Maxillia. Veronique Larsen

Maxillia - Veronique Larsen


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„Ich habe es der Wache schon wieder mitgegeben. Ich wollte es nicht weiter bei mir haben, als ich die Geschichte zu Ende gelesen hatte. Es war mir zu dramatisch gewesen. Schließlich hatte ich immer auf ein positives Ende gehofft. Allerdings hatte es ein solches nicht gegeben“, stotterte sie und versuchte dabei ihre Unsicherheit zu überspielen. „Achso. Na, dann ist ja alles gut. Dann gehe ich jetzt. Gute Nacht“, entgegnete Isabella, der man anmerkte, dass sie ein wenig enttäuscht über diese Antwort gewesen war. Sicher wollte sie Maxillias Aussage überprüfen und selbst nachlesen was dort stand. Aber da diese Geschichte höchstwahrscheinlich gar nicht existierte, konnte Max ihr diese wohl auch nie zeigen. „Ja. Ist in Ordnung. Gute Nacht“, erwiderte Max mit pochendem Herzen. Sie versuchte sich die Aufregung nicht anmerken zu lassen, die durch ihre Adern pulsierte. Sie war sich nämlich nicht sicher, ob ihre Mutter ihr wirklich glaubte. Schließlich hatte sie sie schon oft durchschauen können. Nur die Sache mit ihren täglichen Ausflügen mit Seraphina, schien sie noch nicht bemerkt zu haben. Mit einem Lächeln wandte Isabella sich ab und stieg die Treppen herunter, während Max starr auf ihrem Bett sitzen blieb und den sich entfernenden Schritten lauschte. Erst als unten die Tür ins Schloss fiel, atmete sie durch und nahm den überflüssigen Verband von ihrem Kopf, der eigentlich nur störte. Mit beiden Händen wischte sie sich über das Gesicht, als wollte sie die Anspannung wegwischen. Was hatte sie nur getan? Erst jetzt dachte sie darüber nach, was passieren würde, wenn ihre Eltern ihre Geschichte wirklich überprüfen würden. Schließlich würde die Wache die Wahrheit sagen und so die Lüge entlarven. Gut. Sie könnte mit der Wache sprechen und ihn darum bitten ihre Geschichte zu bestätigen. Aber dann würde sie ihn mit in die Lügerei verstricken und ihn eventuell sogar in Schwierigkeiten bringen. Vielleicht sollte sie es doch einfach auf sich zukommen lassen und abwarten, was geschehen würde. Eine eventuelle Strafe sollte, wenn dann nur sie treffen und nicht den armen Mann, der den ganzen Tag vor ihrer Tür herumstehen musste. Schließlich war er es ja nicht, der der Frau ein Versprechen gegeben hatte, dessen Ausgang sie kaum vorhersehen konnte. Vielleicht war es eh schon zu spät und Isabella hatte ihn schon längst befragt. Müde stand sie von ihrem Bett auf und ging in den zweiten Stock ihrer Gemächer. Wenn es schon zu spät war, dann musste sie sich vielleicht doch noch eine andere Geschichte ausdenken. Oder sie sagte die Wahrheit. Nur dann würden sicher unangenehme Fragen auftreten, die Auswirkungen haben könnten, die die Verabredungen mit Seraphina betrafen. Grübelnd wusch sie sich das Gesicht und versuchte auf eine Lösung zu kommen, die ihr vielleicht keine Strafe einbrocken würde, aber auch glaubwürdig war. Etwas was ihre Eltern vielleicht nicht einmal nachprüfen konnten. Aber auch als sie endlich fertig zum Schlafengehen war, war ihr noch kein Gedanke gekommen, der sie hätte aus dem Schlamassel herausholen können. Der Tag war anstrengend gewesen und es war so viel passiert, dass sie kaum noch einen klaren Gedanken fassen konnte. Vielleicht nahmen ihre Eltern das alles auch einfach so hin und stellten keine weiteren Fragen. Max redete es sich mehr ein, als dass sie daran glaubte und begab sich wieder nach oben in ihr Schlafzimmer. Erschöpft kuschelte sie sich in ihr Bett und drehte sich auf die Seite, damit sie aus dem Fenster schauen konnte. Der Himmel war tiefschwarz, an dem die Sterne wunderschön funkelten, wie tausende Diamanten. Herrlich sah es aus, wie sie so hell neben den beiden Monden glommen, deren rote und weiße Sicheln dicht beieinanderstanden. Bis ihre Augenlider so schwer waren, dass sie von allein zufielen, starrte Maxillia auf die Kraterlandschaften, die die beiden Monde überzogen. Es sah beinahe aus, als hätte jemand mit der Fingerspitze immer wieder ihre Oberflächen berührt und große, kreisrunde Dellen auf ihnen hinterlassen. Wobei der rote Sand des näheren Mondes weniger stark gezeichnet war als der Stein des silbrig weißen Mondes. Schon bald schlief Maxillia ein und versank etwas unruhig im Land der Träume.

      5

      Scheppernde Schwerter und lautes Rufen der trainierenden Rekruten weckten Max unsanft, die in der gesamten Nacht nicht richtig zur Ruhe gekommen war. Wirre Träume hatten sie geplagt, so dass sie sich viel hin und her gewälzt hatte und oft aufgewacht war. Gähnend stand sie auf und ging nach unten in ihr Badezimmer. Es waren wohl die vielen Erlebnisse am Tag zuvor, die ihr den Schlaf geraubt hatten und sie immer noch beschäftigten. Von allem war etwas dabei gewesen. Diese Kombination aus Freude, Aufregung, Spannung, Angst Kummer und Streit, war natürlich nicht spurlos an ihr vorüber gegangen. Am meisten beschäftigte sie aber der Streit mit ihrem Vater. Sie war ihm gegenüber laut geworden und wusste, dass dies nicht richtig gewesen war, auch wenn sie sonst keine Idee gehabt hätte, wie sie ihm anders hätte zu denken geben können. Nun hatte sie aber regelrecht Bauchschmerzen bei dem Gedanken ihm an diesem Tag wieder gegenüber zu treten und ins Gesicht zu sehen. Vielleicht konnte sie ihm ja bis zum Abendessen aus dem Weg gehen, auch wenn dies ein wenig feige war. Zumindest musste sie ihm nicht gleich begegnen und hatte so noch ein wenig Zeit sich Mut zu machen. Nun musste sie sich aber erst mal frisch machen und den Tag beginnen. Also wusch sie sich und zog sich in Ruhe an, bevor sie nach unten in den Teil ihrer Gemächer ging, der mehr den Wohnbereich darstellte. Wie am Vortag stand auf ihrem großen Esstisch das Frühstück schon bereit und verbreitete einen leckeren Duft im ganzen Raum. Hungrig setzte sie sich und begann zu essen. Dabei versuchte sie ihr Unwohlsein zu verdrängen und lenkte ihre Gedanken lieber auf die Frage, was sie an diesem Tag wohl machen könnte. Die Stadt hatte sie schon erkundet. Und viel mehr gab es drumherum auch nicht. Gut, es gab noch den Wald und den Sumpf. Aber ohne, dass man sich dort gut auskannte, sollte man ihn eher nicht allein betreten. Schließlich war er gefährlich und die Tücken lauerten hinter jeder Ecke. Also überlegte sie weiter, während sie ganz vergaß zu essen. Verträumt starrte sie aus dem Fenster und träumte davon Abenteuer zu erleben und spannende Dinge zu machen. Der gestrige Tag zum Beispiel war, bis auf das Abendessen, genau nach ihrem Geschmack verlaufen. Aber von der Burg aus gab es nicht so viel, was man an neuen Dingen hätte machen können, die zudem noch spannend gewesen wären. Auch den Gedanken die Welt der Menschen zu besuchen verwarf sie wieder, da in der letzten Zeit die Kontrolle und Überwachung der Portale verstärkt worden war. Der Auslöser war gewesen, dass ein Mensch ganz aus Versehen durch eines geraten war und sich mitten in Lubea wiedergefunden hatte. Da war vielleicht was los gewesen, als der völlig überforderte Mann über den Marktplatz gestolpert war und eine regelrechte Panik verursacht hatte. Zu gern wäre Max damals dabei gewesen und hätte es mit eigenen Augen gesehen. Aber sie hatte wenig überraschend auch an dem Tag in der Burg festgesessen und sich unterrichten lassen müssen. Die Berge in der Ferne lockten ebenso, die sie genauso wie so vieles noch nie vom nahen, sondern nur aus den Fenstern ihrer Gemächer gesehen hatte. Doch der Weg war zu lang, um diesen ohne ein Reittier auf sich zu nehmen, an ein solches sie wohl auch nicht so einfach und unauffällig rankommen würde. Und wenn es ihr doch gelänge, würden die Wachen sicher gleich nach einem Dieb suchen. Schmunzelnd über den Aufruhr, den es verursachen würde, verwarf sie auch diesen Gedanken und überlegte weiter. Aber auch nach längerem Nachdenken wollte ihr nichts richtig einfallen. Also schien sie tatsächlich den Vormittag über in ihren Gemächern bleiben zu müssen. Vielleicht war es ja aber auch gar nicht mal so schlecht. Schließlich hatte sie sich am Vortag ein wenig übernommen und etwas Ruhe nötig. Räuspernd wandte Max sich nun endlich wieder ihrem Frühstück zu und nahm das Brot von ihrem Teller. Doch gerade, als sie einen Bissen davon nehmen wollte, klopfte es plötzlich an der Tür. „Ja?“, fragte sie, und ließ ihre Hände wieder sinken, bevor sie das Brot vorsichtig auf dem Teller ablegte. Zögerlich wurde die Tür etwas geöffnet, dessen Scharniere leise quietschten. „Darf ich rein?“, fragte Dons Stimme heiser durch den Spalt. Scheinbar traute er es sich nicht einfach die Gemächer seiner Tochter zu betreten, was diese ein wenig wunderte. Schließlich war er sonst auch einfach hereingekommen, so wie es ihre Mutter immer tat. „Ja“, antwortete Maxillia wenig begeistert, deren Bauch sich zu verdrehen schien. Hatte sie ihm nicht bis zum Abendessen aus dem Weg gehen wollen? Dieses Vorhaben hatte sich wohl von selbst erledigt. Schließlich konnte sie ihren Vater nicht wegschicken. Zumindest nicht nachdem, was sie sich am Vortag herausgenommen hatte. Beinahe unsicher trat Don in ihr Wohnzimmer und schloss die Tür nachdenklich hinter sich. Auch er wirkte angespannt und fühlte sich sichtlich nicht ganz wohl, als er nähertrat und auf dem Stuhl ihr gegenüber Platz


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