Geschichten der Nebelwelt. Inga Kozuruba
als in diesen Zeiten. Damals, vor Jahrhunderten, als die Menschen noch an eine fünfgestaltete Göttin glaubten und nicht an die Heilige Familie, den Einen oder die Tausend. Damals, als die Welt noch heil war, und nicht zerrissen durch Kriege und Hass und nicht durch die Verderbnis dem Untergang geweiht, wann auch immer er kommen würde. Feli trieb ihre Stute zur höchsten Leistung an und das Tier ließ sich von ihrer brennenden Entschlossenheit anstacheln, so viel mehr als Sporen und Gerten es je zu tun vermochten. Die dicht wachsenden Bäume und Sträucher des Waldes wichen vor ihnen und gaben einen schmalen Weg frei. Nicht ein winziger Zweig und nicht ein Blatt berührte Felis Haut oder das Fell der Stute. Und kaum preschte sie durch, schloss sich die Vegetation wieder, ohne eine Spur zu hinterlassen.
Feli hörte die Bäume raunen und das Flüstern der Blätter um sie herum und spürte die Gänsehaut auf ihrem ganzen Körper. Sie wünsche, sie hätte jemals die Zeit gehabt, diese Sprache zu erlernen, die den Feen, den Elweni eigen war. Sie kannte nur die wenigen Wörter, die ihr Lehrmeister ihr auf den Reisen beigebracht hatte, bevor sie ihrer eigenen Wege ging. Sie wusste, was sie denken und fühlen, was sie flüstern oder brüllen musste, sie kannte den Sinn der Worte, doch richtig sprechen konnte sie nicht. Und so blieb das Wispern im Wind ein Geheimnis für sie, wie so oft. Ein Geheimnis, das vermutlich für immer verloren war, wie die Feen, die den Menschen den Rücken gekehrt haben wegen all dem Schmerz, den sie erleiden mussten, und dezimiert durch die Seuche Mansum, die der Fluch dieses Volkes war. Feli hatte manchmal die Ruinen ihrer Siedlungen gesehen, manchmal inmitten der Wälder an Orten, von denen Menschen aus einem alten Aberglauben heraus sich fernhielten, manchmal inmitten von Städten, die Menschen an Plätzen im ehemaligen Feenreich errichtet hatten. Selbst im schlimmsten Verfall war noch die Schönheit und die Makellosigkeit in ihnen zu erkennen, die den Orten früher innegewohnt hatten, selbst dort, wo die groben Hände der Menschen so vieles zerbrochen und verunstaltet hatten. Spuren und Erinnerungen, mehr war ihnen nicht geblieben von diesem alten Volk, das einst Seite an Seite mit den Menschen gelebt und ihnen so vieles beigebracht hatte.
Die Sonne zog über Felis Kopf ihre Bahn über den Himmel, während die Reiterin sich unaufhaltsam ihrem Ziel näherte. Sie spürte, dass ihre Kraft sie nach und nach verließ, hatte ihr Ziel jedoch noch immer klar und deutlich vor Augen und schoss durch den Wald wie ein Fisch durch das Wasser, wie ein Vogel durch die Lüfte. Die Finsternis begann sich erneut über die Welt zu senken, und die Monde erschienen am Himmel. Der große, finstere Feuermond und der mächtig strahlende Chaosmond dominierten noch immer die Konstellation, die sich zu ändern weigerte und die schwachen, hellen Aspekte des Wassers, des Äthers und der Ordnung in den Hintergrund drängte, als wären die Himmelskörper nicht bereit, den Menschen Gnade zu erweisen.
Es war völlig finster geworden, als Feli endlich auf die Straße hinausschoss, und die Stadt nur noch wenige Meilen entfernt vor ihr lag. Sie spürte die bleierne Müdigkeit in ihren Gliedern und den dumpfen Schleier, der sich immer über ihr Bewusstsein legte, wenn sie sich den ganzen Tag über so verausgabte. Den Trick würde sie in den kommenden Tagen sicherlich nicht wiederholen können. Umso wichtiger war es, dass sie dem Richter schnell Bericht erstatten und sich dann zur Ruhe zurückziehen konnte. Sie griff nach ihrer Satteltasche und gab Kari einen Apfel, während sie sich selbst eine Honigpastille in den Mund schob, die mit einem Hauch Minze und etwas scharfem Ingwer versetzt war, ihren Atem erfrischte und ihre Sinne wieder anregte. Dann nahm sie einen tiefen Schluck aus ihrem Wasserschlauch, sprach ihrer Stute noch etwas Mut zu und wenige Augenblicke später eilten Reiterin und Reittier weiter zur Stadt.
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