Friedrich Gerstecker: Streif- und Jagdzüge durch die Vereinigten Staaten von Amerika 1837-43. Friedrich Gerstecker
jetzt gefrorenen Boden der Prärie waren die Wege sehr rau geworden, und die Füße schmerzten mich; doch wanderte ich fort und kam am Nachmittag in das Mississipi-Tal. St.-Louis gegenüber hat dies Tal übrigens einen besonderen Namen und heißt der „American bottom“ der als das beste Land in den Vereinigten Staaten berühmt ist. Die Ackererde mag da wohl 50–60 Fuß tief sein; aber es ist auch ungesund, weil es sehr niedrig und daher sumpfig liegt. Überhaupt hörte ich überall, wo ich durch Illinois kam, vorzüglich bei den Deutschen, die ich fand, häufige und, wie es schien, begründete Klagen, dass das kalte Fieber ihnen viel zu schaffen mache. Jeden Sommer solle es wiederkehren und sie auch oft den Winter hindurch nicht verlassen. Das blasse Aussehen der Leute, vorzüglich der Kinder, bestätigte nur zu sehr diese Aussage.
Endlich, etwas nach Sonnenuntergang, erreichte ich das östliche Ufer des Mississippi und hörte zu meinem Schrecken, der Strom gehe so stark mit Eis und sei im wahrsten Sinne des Wortes so damit bedeckt, dass es zu Unmöglichkeiten gehöre, hinüberzukommen. Den Abend war nun auf keinen Fall mehr daran zu denken, und ich musste noch eine Nacht in Illinois bleiben. Da ich von dem anstrengenden Marschieren sehr ermüdet war, ging ich früh zu Bett.
In der Nacht weckte mich ein neu ankommender Schlafkamerad, der sich gerade auf mich warf. Ich rückte ein wenig auf die Seite, und er blieb in der Mitte liegen. Ich hätte nun zwar Platz genug gehabt, aber der unruhige Fremde wälzte sich und drängte mich so, dass, wenn ich mich nicht die ganze Nacht ärgern wollte, ich mir auf die eine oder die andere Art Ruhe verschaffen musste. Ich zog mich also wie ein Igel zusammen, presste meine Schulter gegen seine Seite, meine Füße gegen die Wand, und mich mit einem plötzlichen Ruck ausstreckend, sandte ich den Unruhigen mit Keilkraft auf die Dielen.
Die Sache war zu schnell gekommen, als dass er sich hätte besinnen können, und noch halb im Schlaf wollte er wieder ins Bett zurückklettern; ich erklärte ihm aber kaltblütig, unter welchen Bedingungen ich ihn nur wieder hereinlassen wollte, und er versprach alles, was ich forderte, denn die Nacht war ihm doch ein wenig zu kühl, sie in seiner leichten Kleidung außerhalb der Decken zuzubringen. Er verhielt sich auch nachher ganz ruhig.
Am nächsten Morgen stand ich sehr früh auf und hörte, dass ein kleiner Kahn die Überfahrt versuchen wolle. Um neun Uhr saß ich darinnen und führte eins der Ruder. Wir waren sechs Personen in dem kleinen Fahrzeuge, zwei an jedem Ruder, einer, der vorn die Eisschollen etwas beiseite stieß, und ein Passagier, der vor Angst fast verging.
Mit unsäglicher Mühe gelang es uns, die Mitte des Stromes zu erreichen, wo sich das Eis auf einer kleinen Insel festgesetzt hatte. Umfahren konnten wir die Stelle nicht, da wir sonst zu weit unterhalb St.-Louis gelandet wären, mussten also aussteigen, den Kahn über die Eisschollen wegziehen und ihn auf der anderen Seite wieder in den Fluss lassen. Dort ging unsere Ruderarbeit von neuem los, und wir wurden mehrere Male zwischen ungeheure Schollen so eingepresst, dass ich alle Augenblicke unser kleines Boot zerdrückt zu sehen befürchtete. Nichtsdestoweniger überwanden wir alle Schwierigkeiten und erreichten, aber halbtot von Mühe und Anstrengung, um zwölf Uhr mittags etwa das andere Ufer, unmittelbar unter St.-Louis.
Es wird zwischen St.-Louis und Deutschland ein Unterschied von ungefähr sieben Stunden in der Tageszeit sein; es war also gerade zu der Zeit, als daheim die Kinder bunt geschmückte, hell erleuchtete Tische umsprangen und im Weihnachtsentzücken aufjubelten, als ich mich mit triefender Stirn und blutendem Herzen durch die Wellen und riesigen Eisschollen des breiten Mississippi arbeitete.
Auch hier tönten die Glocken der katholischen Kirche feierlich in den jetzt vom Nebel befreiten freundlichen Christtag hinein, und mit ganz eigenen, aber nichts weniger als freudigen Gefühlen betrat ich die fremde Stadt.
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