Messalina. Alfred Schirokauer
Name,« meinte er geringschätzig. »Als ich noch ein Knabe war und die Bulla noch am Halse trug, ritt ich mit Vorliebe eine lammfromme Stute. Sie hieß Valeria.«
Ein breiter, sinnlicher Zug glitt um seinen Mund, während er fortfuhr:
»Dem erwachsenen Manne genügt ein frommes Stutchen nicht mehr. Nun kann gewiß auch eine Stute feuriges Blut haben, selbst wenn man sie nur sanft Valeria ruft. Ist aber das Feuer in ihrem Blute erst einmal geweckt ... vielleicht durch – den – Hengst ... so verdient die Stute einen klangvolleren Namen.«
Valeria Messalina wunderte sich still über dieses törichte Geschwätz des Kaisers.
»Wenn du von Pferdezucht mit mir reden willst, Cäsar,« sagte sie in aller Harmlosigkeit, »so kann ich dir nicht viel Unterhaltung bieten. Ich verstehe davon nichts.«
Sein Lächeln ward ein breites, laszives Grinsen, als er fortfuhr:
»Was meinst du – bist du eine Stute, die Feuer im Blute hat?«
Da sie diesmal auf die sie dumm dünkende Frage keine Antwort gab, nur gelangweilt mit den Achseln zuckte, sprach er weiter:
»Nun, der Abend ist noch lang – es wird sich erweisen. Und da du mir dein lebhaftes Temperament bereits bewiesen hast, wenn auch nicht in jener Form, die ich bei Frauen bevorzuge, so will ich dich schon jetzt nicht mehr bei dem wässerigen Namen Valeria nennen. Messalina sollst du heißen! Nicht nur für mich.«
»Meine Eltern haben über meinen Namen zu entscheiden!« erwiderte sie stolz.
Er schnellte von seinem Sitze auf und sah höhnisch auf sie herab.
»Deine Eltern? ... Wenn ich, der Cäsar, dir den Namen bestimme?« rief er belustigt. Er reckte sich zu kindischer, gravitätischer Haltung empor und stelzte gewichtig in dem Gemache auf und nieder wie ein Pfau, der eitel sein farbensprühendes Rad zeigt.
Plötzlich blieb er vor dem Mädchen stehen und wiederholte mit erhobener Stimme: »Messalina sollst du heißen! Der Name, bei dem dich die Gottheit Caligula rief, wird die Zeiten überdauern. Und du meinst, Menschen hätten über das zu entscheiden, was Cäsar befiehlt? Es gibt keinen, der neben mir wäre, geschweige denn über mir.«
»Bist du nicht auch ein Mensch? Nur ein Mensch und von demselben Fleische wie ich? Auch ich stamme aus dem Blute der Julier.«
»Wir werden später prüfen, wie weit wir einander als Menschen gleichen,« entgegnete er mit einer Stimme, die heiser war vor Erregung. Seine zitternde Hand griff an den Halsausschnitt ihres Gewandes. Er zerrte an dem Stoffe und flüsterte: »Ich hatte dir befohlen, in einem koischen Kleide zu erscheinen, Messalina.«
»Nimm deine Hand fort, Cäsar!« gebot sie so scharf, daß er erschrak und von ihr ließ. Dann setzte sie ihm ruhig auseinander: »Ich war zum ersten Male zu einem Fest geladen. Wie konnte ich anders als in dem edlen, weißen Gewande unserer Vorfahren erscheinen, wenn man mich nicht für eines von den lockeren Mädchen Roms halten sollte!«
»Gut, ich will das als Entschuldigung gelten lassen,« gab er zu. Er wanderte wieder eine Weile stumm aus und ab, wie traumverloren, sein kranker Geist entschwärmte seiner Herrschaft. Dann ließ er sich in den Stuhl fallen und erklärte mit dem Versuche, liebenswürdig zu erscheinen:
»Dein weißes Kleid hebt nicht genug deine Schönheit, Messalina. Es gibt für ein schönes Mädchen nichts Schmuckeres als das seidenfeine, durchsichtige Gewebe des koischen Purpurstoffes. Du wärest eine Göttin in solchem Gewände. In deinem weißen Gewande aber bist du nur ein Mädchen, und das – – ist gefährlich für dich. An die Göttin wagt man nur den Blick, an ein Mädchen aber alles.«
Ein kältender Schauer überrieselte Messalina, als sie die vor Lüsternheit flimmernden Augen des Kaisers mit irrem Glanze auf sich gerichtet sah. Alles an diesem Manne ekelte und entsetzte sie.
Sie raffte den Stoff der Stola enger um sich, als könne sie dadurch den Augen des Cäsars entrinnen. Dann suchte sie dem Gespräch eine andere Wendung zu geben, indem sie sagte:
»Du meintest, Herr, der Name Messalina – weil du es bist, der ihn mir aufdrängt – würde die Zeiten überdauern? Das klingt wie eine Weissagung.«
»Und du glaubst natürlich an Weissagungen,« stellte er fest.
»Allerdings – um so lieber, wenn sie Gutes verheißen,« gab sie mit einem leichten Lächeln zurück.
»Und man hat dir Gutes verheißen?«
Mit einem unbewußten Zug des Hochmuts um den Mund sah sie den Cäsar an.
»Nicht nur kürzlich erst, nein, auch heute wieder sagte man mir voraus, ich würde dereinst Kaiserin sein.«
Caligula fuhr so heftig vom Sitze auf, daß der Stuhl umstürzte.
»Kaiserin –?!« stieß er mit aufgerissenen Augen hervor.
»Ja, Kaiserin!« gab sie gelassen zurück.
»Kaiserin? Du?! Mit mir?!«
»Warum gerade mit dir, Cäsar?« meinte sie leichthin. »Werden nicht auch nach dir Kaiser kommen?«
Langsam hob er die Arme. Seine Hände öffneten sich und krallten sich wieder zu. Es war, als verspüre er den unwiderstehlichen Drang, diese Hände um den weißen Hals Messalinas zu klammern, weitere Worte zu ersticken, die ihn daran erinnerten, daß auch für ihn die Kaiserherrlichkeit einmal enden konnte.
»Also nicht mit mir?« zischte er. »Mit einem andern – der – nach mir kommen – wird!«
Eine Grimasse gewaltsamen Spottes verzerrte sein Gesicht zur Fratze, während er die Hände sinken lieh. Dann faßte er sich. Langsam, jedes Wort deutlich betonend, sagte er:
»Mir fehlt keineswegs das Verständnis für ein mutiges Wort zur rechten Zeit. Du, Messalina, wagst jedoch weit mehr, als ein Mensch meiner Art ertragen kann – wenn ich denn schon deiner Meinung nach nicht mehr bin als ein Mensch.«
Die Sklavin hatte den Stuhl aufgerichtet, in dem der Kaiser nun wieder Platz nahm.
Er kniff die Lider eng zusammen und betrachtete seinen Gast mit spitzem Blicke. Dann sprach er in ruhigem, sachlichem Tone weiter:
»Du hörtest beim Mahle, daß mir schon einmal die göttliche Macht gegeben war, eine Weissagung zur Lüge zu stempeln. Du sollst erfahren, was Cäsar Caligula vermag. Ich werde zum zweiten Male eine Weissagung zunichte machen. Du Kaiserin!« Er lachte. »Wir wollen sehen, wer mächtiger ist, der Gott, der dir diese Weissagung schenkte, oder ich! Ich könnte sie mit einem Worte vernichten und dich auf der Stelle erdrosseln lassen. Dann könntest du im Tartarus die Kaiserin spielen. Doch ich bin milde, wenn auch nicht viele es wissen. Ich werde deinem Vater befehlen, dich meinem Oheim Claudius zur Gattin zu geben.«
Wieder lachte er, kreischend, und fuhr fort:
»Wenn jemals ein Mensch keine Aussicht hatte, den Cäsarensessel Roms zu besteigen, so ist es der gute Claudius. Du siehst, wer dir weissagte, du würdest Kaiserin sein, der betrog dich.« Er sah sie lange stumm an. Dann fügte er hinzu: »Es sei denn, Messalina, du würdest Kaiserin durch mich!«
»Niemals!« schrie sie außer sich. »Dann lieber den Claudius!«
Der Kaiser verfärbte sich vor Wut.
»Und wenn ich dir versichere, daß du mir gehören wirst, auch wenn du später das Weib des Claudius wirst?!«
»Ich werde sterben, ehe du mich berührst.«
»Ah, Selbstmord! Altrömische Tugend!« spottete Caligula. Er rückte den Stuhl näher und legte die heißen Hände auf Messalinas Knie, die er mit klammernden Fingern umspannte.
»Schöne Messalina, wer wie du einen Kaisertraum träumt – wer wie du geschaffen ist, so hoch zu steigen, nicht nur durch Schönheit, sondern auch durch Klugheit und Verstand – wer noch das größte Geheimnis der Wonnen des Lebens zu lernen hat – der greift nicht zur pulsöffnenden