Hein Bruns: In Bilgen, Bars und Betten. Hein Bruns

Hein Bruns: In Bilgen, Bars und Betten - Hein Bruns


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sah sich an Bord ein bisschen um. Man muss wissen, wohl auch erst oberflächlich, auf was für einem fahrbaren Untersatz man zur See fährt. Das musste er ja sagen, die Maschinenanlage war ganz in Ordnung, jedenfalls was Farbe anbelangt. Haupt- und Hilfsmaschinen elfenbeinfarbig gestrichen. Kupferrohre, Manometer und sonstige Armaturen bestens geputzt. Geländer auf Hochglanz geschmirgelt. Flurplatten sauber und blank. Aber, aber, der Schein trügt, der Schein kann tausendmal trügen. Es hat schon manch einer ein Auto gekauft, hat sich von der Farbe blenden lassen, und der Motor fiel auf der ersten Fahrt auseinander. So etwas gibt es im Schiffsbetrieb auch, und gar nicht mal so selten. Und Meilers Gedanken gingen um einige Jahre zurück zu jenem Küstenfahrzeug, das einem Eigner aus Ostfriesland gehörte, der es aber selbst nicht fuhr, von wegen absaufen. Der alte Küster, Motorschiff OKOLINE. Mit einer SAS-Maschine startete Meiler von Hamburg-Fuhlsbüttel nach Reykjavik auf Island. Der zweite Maschinist hatte irgendwelchen Schnaps gesoffen, der ihm gar nicht bekommen war, nein gar nicht. Blut war das wenigste, was er spuckte, und das tat er an Bord. Im Krankenhaus spuckte er kein Blut mehr, aber da konnte er nicht mehr sehen… und das ist schlecht. Schlecht für ihn und auch schlecht für den Schiffseigner: Der eine konnte nicht mehr sehen und der andere konnte sein Schiff mit einer Ladung Stockfisch nicht nach Portugal bringen lassen. So kam Melchior Meiler zu einem Flug in den hohen Norden, über die Nordsee und über die Shetlands nach Island. Er fiel vom Himmel, buchstäblich. Eine Stunde später war er an Bord. Hinter ihm zog man die Gangway ein. Der Alte schrie: „Leinen los!“ Und sie segelten aus dem Hafen, und die Krawatte hatte er noch nicht abgebunden... auf nach Portugal mit einer Ladung Stockfisch. Vull Schipp. Junge, da hatte er schön was gemacht! Den Dampfer hielt nur noch der Rost zusammen (mittlerweile ist er auch auseinandergerostet), miefte wie eine Abdeckerei. Stöhnte und ächzte in allen Fugen, dass es einen Hund jammerte. Der Alte war ein Sonderling. Musik, Frohsinn und Lachen konnte er nicht vertragen. Radio schon gar nicht. Dreitausend Mark war der Eigner, der sich ja auch Reeder nennt, beim Kapitän mit Heuer rückständig... das Ankerspill gehörte ihm schon. Der Steuermann ein Betbruder! Der Koch eine ausgesprochene Mistbiene! Der Chief alt und zittrig, dem der Kalk schon aus der Hose rieselte. Außerdem hatte Meiler ihn in Verdacht, dass er Brennstoff soff, weil seine Lippen so zerfressen waren. Die Matrosen, wenn man sie so bezeichnen durfte, waren Ausländer. Ein anständiger deutscher Matrose würde nie auf so einem Eimer anmustern. Das konnte ja reizend werden... und das wurde es denn ja auch. Die Maschinenanlage war gut in Farbe, jawohl, alles was recht ist. Aber die Maschinenanlage war total runtergefahren, es drehte sich wohl noch was, so war das nicht, aber nur unter Gejammer und Gezische und Gepfeife. Außerdem qualmte der „Vogel“, nur nicht aus dem Schornstein. Hielt sich Meiler im Maschinenraum auf, liefen die Augen wie die Trollhättafälle. Isolierband, Leukoplast und Blumendraht waren die Binde-, Dichte- und Zusammenhaltemittel. Ach und der Dreck, der den Maschinenraum rund machte, in den Ecken und Winkeln saß, als schäme er sich selbst. Die Maschinenanlage, was Hauptmotor und Hilfsmaschinen anbelangt, war gut in Farbe. Ach und der Rost, mein Gott der Rost, der sich an der Außenhaut, die ja auch noch eine Innenseite hat, dick macht. Rost, den man nicht wagt anzuschielen, sonst könnte er abplatzen und die See hereinlassen, dieser Rost! Nee, es war ‘ne Lust. Beleuchtung tranig und traurig wie in einem Existentialistenkeller. O Welt, wie warst du gestern noch so schön von oben! Vorbei! Vorbei die Augenweide an hübschen Stewardessen. Vorbei mit gepflegten Händen und Whisky pur. Nix mehr dezenter Hauch von „Chanel“ und „Soir de Paris“! Ganz elendig nach Fisch stank es, dass es einem die Socken zusammenzog. So war er doch tatsächlich vom Himmel, dem blauen, in die Hölle, der schwarzen, geraten. Schaukelte von Island nach Portugal, auf einem kleinen Schiff auf großem Wasser. Jeden Morgen um neun Uhr wurde die Maschine gestoppt, trotz Meilers Freiwache und seiner Stinkwut. Dann trieben sie auf der Weite des Atlantiks und reinigten Gasölfilter. Täglich lenzten sie die Raumbilgen. Täglich waren sie voll bis zum Kragen... und daran hatte der gesalzene Stockfisch schuld. Das Lenzen war ein Gottesgericht! Kreisel der Pumpe angefressen und zum Teil vergammelt. Rohrleitungen durchgerostet, x-mal geflickt und wieder geflickt. Voller Salz! Der verfluchte und dreimal verdammte Stockfisch! So hielt sich Meilers gequältes Selbst morgens und manchmal auch nachts unter den Flurplatten, in der Bilge auf. Der Chief und Meiler waren voller Dankbarkeit gegenüber dem Geschick, welches sie auf diesem Zarochel zusammengeführt hatte. Denn der Chief war immer dabei! „Ja“, krächzte er einmal in einer schwachen Stunde, in der sie sich beide mit schweißnassen Augen ansahen, „diese Maschine, mein Junge, die will nicht nur deinen Schweiß, die will auch deine Knochen!“ Und er warf einen hasserfüllten Blick überall hin. Wohl auch einen Blick auf Vergangenheit, auf Jugendträume! Wohl auch einen Blick auf die Zukunft und auf seine Rente! Wie träumte Meiler? Wie war das noch? Wie träumte er, so er wie ein Artist eingeklemmt zwischen Rohren hing und einen Flansch losnahm, dessen Bolzen und Muttern der Rost zusammengefressen hatte? Wie träumte er? Ach so, er sah ein schönes, gepflegtes Gartenrestaurant, am Elbestrand, zur Sommerzeit. Sah weiße Jacken der Kellner, Schiffe auf Aus- und Heimreise, blonde „Helle“. Diese verfluchte Dreiviertelzoll-Mutter musste er aufkreuzen, ihr mit Hammer und Meißel zu Leibe gehen. Sah kleine niedliche Mädchen im wehrdienstfähigen Alter, die duftend und leicht und sommerlich gekleidet sitzen, Limonade trinken, Eis essen, kichern und fröhlich und jung sind. Saukram, jetzt fiel ihm auch noch der Meißel in die Bilge. Das Konzert war wundervoll. Operettenmelodien! Ein schöner Traum! Der Chief stand oben und meckerte! Und der Alte freute sich, dass er Nautiker geworden ist... trotz Heuerrückstand. Und Meiler freute sich, dass nur noch sieben Tage bis Portugal zu dampfen waren. Am Ende dieser hier an Bord verbrachten, verlebten, stinkigen Tage, und als seine Ablösung in der Tür stand, schrieb er an die Maschinenraumtür, dick und in Druckschrift das alte Zitat:

      WER HIER EINGEHET, LASSE ALLE HOFFNUNGEN FAHREN!

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