Ich wollte nie Kaiserin werden. Carina Zinkeisen
Der arme Karl Ludwig hatte Tränen in den Augen, hat aber mir dann ganz artig gratuliert. Arm in Arm verließen der Kaiser und ich dann das Hotel, um mit der Erzherzogin Sophie in der Villa zu frühstücken und der Franzl stellte mich seinen Adjutanten, vor allem dem Grafen Grünne, vor.
Um 11 Uhr waren wir dann alle in der Pfarrkirche. Es ist ja Sonntag. Tante Sophie ließ mir am Eingang den Vortritt. Die Leute sangen die Volkshymne. Ich konnte mich gar nicht auf die Messe konzentrieren und andächtig zuhören, so aufgeregt war ich, weil ich von so vielen Menschen beäugt wurde, was mir gar nicht behagte und scheu und verlegen machte. Ich kann ohnehin besser in der Natur mit dem lieben Gott sprechen als in einer Kirche. Irgendwie hatte sich zu allem Überfluss die Kunde unserer Verlobung herumgesprochen und die Kirche war rappelvoll, wie mein Papa sagen würde.
Nach der Messe griff der Kaiser behutsam nach meiner Hand und führte mich zum Pfarrer.
„Ich bitte Hochwürden, segnen Sie uns, das ist meine Braut.“
Als wir dann aus der Kirche rausgekommen sind, standen sehr viele Menschen am Portal und haben uns angestarrt, ganz besonders den Kaiser und mich. Alle wollten mich sehen und mich beglückwünschen, ich musste schon in der Kirche unzählige Hände schütteln und Segenswünsche beantworten. Ich habe mich vor Angst ganz fest an Franzls Hand geklammert, die Hochrufe über mich ergehen lassen. Die Menschen haben ein Recht, mich, die künftige Kaiserin, zu sehen. Mir aber machen sie Angst damit. Ich bin einfach so, ich kann nichts dafür, so viele Meschen machen mir eben Angst. Sie ziehen mich aus mit ihren Blicken, machen mich nackend, rauben mir meine Seele.
„Die Kaiserin von Österreich darf sich nicht verstecken, Elisabeth!“
Ich glaube Nene würde eine bessere Kaiserin werden. Richtig schwindelig war mir und ich habe vor Aufregung kaum Luft bekommen!
„Du hast gelbe Zähne, Elisabeth, du musst sie besser putzen oder wenigstens das breite Lächeln unterlassen“, dröhnt Tante Sophies Stimme in meinen Ohren und ich klammere mich noch etwas fester an Franz fest. Dem alten Drachen werde ich es ohnehin nicht recht machen können. „Sei nicht so empfindlich, es ist ja normal, dass dich viele Menschen ängstigen, aber es ziemt sich nicht für eine Kaiserin. Du musst dir ein dickeres Fell zulegen. Ich habe es damals auch gekonnt.“
Mama sagt, dass Tante Sophie es nur gut mit mir meint, aber ich will ihr keine Chance geben, weil ich sie hasse.
Der arme Franzl wird wirklich Mut für uns zwei brauchen!
Das Essen nahmen wir in Hallstein ein und es gab noch eine Spazierfahrt. Nach dem Regen der vergangenen Tage war die Sicht wunderschön. Berge und Felse waren von der untergehenden Sonne in ein mildes Licht getaucht und auch der See glitzerte golden.
Nur mir war irgendwie kalt in dem offenen Landauer, der Franzl reichte mir fürsorglich seinen Mantel. Er ist ja so ein Lieber!
Am Abend war Ischl von zehntausenden Kerzen und von Lampen in den österreichischen und bayerischen Farben beleuchtet und das Feuerwerk zeichnete ein E und ein FJ, eine Kaiserkrone und einen Brautkranz in den dunklen Nachthimmel.
05. September 1853
Ein Fest folgte dem anderen und ich wurde mit Geschenken überhäuft, der Kaiser gab mir Geschmeide und Juwelen, unter anderem eine prachtvolle Blütenranke aus Diamanten und Smaragden, die ich mir in die Haare flechten konnte. Mit der ich am Hofball tanzte, meinem zweiten richtigen Ball. Ich war so aufgeregt, dass ich Karl Ludwig, meinem zukünftiger Schwager bei der Polka auf den Fuß stieg und der Arme ist doch ohnehin schon so unglücklich, da ich den Kaiser heirate und nicht ihn.
Im Garten der Sommervilla ließ der Kaiser geschwind sogar eine Schaukel errichten, die ich natürlich sofort in Besitz nahm, der Wildfang, der ich bin. Er spürte auch, dass mir die immer neuen Gesichter Angst machten und ließ mir zuliebe den prächtigen, von fünf Schecken gezogenen, Wagen nicht von einem Kutscher, sondern von Graf Grünne, an den ich schon gewöhnt hatte und gerne mochte, ziehen.
Dem Hofmaler musste ich Modell sitzen, damit ein jeder in Wien weiß, wie ich aussehe.
Jetzt sind wir wieder daheim in Possi und darüber bin ich eigentlich recht froh. Ich muss irrsinnig viel tun und komme kaum zum Schreiben. Französisch, Italienisch, Tanzstunden, Anproben bei der Schneiderin und vieles mehr. Für mich ist der Ernst des Lebens nun angebrochen, sagt Mama. Ich muss jetzt viel lernen, um eine gute Kaiserin zu werden. Bisher wäre mein Unterricht vernachlässigt worden.
Am 24. August wurde nämlich ganz offiziell in der Wiener Zeitung verkündet, dass sich der Kaiser mit mir verlobt hat und es wurden auch meine Eltern, Herzogin Ludovika und Herzog Max in Bayern, namentlich erwähnt und natürlich seine Majestät, König Maximilian II von Bayern, das Familienoberhaupt von uns Wittelsbachern. An den Papa, den Brautvater, und an den König war natürlich auch ein Telegramm versendet worden.
Ich habe jetzt Unterricht in österreichischer Geschichte, allerdings bei einem Ungarn, den Papa für mich ausgesucht hat, wahrscheinlich um Tante Sophie ein bissel zu ärgern, was ich sehr begrüße. Denn den Papa freut es klammheimlich, dass ich, seine Lieblingstochter, die ehrgeizigen Pläne meiner Mutter und meiner Tante durchkreuzt habe. Er hofft auch, dass ich den Kaiser liberaler mache, denn der Franz regiert mit strenger Hand, so wie seine Mutter es ihm befiehlt. Beide seien beim Volk recht unbeliebt, da viele kritische Köpfe im Gefängnis sitzen oder in Ungarn hingerichtet worden waren.
Mein Lehrer heißt Janos Majlath, der Graf ist ein Freund meines Vaters. Er ist ein kleiner, lebhafter, sehr unterhaltsamer Mann, den ich sehr gerne mag. Er lebt in München in bescheidenen, fast ärmlichen Verhältnissen vom Ertrag seiner Bücher, das Geld, das er hier verdient, tut ihm sicher wohl. Er unterrichtet sehr anschaulich bis in den Abend hinein und manchmal hören ihm auch Nene und der Karl Theodor, unser Gackel, zu, die Mama und einige der anderen Lehrer.
Und ich muss ja auch noch Sprachen lernen, Französisch, Italienisch und Böhmisch, leider habe ich kein rechtes Talent für fremde Sprachen und das Französisch sprechen nimmt in der Gesellschaft zu Mamas Verdruss ohnehin sehr ab. Aber der Kaiser herrscht ja über so viele Länder, Venezien, Lombardei, wo man Italienisch spricht, Böhmen, Ungarn, Kroatien, Slowenien, das Banat und Serbien, wie mir Mama immer wieder in Erinnerung ruft.
Die Tante Sophie, die begierig über meine Lernfortschritte unterrichtet werden möchte, erscheint mir immer furchteinflößender. Meine Kinderangst hat einen Namen und ein Gesicht bekommen. Dabei schreibt sie angeblich an alle Tanten von mir nur als der lieben Elise, die ihren Sohn so glücklich macht.
10. September 1853
Mir macht der Unterricht viel Freude, besonders der bei meinem Ungarn. Herr Majlath ist sehr nett zu mir, er weiß so viel und hat sehr viel Humor. Immerzu schwärmt er mir von seinem schönen Heimatland vor. Ungarn muss traumhaft sein, ein richtiges Herzensland. Ich habe Bilder von der Puszta gesehen, diese unheimliche Weite. Ich freue mich so darauf, dort hinzureisen, ich würde mich dort frei fühlen, unendlich frei.
Außerdem sind die Ungarn tapfere und mutige Menschen, sind sie doch genauso freiheitsliebend wie ich. 1849 wurde ihre Verfassung von Franz Joseph außer Kraft gesetzt. Ein Jahr zuvor hatte es nämlich viele Todesurteile gegen aufständische Ungarn gegeben, nachdem einer von ihnen versucht hatte, den Kaiser umzubringen. Das ist eine sehr schlimme Tat gewesen, aber man darf doch nicht ein ganzes Volk für die Tat eines Einzelnen bestrafen.
Franzls General Julius von Haynau bekämpfte entschieden alle Gegner der Monarchie und war daher bei diesen als Hyäne von Brescia oder als der Blutrichter von Arad berüchtigt. Auf seinen Befehl wurden am 6. Oktober 1849 dreizehn