Kleine Morde zum Dessert. Elke Schwab

Kleine Morde zum Dessert - Elke Schwab


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machen kann.

      Doch das, was er schon von weitem sieht, kann und will er nicht glauben. Dort steht ein Reisigbesen.

      Schlagartig verfliegt seine Müdigkeit und weicht einem grenzenlosen Zorn. Er beschleunigt seine Schritte.

      Doch was passiert jetzt?

      Der Postbote dieser Straße taucht plötzlich hinter seinem Haus auf, geht auf den Besen zu und steckt einen Zettel dran.

      Kann das wahr sein? Ist es der Postbote, der ihm diese Avancen machte?

      Das wird ja immer schlimmer!!!! Ein Perverser, der sich an Emil ranmachen will … er bekommt vor Schreck keine Luft mehr.

      Er sprintet los, springt über den kleinen Gartenzaun und erreicht mit nur einem Satz den Hinterhof, in dem der Besen steht. Der Postbote ist bereits um die Hausecke verschwunden.

      Emil reißt den Zettel ab und liest: „Der dritte Besen ist ein Wink mit dem Scheunentor, denn ich bin verliebt in dich vom linken bis zum rechten Ohr!“

      Das ist der Gipfel. Gerade will er dem Postboten hinterherlaufen, als dieser vor ihm auftaucht und lachend sagt: „Ich habe den Besen …“

      Doch Emil lässt ihn nicht zu Wort kommen. Mit einem Schlag liegt der Postbote auf dem Boden und hält beide Hände schützend vor das Gesicht.

      „Aber, das verstehen Sie falsch…“, versucht er zu erklären, aber ohne Erfolg. Emil greift nach der Schippe, die er am Vortag achtlos liegengelassen hat und schlägt damit mehrmals auf den am Boden liegenden Mann ein.

      „Ihre Nachbarin …“, setzt der erneut an, womit er Emil nur noch wütender macht.

      Als kein Laut mehr vom Postboten kommt, hält Emil inne und schaut auf den Daliegenden. Die Augen sind geöffnet - keine Regung mehr zu sehen. Auch auf Emils Berührungen reagiert er nicht. Dieser Mann ist tot.

      Meine Güte! Was hat er nur gemacht?

      Panisch schaut er sich um. Niemand zu sehen. Auch im Nachbauhaus kann er den Rotschopf nirgends entdecken.

      Wild entschlossen erobert er den Garten und gräbt ein Loch. Es kostet ihn mehr Mühe, als er erwartet hat. Doch nach zwei Stunden ist der Postbote vergraben und nichts mehr von ihm zu sehen. Er klatscht in die Hände!

      Das war ein Akt der Befreiung!

      Zufrieden geht er ins Haus.

      Das Klingeln seines Telefons stört ihn. Jetzt will er nur noch in Ruhe unter die Dusche. Doch er kommt nicht umhin. Da er keinen Anrufbeantworter hat, schrillt das Gerät unbarmherzig weiter.

      Kaum hat er den Hörer in der Hand hört er ein leise gehauchtes „Danke!“

      Mehr nicht. Eine Frauenstimme.

      „Was soll das?“, fragt Emil verwirrt.

      „Ich bedanke mich bei Ihnen, dass Sie mir diesen aufdringlichen Postboten vom Hals geschafft haben.“

      Emil spürt Gänsehaut hochkriechen. „Ich verstehe nicht …“

      „Wie auch?“ Ein heiseres Lachen ertönt. „Ich habe über die Postzentrale veranlasst, dass der lästige Postbote, meine Pakete beim Nachbarn – bei Ihnen - abgibt, falls ich nicht zuhause bin.“

      Emil wird schwindelig.

      „Bei der Gelegenheit haben Sie sich gleich mit entsorgt – ohne es zu wissen.“ Sie lacht.

      „Was soll das heißen?“

      „Ich suche meinen Seelenfrieden und ein Haus für meine Schwester“, bekommt er prompt die Erklärung. „Sobald die Polizei Sie verhaftet hat, ist Ihr Haus frei, Friede kehrt ein und mein Schwesterlein!“

      Polizeisirenen ertönen, werden immer lauter und kommen direkt vor Emils Haus zum Stehen.

      „Du verdammte Hexe“, lauten die letzten Worte, der er noch in den Hörer fluchen kann. Schon wird das Haus gestürmt.

      Die Rechnung

      Meine Gedanken drehen sich im Kreis. Immer schneller und schneller. Ich versuche sie aufzuhalten, bis eine einzige Frage plötzlich ganz laut in mir rumort: Was habe ich getan?

      Ich halte den Knüppel immer noch in der Hand. Dieses Ding ist schuld daran. Ich wollte das nicht tun.

      Da liegt er vor mir auf dem Boden. Der größte Gauner der Stadt. Mit seinen überzeugenden Argumenten hat er mich dazu überredet, die Versicherungspolice zu unterschreiben. Eine hohe Rendite hat er mir zugesagt. Und jetzt? Alles den Bach runter. Mein Geld futsch. Meine Firma insolvent.

      Ein dünnes Blutrinnsal läuft über seine Schläfe. Sonst sieht er ganz friedlich aus.

      Ich erwache aus meiner Erstarrung. Erschrocken lasse ich den Knüppel fallen und laufe weg. Mein Weg führt mich in die Innenstadt. Erschöpft bleibe ich stehen und überlege, was ich tun kann. Der Tote liegt an einer Stelle im Stadtpark, wo man ihn so schnell nicht findet. Und gesehen hat mich auch niemand. Außerdem wird kaum jemand nach diesem Gauner suchen, der so viele um ihr Geld betrogen hat. Ich bin nicht der einzige, der auf ihn reingefallen ist. Allein in meinem Bekanntenkreis hat es viele getroffen.

      Dieser Kerl war ein Nimmersatt. Jetzt ist er für immer satt.

      Der Spruch gefällt mir so gut, dass ich mir zu Belohnung einen Kaffee genehmige.

      Ich suche mir ein ruhiges Lokal aus.

      Die bestellte Latte Macchiato kommt sofort.

      Doch meine ersehnte Entspannung will nicht einkehren. Je mehr ich davon trinke, desto größer wird meine innere Unruhe. Der Gedanke, dass ich ein Mörder bin, schleicht sich in mein Gewissen. Ich will diesen Gedanken nicht, verscheuche ihn, aber er drängt sich mir immer wieder auf. Meine Hände beginnen zu zittern. Ich rede mir ein, dass der Halunke es nicht anders verdient hat. Aber auch diese Erklärung kann mich nicht beruhigen. Ich versuche einen Schluck aus meiner Tasse zu trinken, doch die Hand zittert so stark, dass ich die Latte verschütte.

      Der Gedanke, ein Mörder zu sein, behagt mir nicht. Die Aussicht, den Rest meines Lebens im Gefängnis zu verbringen – nur weil ich eine Sekunde lang die Beherrschung verloren habe – gefällt mir ebenso wenig.

      Ganz still hat er auf dem Boden gelegen. Ich sehe wieder sein Gesicht vor mir. Es hat sogar friedlich ausgesehen. Der durchtriebene Ausdruck seines miesen Charakters war nicht mehr darin zu erkennen.

      Auf der verzweifelten Suche nach etwas, das meine Nerven beruhigt, kommt mir ein Gedanke: Vielleicht lebt er ja noch.

      Die Hoffnung trifft mich wie der Blitz.

      Ich springe auf, werfe dabei den Stuhl um. Der Kellner schaut mich verärgert an. Aber das interessiert mich nicht. Ich sprinte auf den Ausgang zu - getrieben von der Vorstellung, dass der Börsenmakler noch lebt, ich rechtzeitig den Notruf wähle und am Ende als ein Retter dastehe.

      Nicht als Mörder.

      „Halt! Sie haben noch nicht bezahlt!“, höre ich die Stimme des Kellners hinter mir, als ich schon auf der Straße bin.

      Der kann mich mal.

      Wie von Furien gehetzt laufe ich den ganzen Weg zurück zum Stadtpark. Zielstrebig schlage ich die verschlungenen Pfade ein, bis ich vor ihm stehe.

      Seine Augen starren in den Himmel. Mein Plan, als Retter zu fungieren, geht nicht auf.

      Und noch ein weiterer Plan scheitert.

      Hinter mir steht der Kellner.

      „Sie haben Ihre Rechnung nicht…“, mehr bringt er nicht heraus, als sein Blick auf den toten Börsenmakler fällt.


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