Incubus Expeditus. Xenocyon Daemonicus
war Kai der einzige, der mit den beiden Sitzenbleibern redete. Der eine hieß Kevin, sah nicht wirklich außergewöhnlich aus und war nur ein Jahr älter.
Der andere hieß Sebastian, hatte schon seine zweite Ehrenrunde in dieser Klasse, hatte einen brünetten Irokesenschnitt, eine mit Aufnähern versehene Jeansweste, abgerissene Hosen und schwarze Stiefel und er rebellierte gegen alles und jeden.
Kai hatte anfangs auch Angst vor ihm, aber in der ersten Zeichenstunde sollten sie ein riesiges Bild in Gruppen zeichnen und mit den beiden wollte niemand was zu tun haben, so blieb ihm nichts übrig, als sich zu ihnen zu setzen.
Der Große konnte besser zeichnen als manch anderer und so malten sie mit Kais neuen Stiften um die Wette.
Es entstand ein Gemeinschaftsbild von einer Welt mit schwebenden Inseln in den krassesten Farben. Und die drei Jungs bekamen dafür eine gute Zwei. Die Angst relativierte sich.
Leider hielt das den brünetten, nicht sehr ansehnlichen Silvio nicht davon ab, andere anzustacheln, Kai zu ärgern, da er selber kleiner war als dieser.
Aber einmal rief Sebastian seine Kumpels aus seiner früheren Klasse, die den Schnösel aus der Parallelklasse packten und ihm ein neues Zuhause in der Mülltonne vor der Turnhalle bescherten. Die ganze Klasse hatte sich kaputtgelacht.
Die ruhige Zeit währte nicht allzu lange, denn der Nachwuchspunk musste vom Gymnasium, weil seine Noten zu schlecht waren, als das ihm die Nachhilfe noch etwas nutzte und dessen Versetzung erneut gefährdet war. So verlor Kai eine Art Beschützer.
Das war abzusehen, denn der Stoff war mehr und intensiver, das schaffte der ältere Junge nicht und musste in die Mittelstufe wechseln. Auch Kevin wechselte aus demselben Grund, wie der andere Sitzenbleiber, so dass der Klasse nur noch vier Jungen blieben.
Silvio hingegen fand in der Zeit einen Freund namens Michael, groß, dick und kräftig mit schwarzen Haaren. Dieser trug meist ein Sweatshirt, aber wie Kai war er Brillenträger.
Micha wurde oft genug von seinem Freund angestachelt, Kai zu piesacken und ihn verbal zu attackieren, da Silvio ihm die Mülltonnenaktion übel nahm, trotz dessen, dass Kai die älteren Jungs nicht dazu aufgefordert hatte.
Diese Hänseleien waren allerdings nicht extrem genug, als dass sie Shynn auf den Plan riefen.
Ab der siebten Klasse stellte Kai wieder einmal fest, dass er in seiner Entwicklung mit den anderen nicht Schritt halten konnte. Aus seiner Sicht fingen die Mitschüler an, sich merkwürdig zu verhalten.
Sie spielten nicht mehr miteinander, sondern bildeten Grüppchen, standen nur irgendwo herum, redeten dummes Zeug und lachten darüber. Er hingegen konnte dieses Verhalten nicht nachvollziehen, geschweige denn, mit ihnen gleichziehen.
Er stellte zudem fest, dass er eine einzige Gemeinsamkeit mit den meisten anderen Jungs hatte: Er fing – neben seinen bisherigen kindlichen Interessen für Insekten und andere Tiere, lesen, zeichnen, zocken und mit Modellbausteinen zu bauen – an, sich auf einmal für Mädchen zu interessieren.
Zumindest rein äußerlich veränderten sich diese mehr als die Jungen. Hüften wurden breiter und rundeten sich, sie bekamen einen Busen und auch die Sachen, die sie trugen, saßen anders als früher, reizvoller, interessanter, man konnte eben nicht wegschauen.
Er hatte zwar schon seit zwei, drei Jahren einmal Regungen in der Hose, die sich nicht kontrollieren ließen, sie wurden jetzt noch schlimmer, intensiver und ergaben irgendwo auch mehr Sinn.
Allerdings ergaben sich so auch andere Probleme, viel tiefgreifender, mehr als er sich bisher erahnen konnte...
1DIE Jugendorganisation in der DDR. Klassenfahrten, Ferienlager und außerschulische Aktivitäten wurden organisiert. Sie waren ähnlich einer Armee gegliedert (ähnelten Pfadfindern). Jungpioniere: 1. bis 4. Klasse: weißes Hemd mit dem Logo „JP“, blaues Käppi, blaues Halstuch. Thälmannpioniere: 4. bis 7. Klasse: ebenfalls weißes Hemd mit demselben Logo, blaues Käppi, aber rotes Halstuch.
2Ein Kombinat war eine Firma würde man heute sagen. Alle waren unter sogenannten Volkseigenen Betrieben (VEB) organisiert. Es gab Lederkombinate oder Elektronikkombinate und so weiter.
3Eine Brigade war so etwas wie eine Abteilung in einem Kombinat. Jede Schulklasse hatte eine Patenbrigade, meist von einem Elternteil, die auch ab und an Veranstaltungen organisiert.
4Eine Spartakiade ist ein sportlicher Wettkampf in verschiedenen Disziplinen, vergleichbar mit einer Jugendolympiade, aber eben mit Schülern aus verschiedenen Schulen der ganzen DDR.
5 Die nächsthöhere Jugendorganisation. Von der 7 bis zur 10. Klasse. Alle trugen blaue Hemden mit dem Logo „FDJ“ und ein rotes Halstuch.
8
Als der Dämon seine Erzählung beendet hatte, waren die kleinen Feen zuerst etwas betrübt über diese Vorfälle. Sie überlegten kurz und fingen an, sich untereinander zu beraten.
„Es gibt also doch Wesen wie uns, außerhalb von hier! Bisher hielten manche von uns sie für ein Gerücht“, begriff eine.
„Sind die dort alle so böse?“, fragte eine andere.
„Und die Menschen? Wieso sind die so?“, wollte noch jemand wissen.
„Was ist mit Shynn? Weiß einer von euch, ob so etwas schon früher einmal geschehen ist, dass ein Mensch auf diese Art und Weise handelt? Ich wüsste nicht“, sagte eine weitere Wesenheit.
Niemand konnte dazu etwas sagen.
Weil Shynn sich nicht ganz selber aus der Unterhaltung ausschließen wollte, warf er ein: „Hab den Körper ja immer dann verlassen, wenn mich tiefe Verzweiflung dazu getrieben hatte. Irgendwie ein doofes Gefühl, als Mensch so machtlos zu sein. Meine natürlichen Fähigkeiten konnte ich als Kai ja nicht ausspielen.“
Sie diskutierten noch eine ganze Weile erregt, während die Umgebung öfter einmal die Farbe, das Verhalten und somit auch die Gefühlslage wechselte, was stellenweise in einem Tempo geschah, welches manche Geschöpfe darin überforderte, sodass sie die Gegend fluchtartig verließen.
Andere wiederum, die zudem älter und/oder weiser waren, waren neugierig und schlossen sich sogar der Runde an.
Eine Dryade befand sich auch unter den Neuankömmlingen. Sie hatte borkig strukturierte Haut, und der Kopf war von grünem, laubähnlichem Haar umgeben. Die Beine dieser Baumkreatur waren wie dünne Baumstämme, deren Füße wie Wurzeln erschienen. Die Arme sahen wie Äste aus, die in langen, holzigen Zweigen endeten.
Sie meinte sogar: „Das sind schon komische und zwiespältige Geschöpfe, aber es gibt auch welche von unserer Art, die noch schlimmer sind. Manche von denen sind in ihrer Gefühlswelt wohl extremer und unbändiger als diese.“
„Woher kennst du denn die Menschen, Baumgeist?“, fragte Shynn.
„Ich war schon öfter dort, denn als Baum sieht man sie ja kommen und gehen, wenn sie einen nicht fällen, um Kleinholz aus einem zu machen. Man sieht sie handeln und hat dann eine Menge Zeit, sich seinen Teil zu denken.
Deine Wut war der Schlüssel, dich von deinem Körper zu lösen, wenn auch nur in der Nacht und dann auch nur kurz. Sie ist vielleicht auch der Grund, warum du hier die Erinnerungen von deinem Leben als Mensch hast, die Erinnerungen an dein eigentliches Selbst vergessen oder verdrängt hast.
Deine Triebe müssen schon davor stark gewesen sein, vielleicht solltest du doch mit Wesen reden, die umtriebiger sind als wir. Mir fallen da nur Wassernymphen oder Windgeister ein.“
„Deine Erinnerungen scheinen ja noch irgendwie vorhanden zu sein, denn sonst würdest du wesentlich orientierungsloser hier herumlaufen und wüsstest gar nichts. Dir wäre nicht bewusst, dass du ein Geist bist und du hättest diese Gestalt nicht, sondern wärst nur ein kleines Leuchten“, meinte eine der verbliebenen Waldfeen dazu.
„Ja, stimmt! Er wusste, was wir