Traumwandler. Julia Skye

Traumwandler - Julia Skye


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die Schultern und murmelte etwas vor mich hin. 19. Das war ja nur ein Wimpernschlag für ihn! 1503 Jahre alt. Ich war nicht gut mit Zahlen, aber selbst ich wusste, es war beinahe das Hundertfache meines Alters.

      „Na gut“, hörte ich schon Caro in meinem Kopf. „Du hattest in deinen 19 Jahren einen Freund. Dann rechne das Mal hundert – und du weißt, wie viele Frauen er hatte! Easy-peasy. Allerdings“, ich konnte sie die Augen zusammen kneifen sehen, „hatte ich zum Beispiel schon drei Beziehungen und bin auch erst neunzehn. Dann hatte er vielleicht auch schon 300 Freundinnen?“

      Ärgerlich verbannte ich sie aus meinem Kopf. Verstohlen sah ich zu dem Elfen hin. Die Frage brannte mir auf der Zunge; doch ich hätte mir diese eher abgebissen als ihn zu fragen.

      Deshalb schwieg ich; genauso wie er. Ein paar Minuten lange noch versuchte ich, neue Gesprächsthemen zu finden, doch mir fielen keine mehr ein.

      Außerdem hatte ich mich heute schon genug blamiert.

      Also hielt ich den Mund, während wir wieder weiter nach Norden drangen. Allmählich wurde es wieder kälter; ich war enttäuscht, als das Gras unter meinen Füßen nach und nach wieder durch eine weiße Schneedecke ersetzt wurde.

      Dann kam die Kälte wieder; es war keine schneidende, klirrende Kälte wie sie oberhalb des Flusses präsent gewesen war. Sie legte sich eher auf meine Haut; so fein wie ein Hauch. Beinahe körperlich konnte ich spüren, dass wir uns einem Elfenreich näherten.

      Die Landschaft um uns herum war atemberaubend; gigantische, schneebedeckte Berge ragten vor uns auf; eine wilde, kahle, aber wunderschöne Natur. Unwillkürlich wurde ich an Norwegen erinnert; doch die Landschaft dort, die ich bisher gesehen hatte, war vergleichsweise sehr mild und nicht annähernd so wild und frei wie die Natur hier.

      Ich konnte nicht anders, als mich ständig umzublicken; es war einfach so atemberaubend hier. Ich wusste nicht, wohin ich meinen Blick wenden sollte; der Himmel war klar, weshalb ich weit in die Ferne sehen konnte. Alles um mich herum bestand aus Eis und Schnee.

      Leider bedeutete dies auch, dass die Rutschgefahr sich erheblich steigerte. Ich versuchte, langsam und vorsichtig zu laufen, doch Solas war so sicher und schnell auf den Füßen, dass ich uns nicht verlangsamen wollte. Er schien überhaupt gar nicht daran zu denken, dass nicht jeder so über den Boden schweben konnte wie er.

      Verbissen konzentrierte ich mich darauf, meine Füße so aufzusetzen, dass ich nicht ausrutschte. Dies erwies sich als gar nicht so einfach, weshalb ich vollauf mit meinen Bewegungen beschäftigt war. Somit hatte sich eine Fortsetzung unseres Gesprächs sowieso erledigt.

      Als es dämmerte, hielt Solas plötzlich an.

      Fast wäre ich gegen ihn geknallt, weil ich so sehr damit beschäftigt war, auf meine Füße zu blicken.

      „Was ist?“, sagte ich und kam leicht strauchelnd zum Stehen.

      Er sah mich an. „Wir sind beinahe angekommen“, sagte er.

      Ich fragte mich, weshalb wir dann Halt machten. „Und?“

      Er lächelte leicht. „Ich weiß nicht, wie viel Zeit wir haben, wenn wir dort sind. Und ich wollte, dass du die Lichter siehst.“

      „Die Lichter?“, wiederholte ich fragend.

      „Komm mit.“ Er nahm meine Hand, als wäre es vollkommen selbstverständlich.

      Natürlich erlitt ich wieder einen kleinen Anfall, als ich seine warme Hand um meine spürte. Mein Atem und mein Herzschlag beschleunigten sich prompt; ich versuchte, mir nichts anmerken zu lassen.

      Es war so viel einfacher zu laufen, wenn er mich festhielt. Schnellen Schrittes bewegten wir uns über das Eis und den Schnee; schon bald merkte ich, dass es leicht bergauf ging. Als wir auf einem kleinen Hügel angekommen waren, war es schon ganz dunkel.

      Solas zog mich vollends zu ihm her, dann ließ er mich los. Gerade breitete sich die Enttäuschung in mir aus, als seine Hand plötzlich auf meiner Schulter lag. Er schob mich ein wenig vor sich, dann deutete er nach Norden.

      „Siehst du sie?“

      Ich starrte in den Nachthimmel hinauf. Wie könnte ich nicht?, war meine erste Reaktion.

      Es waren die Polarlichter – oder etwas ähnliches. Die Polarlichter dieser Welt. In allen Farben des Regenbogens spannten sie sich magisch über den nachtschwarzen Himmel; rot und grün, ein wenig gelb und orange. Ich konnte nicht anders, als gebannt dort hinauf zu starren. Die Lichter formten eine Spirale; ich bildete mir sogar ein, dass sie sich bewegten.

      Ich war so gefangen von diesem Anblick, dass ich erst nach einer Weile bemerkte, dass Solas‘ Hand noch immer auf meinem Arm lag. Und dass er mich ansah.

      Langsam wandte ich den Kopf. Sein Blick war so tief, dass ich augenblicklich darin versank.

      „Wunderschön“, sagte ich krächzend. Ich wusste nicht, ob ich die Lichter oder ihn meinte.

      „Allerdings“, murmelte er.

      Ich versank in seinem Blick. Die Hitze formte sich wieder in meinem Inneren, kroch durch mich hindurch und schloss sich um mein Herz. Trotz der eisigen Kälte des Nordens wurde mir heiß.

      Ich konnte nicht mehr atmen.

      Aus dem Augenwinkel sah ich, dass die Lichter noch immer wunderschön und leuchtend am Horizont waren; doch ich konnte ihnen keine Beachtung mehr schenken. Ich war so gefangen von seinem Blick.

      Er flüsterte meinen Namen.

      Für einen Moment dachte ich, er würde nun sagen, dass er mich liebte. Stattdessen beugte er sich zu mir herab. Als seine Lippen auf meine trafen, konnte ich nicht anders, als aufzuseufzen.

      Augenblicklich zog er mich fester an sich. Ein heißer, kribbelnder, feuriger Blitz schoss durch mich. Ich hatte das Gefühl zu fliegen. Ich schlang die Arme um ihn und er hielt mich fest. Sein Kuss war sanft, seine Lippen warm. Die ganze Welt um uns herum verblasste; ich vergaß alles; Zeit und Raum.

      Alle meine Gedanken waren vollkommen ausgeschaltet. Ich genoss die Wärme seines Körpers, unsere Nähe. Ich fühlte mich so leicht und sicher, als würden wir schweben.

      Wieder einmal hatte ich keine Ahnung, wie lange wir uns geküsst hatten, als er sich von mir löste.

      Meine Beine hatten sich in Pudding verwandelt. Mir war leicht schwindelig.

      Die Lichter waren schon am Verblassen. Allerdings konnte ich auch dem keine Beachtung schenken. Ich war auf seine Augen fixiert, die so dunkel waren, dass mir der Atem stockte. Sie glühten.

      „Wie gesagt, wunderschön“, sagte ich etwas atemlos.

      Er lächelte. Sein Blick war so warm, dass mein Blut zu kochen begann. „Allerdings.“ Ich hätte schwören können, dass er mich gleich noch einmal küssen würde.

      Dann durchbrach plötzlich ein lautes Horn die Stille.

      Heftig zuckte ich zusammen; auch Solas hob überrascht den Blick, sah aber kein bisschen verängstigt aus.

      Seine Hand lag noch immer auf meiner Wange; und er stand so nahe bei mir, dass ich seine Körperwärme spüren konnte.

      Doch als das Horn noch einmal erschallte, löste er sich plötzlich von mir und trat einen Schritt zurück.

      Es war wie ein Schlag ins Gesicht.

      „Wer ist das?“ Mein Gehirn war noch immer vollkommen benebelt. Ich konnte kaum einen Satz formulieren.

      „Die Schneeelfen“, sagte er. Ich war mir nicht sicher, aber ich bildete mir ein, dass seine Augen sich erneut ein wenig verdunkelten.

      „Die Schneeelfen“, wiederholte ich sehr einfallsreich. War er deshalb von mir zurückgetreten? Wollte er nicht, dass sie sahen, wie wir uns küssten?

      Na, dann…

      Sicherheitshalber trat ich noch einen Schritt zurück. Und noch einen. Von mir aus konnte ich mich auch gleich von dem Berg herunterschmeißen, wenn ihn das


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