nur noch gestritten. Vor drei Wochen ist sie mit meiner Tochter zu ihren Eltern gefahren, um sich eine Auszeit zu nehmen, was immer das auch sein mag. Ich verstehe das nicht. Es sind doch unsere Probleme, die wir klären müssen. Wie soll das funktionieren, wenn sie nicht da ist? Ich verstehe die Frauen nicht, das ist doch völlig unlogisch. Aber was soll ich machen?“

      „Frag nicht mich,“ meinte Leo, „ich kenne mich auf diesem Gebiet überhaupt nicht aus. Ich habe selber schon so viel falsch gemacht, dass ich mich hüten werde, dir irgendwelche klugen Ratschläge zu geben, da halte ich mich lieber raus.“

      8.

      Nach dem leckeren Frühstück fuhren die beiden ins Präsidium. Georg stellte Informationen über den Abgeordneten Bernhard Meyer zusammen, die Leo nun ausführlich studierte. Demnach war der Abgeordnete Bernhard Meyer 58 Jahre alt, verheiratet, und hatte drei erwachsene Kinder. Auf den Fotos lachte ihm ein korpulenter Mann entgegen, der neben den anderen Personen auf den Fotos durch seine stattliche Erscheinung und der Körpergröße von fast zwei Metern herausragte. Er trug das blonde, kurze Haar gescheitelt. Trotz seines Doppelkinns und den dicken Backen hatte er einen energischen Gesichtsausdruck. Bernhard Meyer hatte einen beeindruckenden Lebenslauf. Er hatte sich aus ärmlichen Verhältnissen aus eigener Kraft hochgearbeitet, was er auch immer wieder und bei jeder Gelegenheit gerne erzählte und was bei seinen Wählern auch gut ankam. Neben seiner kaufmännischen Ausbildung machte er das Abitur nach. Er studierte Politikwissenschaft und Geschichte und schloss mit einer Traumnote ab; das Abschlusszeugnis ließ Meyer gerne in Zeitungen abdrucken. Er wurde schon während seiner Studienzeit, die er selbst finanzieren musste, Mitglied der demokratischen Partei. Nicht zuletzt durch sein Talent, Menschen zu beeindrucken und mitzureißen stieg er stetig die Karriereleiter nach oben, bis er schließlich zu einem sehr angesehenen Bundestagsabgeordneten wurde. Leo war sich sicher, dass Meyer noch nicht am Ziel seiner Wünsche angekommen war.

      Gegen 14.30 Uhr betraten Leo und Georg das imposante, sehr moderne Bürogebäude, das schon von weitem wahnsinnig teuer und luxuriös aussah. Es war eines dieser modernen Bürogebäude, in denen nur die wichtigsten und einflussreichsten Personen ein Büro besaßen. Wenn man hier ein Büro sein Eigen nennen konnte, hatte man es wirklich geschafft. Der mit glänzendem Marmor ausgestattete Eingangsbereich war riesig und an jeder Ecke stand ein bewaffneter Mann eines privaten Sicherheitsdienstes.

      Leo und Georg mussten die Sicherheitsschleuse passieren und wurden dann von einem Wachmann in den achten Stock begleitet, nachdem die Ausweise der beiden über einen Scanner geschoben und für gut befunden wurden. Natürlich mussten sie ihre Waffen abgeben, was besonders Leo sauer aufstieß. War dieser private Sicherheitsdienst dazu überhaupt berechtigt?

      „Jetzt mach schon, Leo. Schließlich liegt das Hausrecht auf Seiten des Dr. Meyer.“

      Sie betraten das Vorzimmer des Abgeordneten, in dem sich ebenfalls zwei Wachleute befanden, von denen sie nochmals überprüft wurden. Die beiden mussten sich noch einige Zeit gedulden, bis sie Punkt 15.00 Uhr das Büro betreten durften.

      Das Büro war riesig und komplett mit teurem Holz vertäfelt, die Einbauschränke waren raffiniert in die Wand eingelassen. Auf dem dunklen Marmorboden lag vor dem Schreibtisch ein bunter orientalischer Teppich, der mit Sicherheit sehr teuer war. Leo machte einen großen Bogen darum, denn seine Cowboystiefel waren meist schmutzig und er wollte auf keinen Fall das teure Stück berühren. Georg hingegen trat absichtlich darauf. Bernhard Meyer saß hinter einem ausladenden Schreibtisch, der sehr ordentlich und übersichtlich war. Sie begrüßten sich und gingen hinüber zu der schwarzen Ledergarnitur, die so groß war, dass bequem zwanzig Leute Platz fanden. Bernhard Meyer bot den beiden Platz an und setzte sich selbst in einen Sessel ihnen gegenüber.

      „Nun bin ich aber gespannt, was Sie von mir wollen. Das muss ja enorm wichtig sein, wenn Sie extra von Ulm kommen, um mit mir zu sprechen,“ begann Meyer mit einer tiefen, klaren Stimme. Leo musste zugeben, dass der Abgeordnete in natura noch beeindruckender war als auf den Fotos.

      „Wir haben einen toten jungen Mann und ein vermisstes junges Mädchen.“

      Meyer zog die Augenbrauen hoch und sah Leo an. „Und Sie meinen, ich hätte etwas damit zu tun? Sollte ich meine Anwälte einschalten?“

      „Ob Sie etwas damit zu tun haben, weiß ich nicht. Sicher ist, dass Sie und die beiden jungen Leute zum Zeitpunkt deren Verschwindens am gleichen Ort waren, und zwar auf Sylt Mitte Juni dieses Jahres.“

      Meyers Gesichtszüge entspannten sich. „Ich verstehe. Sie möchten wissen, ob ich die beiden kenne und ob ich etwas gesehen habe.“

      Leo zeigte ihm die Fotos der beiden, die Meyer sehr genau ansah.

      „Nein, tut mir leid, da kann ich Ihnen nicht weiterhelfen. Ich gehöre zu den Menschen, die sich Gesichter gut merken können. Sie können sicher sein, dass ich mich an die beiden erinnern würde,


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