Die Steppe. James Fenimore Cooper

Die Steppe - James Fenimore Cooper


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bin fünf hundert Meilen gekommen, um eine Stätte zu finden, wo Niemand die Worte des Gesetzes in mein Ohr raunen könnte," sagte Ismael stolz, „und bin gar nicht geneigt, ruhig vor den Schranken zu stehen, wo eine Rothhaut Richter ist. Ich sag' Euch, Streifschütz, seh' ich wieder einen Sioux um mein Lager streichen, wo es auch sein mag, so soll er fühlen, welche Männer Kentucky hervorbringt; — dabei schlug er auf eine Art wider die Flinte, die man gar nicht mißverstehen konnte; — „mag er die Medaille von Washington selbst tragen, ich nenn' den einen Räuber, welcher nimmt, was nicht sein ist."

      „Die Teton, die Pawnee, die Konza und ein Dutzend anderer Stämme, maßen sich diese nackten Felder als Eigenthum an."

      „Die Natur straft sie, während sie es noch aussprechen, Lügen. Luft, Wasser und die Erde sind alles freie Geschenke für den Menschen, und Keiner hat die Macht, daraus Theile zu machen. Der Mensch muß trinken und athmen und gehen, und hat also Jeder ein Recht auf den vollkommenen Genuß der Erde. Warum beschreiben die Abzirkler der Staaten ihre Kreise, warum ziehen sie ihre Linien nicht auch über unsere Häupter, wie sie es zu unsern Füßen thun; warum besetzen sie ihre glänzenden Schafsgewänder nicht mit hohen Worten, und geben dem Landinhaber oder vielmehr dem Luftinhaber so viele Ruthen Himmel, mit dem und dem Stern zum Grenzzeichen, mit einer bestimmten Wolke, um seine Mühle zu treiben?"

      Als der Grenzwohner diesen wilden Vorschlag vorbrachte, lachte er höhnisch aus voller Brust. Diese spottende aber schreckliche Fröhlichkeit ging unter seinen kräftigen Söhnen von Mund zu Mund, bis sie den Umgang durch die ganze Familie gemacht.

      „Kommt, Streifschütz“, fuhr Ismael in einem fröhlicheren Tone, wie ein Mann, der fühlt, daß er triumphirt hat, fort; „keiner von uns beiden hat, denk ich, je viel mit Landverschreibungen, Gerichtsdienern und Stammbäumen zu thun gehabt; deßwegen wollen wir unsere Worte nicht mit Thorheiten verlieren; Ihr seid ein Mann, der lange Zeit in diesen Räumen zugebracht hat, und nun frage ich Euch um Eure Meinung, Aug' gegen Aug', ohne Furcht und Gunst, wäret Ihr an meiner Stelle, was würdet Ihr thun?"

      Der alte Mann zögerte, und schien die verlangte Antwort mit großem Widerstreben zu geben. Als aber jedes Auge sich auf ihn heftete, und ihm, er mochte sein Gesicht wenden, wohin er wollte, ein Blick begegnete, der auf die Züge seines eigenen widerstreitenden Antlitzes gerichtet war, antwortete er in einem dumpfen, traurigen Ton:

      „Ich sah zu viel Blut in leeren Streitigkeiten vergossen, um gerne nochmals das Geräusch des Kampfes zu hören. Zehn traurige Jahre hab' ich allein in diesen nackten Ebenen zugebracht, in Erwartung, daß meine Stunde kommen würde, und habe keinen Schlag gegen einen milderen Feind, als der graue Bär ist, gethan."

      „Ursus horribilis," murmelte der Doctor.

      Der Streifschütz machte eine Pause, als er dieses Murmeln hörte; doch da er merkte, daß es nur eine Art Selbstgespräch war, fuhr er fort: „gegen einen milderen Feind als der graue Bär, oder der Panther der Felsgebirge; es müßte denn der Biber, der ein weises, verständiges Thier ist, eine Ausnahme machen. Was soll ich lange Rath geben? Selbst der weibliche Büffel kämpft für seine Jungen!"

      „Nie soll man also sagen, Ismael Busch habe weniger Liebt für seine Kinder, als der Bär für die seinigen."

      „Aber doch ist dies nur ein nackter Ort für ein Dutzend Kämpfer gegen fünfhundert."

      „Ja, so ist's," erwiederte der Grenzwohner und warf einen funkelnden Blick gegen sein niederes Lager; „aber etwas können schon die Wagen und Wollbäume helfen."

      Der Streifschütz schüttelte ungläubig den Kopf und deutete durch die hügelichte Ebene nach Westen zu, als er antwortete:

      „Eine Flinte würde eine Kugel von diesen Hügeln bis selbst in euer Schlafgemach senden; ja, Pfeile aus dem Dickicht hinter euch würden euch Alle vertreiben, wie Steppenhunde; es geht nicht, es geht nicht. Drei lange Meilen von diesem Ort ist eine Stelle, wo ich oft dachte, wenn ich durch die Wüsten ging, da könne man Tage, ja Wochen lang eine Stellung behaupten, wenn Herz und Hand gleich bereit wären zum blutigen Werk."

      Ein zweites dumpfes, spöttisches Gelächter verbreitete sich unter den jungen Leuten und zeigte ziemlich deutlich, wie sehr sie bereit seien, selbst einer schwereren Aufgabe sich zu unterziehen. Der Grenzwohner selbst ergriff begierig den Wink, den er mit so vieler Mühe dem Streifschütz abgepreßt hatte, der aus ganz eigene Schlußart nothwendig zu der Ueberzeugung gekommen sein müßte, seine Pflicht sei, völlig neutral zu bleiben. Einige unmittelbare und treffende Fragen waren hinlänglich, die geringe, noch erforderliche, nähere Bestimmung des Orts zu erhalten, um die beabsichtigte Bewegung zu machen, und dann ging Ismael, der zu Zeiten der Noth eben so furchtbar entschlossen sich zeigte, als er sonst träge war, ohne Aufschub an die Ausführung des Werks.

      Aber ungeachtet des Eifers und der Geschicklichkeit Aller, die daran Theil nahmen, war doch die Arbeit sehr mühsam und beschwerlich. Die beladenen Wagen mußten sie mit eigner Hand eine große Strecke auf der Ebene ohne andere Führung und Leitung fortziehen, als die, welche der Streifschütz gab, indem er ihnen die Hauptpunkte der Gegend andeutete. Bei dieser Anstrengung ward der gigantischen Stärke der Männer das Aeußerste zugemuthet, und auch den Weibern und Kindern ein schwerer Theil der Arbeit zugemessen. Während die Söhne sich an die schwer beladenen Wagen vertheilten, und sie mit der Hand auf den nahen Hügel zogen, folgte ihre Mutter und Ellen, umgeben von der erstaunten Gruppe der Kleinen, langsam hinten nach, und erlagen fast unter dem Gewicht solcher Stücke, wie sie ihrer verschiedenen Stärke angemessen waren.

      Ismael selbst übersah und leitete das Ganze; gelegentlich, wenn ein Fuhrwerk säumte, kam seine kolossale Schulter zu Hülfe, bis er endlich die Hauptschwierigkeit, die Höhe ihres Wegs zu gewinnen, überwunden sah. Da bezeichnete er die Richtung, warnte seine Söhne, so vorzuschreiten, daß sie den Vortheil nicht wieder verlören, den sie mit so viel Mühe erlangt, gab dem Bruder seines Weibes einen Wink, und Beide kehrten zusammen in das leere Lager zurück.

      Während der ganzen Bewegung, die eine Stunde dauerte, hatte der Streifschütz, auf seine Flinte gelehnt, der alternde Hund zu seinen Füßen schlummernd, bei Seite gestanden, — ein stiller aber aufmerksamer Beobachter alles dessen, was vorging. Manchmal erhellte ein Lächeln seine rauhen, muskelhaften, aber vom Alter zerstörten Züge, wie ein Blick der Sonne nackte, zerfallene Ruinen trifft, und verrieth das Vergnügen, das er auf Augenblicke empfand, wenn er die ungeheure Kraft der Jünglinge gewahrte. Dann warf, wenn der Zug langsam die Anhöhe sich hinaufschleppte, ein trauriger, kummervoller Gedanke wieder Alles in tiefen Schatten und ließ dem Ausdruck seines Antlitzes seinen gewohnten, melancholischen Ernst. Als Fuhrwerk auf Fuhrwerk die Stelle des Lagers verließ, bemerkte er mit erhöhter Aufmerksamkeit die Veränderung, und unterließ selten, einen forschenden Blick nach dem kleinen vernachlässigten Zelt zu werfen, welches mit seinem dazu gehörigen Wagen, nach wie vorher, einsam und scheinbar vergessen blieb. Ismael's Aufforderung jedoch gegen seinen finstern Gefährten hatte, wie es jetzt scheinen wollte, diesen bisher von seiner Thätigkeit vernachlässigten Theil zum Gegenstand.

      Erst einen vorsichtigen und fast verdachtvollen Blick nach allen Seiten werfend, näherte der Grenzwohner und sein Gefährte sich dem kleinen Wagen und brachten ihn ganz auf dieselbe Art wieder unter das Tuch, wie sie ihn den vorhergegangenen Abend herausgebracht hatten. Sie verschwanden dann Beide hinter der Decke, und viele Minuten voll Erwartung gingen vorüber, während welchen der alte Mann, von brennendem Verlangen getrieben, die Ursache dieses geheimmßvollen Betragens zu erfahren, sich unmerklich dem Orte näherte, bis er wenige Schritte von der verbotenen Stelle stand. Die Bewegung des Tuchs verrieth die Art der Beschäftigung derer, welche es verbarg, obgleich ihre Arbeit mit der äußersten Stille vor sich ging. Lange Uebung schien Beide mit dem besondern Theil ihrer Arbeit vertraut gemacht zu haben; denn weder Zeichen noch Anweisung irgend einer Art war von Ismael's Seite nöthig, um seinem erfahrnen Gefährten die Weise anzudeuten, wie er verfahren müsse.

      In weniger Zeit, als die Erzählung davon wegnahm, ward der innere Theil der Vorkehrung vollendet, und die Männer erschienen außerhalb des Zeltes. Zu beschäftigt mit seiner Arbeit, um die Gegenwart des Streifschützen zu bemerken, begann Ismael, das Tuch am Boden loszumachen und es auf solche Art um das Fuhrwerk herumzuwinden, daß es eine luftige Decke für die neue Art von


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