Zwei Kontinente auf Reisen. Jenny Karpe

Zwei Kontinente auf Reisen - Jenny Karpe


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      Jenny Karpe

      Zwei Kontinente auf Reisen

      Dieses ebook wurde erstellt bei

      

      Inhaltsverzeichnis

       Titel

       Kapitel 01

       Kapitel 02

       Kapitel 03

       Kapitel 04

       Kapitel 05

       Kapitel 06

       Kapitel 07

       Kapitel 08

       Kapitel 09

       Kapitel 10

       Kapitel 11

       Kapitel 12

       Kapitel 13

       Kapitel 14

       Kapitel 15

       Kapitel 16

       Kapitel 17

       Kapitel 18

       Kapitel 19

       Kapitel 20

       Kapitel 21

       Kapitel 22

       Kapitel 23

       Kapitel 24

       Kapitel 25

       Danksagung

       Impressum neobooks

      Kapitel 01

      Die Insel am anderen Ende des Meeres zerfiel. Mit brachialer Gewalt trennte ein unsichtbarer Riese Stücke davon ab, als wäre das Land nur ein trockener Kuchen, den es zu verspeisen galt. Donnernd und schäumend versank das Gestein in den Fluten. Die Abendsonne tauchte die fallenden Körper in rote Schatten.

      Kira hatte längst begriffen, dass sie nichts tun konnte, trotzdem wollte sie sich nicht abwenden. Die Insel erinnerte sie an einen gigantischen Pilz aus Stein. Von dessen Schirm rutschten allmählich die Gebäude einer Kleinstadt. Das Mädchen hatte sich schon manches Mal gefragt, wie stabil der niedrige, dürre Hals dieser Insel sein konnte. Die Antwort schnürte ihr die Kehle zu.

      Kira wollte näher herangehen, doch die Füße berührten bereits den Rand ihrer Heimat. Viele Meter unter ihnen trug der Ozean einige Überreste der Nachbarinsel an die Klippen. Das bedrohliche Tosen übertönte beinahe die Stimmen der Erwachsenen, die sich seit den Morgenstunden auf dem Marktplatz gegenüberstanden, um einander lautstark zu beschimpfen. Einige Gassen trennten sie von Kira, weshalb sie die zerbrechende Insel vermutlich nicht hörten. Allerdings war es wahrscheinlicher, dass sie zu abgelenkt waren.

      Sie überlegte, ob die Erwachsenen verstummen würden, wenn sie tatsächlich neben ihr stünden und sehen könnten, wie ihre Nachbarn starben. Auch ihre Insel hatte schon gebebt, aber bislang hatte sie gehalten.

      Mittlerweile konnte das Mädchen die Ruinen und das Gestein kaum voneinander unterschieden. Es beunruhigte sie, dass sie keine Hilferufe hören konnte, daran war das brüllende Meer schuld. Die Menschen, die gemeinsam mit den Trümmern in die Tiefe fielen, waren bloß Schemen. Nun brach ein gewaltiges Stück von der Insel ab. Gischt stob auf, als der Felsbrocken auf den Ozean traf.

      In einer Mischung aus Furcht und Faszination legte Kira den Kopf schief. Einer ihrer langen roten Zöpfe rutschte über die rechte Schulter. Sie waren ungleichmäßig geflochten, viel zu eilig. Ihre Eltern hatten heute nicht viel Zeit für sie erübrigen können. Vielleicht fragten sie sich nicht einmal, wohin ihre Tochter verschwunden war. Kira knetete ihre Finger und schürzte nachdenklich die Lippen. Ihre alten, schwarzen Lackschuhe waren von Staub bedeckt, einer der knielangen Strümpfe hatte den Halt verloren und war bis zum Knöchel hinabgerutscht. Die hellblaue Bluse lugte zerknittert aus dem grauen Rock, in den sie gestopft worden war.

      Wie lange ihre Eltern brauchen würden, um sie an der schmalen Klippe zwischen den Häuserschluchten zu finden? Es war wohl die beste Lösung, zum Marktplatz zurückzukehren, um ihnen die Suche zu ersparen. Anderseits würden sie ihr sowieso nicht glauben, wenn sie von der sterbenden Insel berichtete. Außerdem war das Chaos viel zu faszinierend.

      Der steinerne Pilz in der Ferne verlor in diesem Moment die Hälfte seines Schirmes. Sie konnte Straßen erahnen, die für Sekundenbruchteile zu einem Murmellabyrinth wurden. Menschen, Bäume und viele kleine Gegenstände rutschten abwärts und schlugen gegen die Gebäude, bevor alles in sich zusammensackte.

      Niemand wusste genau, ob Kiras Heimat auch wie ein Pilz aussah. Unzählige Male hatte sie danach gefragt, immer wieder gab es ausweichende Antworten. Bekannt war nur, dass die Insel zu hoch war, um hinunter ans Meer zu gelangen. Außerdem war sie zu klein für zwei Völker.

      Mitten in den lauter werdenden Stimmen und dem Getöse der alles verzehrenden Fluten ertönte ein Knirschen. Kira fuhr herum und entdeckte einen Jungen, der ein oder zwei Jahre älter war als sie. Sie kannte ihn nicht, aber seine dunklen Haare verrieten ihr, dass er wahrscheinlich ein Ruaner war.

      »Wow«, entfuhr es ihm. Er blieb hinter Kira stehen und starrte auf die zerfallende Insel. Ein Wohnhaus rutschte ab und versank zwischen den Wellen. »Wir sollten den Erwachsenen Bescheid sagen!«

      »Dann geh doch.« Kira blickte stur geradeaus und betete, dass der Junge kehrtmachte und sich als Lügner beschimpfen ließ. Stattdessen sprach er unbeirrt weiter.

      »Meinst du, das kann auch mit uns passieren?« Er zeigte mit beiden Händen auf die Insel, als würde eine nicht ausreichen. Seine Stimme war nervig, und das lag nicht nur daran, dass er laut sprechen musste. Kira blähte die Backen und warf ihm einen verächtlichen Blick zu. Dabei bemerkte sie einen


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