Mord inklusive, Ausflüge optional. Martin Cordemann
Aber wir sind doch hier.
KATE: Ja, aber wo waren Sie, als der werte Herr ermordet worden ist. Wäre das nicht der Zeitpunkt gewesen, an dem er Sie mehr gebracht hätte als jetzt? Ich meine, fällt es nicht auch in Ihren Aufgabenbereich, Verbrechen zu verhindern?
MISSES: Das sollte es, oder?
KATE: Da bin ich völlig Ihrer Ansicht.
MISSES: Apropros Ansicht. (geht zurück ins Bad) Das ist kein schöner Anblick.
KATE: Das war er vorher auch nicht.
MISSES: Woher wissen Sie das?
KATE: Ich war mit ihm verheiratet.
MISSES: (steckt den Kopf zur Tür heraus) Ach, wirklich?
KATE: Meinen Sie nicht, dass es sonst unschicklich wäre, wenn er in meiner Badewanne liegen würde?
MISSES: Sie meinen...
KATE: Ein fremder Mann. Was würde man denn dann von mir denken?
MISSES: Und was glauben Sie, wird man jetzt von Ihnen denken?
KATE: Dass ich... dass ich... da habe ich noch gar nicht drüber nachgedacht.
MISSES: Ich sage es ja nur ungern, aber für Sie wäre es tatsächlich besser gewesen, wenn dies hier ein fremder Mann wäre.
KATE: Und wie sollte ich dann bitte seine Anwesenheit erklären?
MISSES: Nun...
KATE: Und glauben Sie nicht, dass mein Mann da vielleicht Einwände gehabt hätte?
MISSES: Tja...
KATE: Außerdem, wie hätte ich den bitte hierher bekommen sollen? Und, fast noch wichtiger, warum hätte ich bitte einen völlig Fremden ermorden sollen?
MISSES: Und Ihren Mann?
KATE: Ich bin sicher, da würden sich Gründe finden.
MISSES: Genau das meine ich.
KATE: Bitte?
MISSES: Wäre die Leiche in der Badewanne ein Fremder, dann würde man Sie unter Umständen gar nicht verdächtigen.
KATE: Und jetzt?
MISSES: Schon eher.
KATE: Wie meinen Sie das, „eher“?
MISSES: Sie sind die Hauptverdächtige!
KATE: ICH???
MISSES: Bei Verbrechen dieser Art, immer!
KATE: Was soll das denn bitte heißen, „Verbrechen dieser Art“? Wenn irgendein Toter in einer Hotelbadewanne gefunden wird? Sollte man da nicht eher das Personal verdächtigen?
MISSES: Ich meine bei Verbrechen zwischen Ehemann und Ehefrau. Wobei...
KATE: Ja?
MISSES: Für gewöhnlich trifft es da eher die Frau. Ich meine als Opfer.
KATE: Na, dann darf ich mich ja glücklich schätzen. Ich wurde zwar nicht ermordet, auch wenn das eher Ihrer Statistik entsprechen würde, aber dafür bin ich verdächtig. Na vielen Dank auch!
MISSES: Das klingt ein wenig…
KATE: Ungehalten? Undankbar? Unverhohlen?
MISSES: Äh… ja!
KATE: Tut mir leid, ich wollte nicht so resolut wirken. Aber ich habe eine Leiche in meiner Badewanne gefunden und ich bin verständlicherweise nicht besonders erfreut darüber.
MISSES: Weil es Ihr Mann war.
KATE: Und weil es nicht im Prospekt stand. (unsicher) Oder?
MISSES: Nein.
KATE: Das beruhigt mich ein wenig, Miss… oder Mrs.?
MISSES: Inspektor, um genau zu sein. Inspektor Misses, aber da ich auch verheiratet bin, bin ich privat Mrs. Misses. Und Sie?
KATE: Oh, ich bin ebenfalls verheiratet. Oder… (deutet Richtung Bad) …war!
MISSES: Das dachte ich mir schon, aber das war nicht ganz das Ziel meiner Frage.
KATE: Bitte? Oh, natürlich, Verzeihung. Ganz ehrlich, da Sie zu meinem Zimmer gekommen sind, habe ich natürlich angenommen, dass Sie wissen, wer ich bin. Aber Sie haben natürlich recht, es wäre nur höflich, wenn ich mich Ihnen auch vorstelle. KATE Müller. Darf ich Ihnen etwas anbieten?
MISSES: Bitte?
KATE: Nun, ich bin ja so eine Art Gastgeberin. Außerdem werden die Sachen in der Minibar langsam warm, also vielleicht sollte man das ausnutzen.
MISSES: Danke, aber nicht im Dienst.
KATE: Stimmt ja, Sie müssen ja arbeiten.
MISSES: Und Sie…
KATE: Trauern.
MISSES: Bitte?
KATE: Ich muss trauern. Ich denke, das erwartet man von mir. (holt sich etwas aus der Minibar und mixt sich daraus ein Getränk)
MISSES: Also, wo Sie es selbst ansprechen…
KATE: Wirke ich Ihnen zu gefasst?
MISSES: Ein bisschen. Ich frage mich, warum?
KATE: Warum fragen Sie sich das und nicht mich?
MISSES: Wa…rum?
KATE: Das ist einfach. Haben Sie schon einmal eine unerfreuliche Ehe geführt?
MISSES: Äh…
KATE: Oder sollte ich sagen freudlos? Lieblos? Enttäuschend? Die Art Ehe, bei der Sie sich wünschen würden, Sie könnten in eine Zeitmaschine steigen und Ihrem jüngeren Ich ausreden, an einem bestimmten Abend in eine bestimmte Bar zu gehen und sich von einem bestimmten charmanten jungen Mann einen Cocktail ausgeben zu lassen?
MISSES: Nuuun…
KATE: Natürlich nicht, denn niemand denkt für gewöhnlich so weit. Die meisten denken eher: „Hätte ich dieses Arschloch doch nie kennengelernt!“ Und: „Ist es eigentlich unvermeidlich, dass ich anschließend was mit meinem Scheidungsanwalt anfange?“
MISSES: Und, ist es?
KATE: Ist es nicht, aber es ist offensichtlich die Art und Weise, wie sich diese Spezies fortpflanzt.
MISSES: Ah.
KATE: Nur bin ich kein Freund von Anwälten.
MISSES: Eher von Zeitreisen? (holt aus ihrer Tasche ihre Plastikhandschuhe und versucht, sie anzuziehen)
KATE: Man wird doch noch träumen dürfen. Aber, um auf die Frage zurückzukommen, die Sie nicht gestellt haben, die aber seit Ihrer Ankunft über uns im Raume schwebt: Das Verhältnis zwischen mir und meinem Mann war mit unerfreulich noch sehr höflich umschrieben. Da Sie sich ja wahrscheinlich erkundigen werden, werden Ihnen die Wörter „Streit“ und „angeschrieen“ bestimmt unterkommen.
MISSES: Werden sie?
KATE: Garantiert. Mehrmals!
MISSES: Also keine gute Beziehung?
KATE: Eine Untertreibung.
MISSES: War Hass im Spiel?
KATE: Sind Sie schon mal von jemandem so richtig enttäuscht worden?
MISSES: Ja.
KATE: Ich denke, dann kennen Sie die Antwort.
MISSES: Das war…
KATE: Mehr als Sie wissen wollten?
MISSES: Sehr informativ.
KATE: Ich freue mich immer, wenn ich helfen kann.
MISSES: Ihnen ist doch aber klar, dass Sie sich damit selbst verdächtig machen, oder?
KATE: Ich glaube, ich würde mich eher verdächtig machen, wenn