James Bond für Besserwisser. Danny Morgenstern
Timothy Dalton, der Darsteller nach Roger Moore, machte nur zwei Filme, dann kam nach einer 6-jährigen Pause der Wechsel zu 007 Nr. 5: Pierce Brosnan.
Wegen seines aalglatten, geschniegelten Auftretens wurde Brosnan von den Kritikern als Kleiderständer bezeichnet. Regisseur Martin Campbell wagte eine Einführung des neuen 007, auf die sich die Kritiker voller Häme stürzten: James Bonds Gesicht ist in der Pre-Title-Sequenz von „GoldenEye“ (1995) erstmals zu sehen, als er kopfüber in einer Toilettenkabine hängt.64
„Der neue Bond, ein Griff ins Klo“, titelte eine Zeitung - Fehlanzeige, denn „GoldenEye“ wurde der bis dato erfolgreichste 007-Film. Ganz richtig ist die Einführung nicht beschrieben, denn Brosnans Augen sieht man schon ein paar Einstellungen früher. Die geheimnisvolle Enthüllung erinnert stark an George Lazenbys ersten Auftritt.
Brosnan blieb vier Filme lang der britische Geheimagent. Dann musste er seine Doppelnull an Daniel Craig abgeben. Auch dessen erster Film wurde wieder von Regisseur Martin Campbell inszeniert. Nachdem die Presse Craig schon vor Drehbeginn als Null abgestempelt hatte, war der Einstand mehr als schwierig. Die Einführung erfolgte filmisch als Rückblende und zeigt einen harten, rücksichtslosen Bond, der zwei Morde begeht, um seine Tötungslizenz, die Doppel-Null, zu bekommen. Dies war nicht nur der zweite Bond-Film, bei dem Martin Campbell Regie führte, sondern auch der zweite von ihm, in dem Bond wieder eine seiner ersten Szenen auf einer Toilette hat.
Aber wie erfolgreich, oder besser angreifbar, die Einführung eines neuen Darstellers der Rolle des 007 auch war: Am Anfang waren immer alle gegen ihn, da ist Daniel Craig keine Ausnahme.
Sogar Ian Fleming legte vor „James Bond 007 jagt Dr. No“ (1962) sein Veto ein. Er fand, Connery passe gar nicht in die Rolle des englischen Gentleman. Er gleiche mehr einem Bauarbeiter als einem Agenten. Er sei zu hart und zu männlich. Außerdem hasste Fleming Connerys schottischen Akzent, so Drehbuchautor Tom Mankiewicz.
George Lazenbys Einstand war nach Connerys Durchbruch als 007 ebenso ungern gesehen. Fleming war zwar schon fünf Jahre tot, doch das Publikum war strikt gegen Lazenby und warf dem Australier vor, er habe keine Schauspielerfahrung. Die Presse machte sich über ihn lustig, weil er Werbung für Schuppenshampoo gemacht hatte. Warf man Connery zu starke Männlichkeit vor, so kritisierte man das Fehlen der Männlichkeit bei Lazenby.
Als schließlich Roger Moore65 auf der Bildfläche erschien, musste er sich ebenfalls mit Connery vergleichen lassen und wurde vor dem Filmstart schon als Weichei abgestempelt. Moore sei eine Witzfigur, hieß es. Er sei nicht erotisch genug.
Aber auch er machte erfolgreiche James-Bond-Filme. Als die Presse ihn aufgrund seines Alters 0070 nannte, wusste Moore, dass er als Bond aufhören musste. Schon bei den Dreharbeiten zu seinem vorletzten 007-Abenteuer „Octopussy“ (1983) sagte der damals 55-jährige bei Aufnahmen im Auktionshaus Sotheby's, er habe Angst, dass er inmitten der ganzen Antiquitäten versehentlich versteigert werde.
Timothy Dalton war ein erfahrener Bühnendarsteller und auch erfolgreich in Filmen aufgetreten. Da „Der Hauch des Todes“ (1987) einen harten 007 zeigen sollte - so viel wusste man im Vorfeld - konnte man Dalton kein Waschlappenimage aufdrücken. Schon Roger Moore war in seinen sieben James-Bond-Filmen immer selbstironischer und weicher geworden, das Publikum akzeptierte das. Also suchte man nach einem anderen schwachen Punkt. Der war zunächst Daltons Aussehen. Er käme, besonders bei den amerikanischen Frauen, kaum an. Diese Annahme bewahrheitete sich nicht.
Ironischerweise bediente sich die Presse beim zweiten Versuch, negative Schlagzeilen zu schreiben, der Grundidee von „Lizenz zum Töten“ (1989): In diesem Film dringt der Agent in die Organisation des Drogenbarons Franz Sanchez ein und weckt bei den Schurken untereinander ein solches Misstrauen, dass am Ende alle gegeneinander arbeiten und Sanchez' Imperium von innen zerstört wird. Die Presse also griff Insiderinformationen auf, Regisseur John Glen, das Filmteam und Timothy Dalton kämen nicht auf einen Nenner. Dalton wollte die Figur anders anlegen, und John Glen wollte seine Autorität als Regisseur nicht untergraben lassen.
Tatsächlich wollte Dalton sich mit seinem 007 den Fleming-Romanen annähern und den Realismus in die Serie zurückbringen. Er untersagte beispielsweise den Maskenbildnern am Set, ihn zu kämmen. Begründung: Wenn Bond einen Fallschirmsprung hinter sich hat, dann können seine Haare nicht wie frisch gekämmt liegen. Aber Glen war nicht immer seiner Meinung, und da Bond Fiktion ist, könne er mitunter auch nach halsbrecherischen Actionszenen wie aus dem Ei gepellt auftreten. Das, was man bei den Moore-Filmen immer wieder gefordert hatte, die Härte nämlich, wurde bei „Lizenz zum Töten“ (1989) von den Kritikern als fehl am Platze beschrieben. Sie nannten Daltons James Bond „Rambond“ - in Anlehnung an den gewalttätigen John Rambo aus der gleichnamigen Filmreihe.66
Auch wenn diese Dinge aufgebauscht wurden, trugen sie dazu bei, dass sich Dalton nach sechs Jahren Wartezeit auf seinen potenziellen dritten Bond-Film aus dem Agentengeschäft zurückzog. Er wurde nicht gefeuert, sondern bat um einen Aufhebungsvertrag. Am 12. April 1994 wurde dies der Öffentlichkeit mitgeteilt. Man mag es als Ironie des Schicksals ansehen, dass Pierce Brosnan am 1. Juni 1994 die Zusage für die Rolle des 007 in „GoldenEye“ (1995) erhielt.
Was bei Dalton angeblich gefehlt hatte, hatte Brosnan zu viel. Von einem Schönling, einem Schuljungen im Anzug war die Rede. Deshalb bat Martin Campbell67 Brosnan darum, sich einen Dreitagebart stehen zu lassen, um etwas rauer und männlicher zu wirken; nach dem Erfolg von „Der Morgen stirbt nie“ (1997) verzichtete man darauf.
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Hat James Bond in „Casino Royale“ (2006) wiederbelebt - Regisseur Martin Campbell
Mangelnde Härte, Feigheit, schlechtes Aussehen und Inkompetenz warf man Daniel Craig vor. Er wurde mit Schwimmweste an der Themse der Weltpresse vorgestellt („Beckenrandschwimmer“), konnte angeblich nicht Auto fahren, holte sich bei den Dreharbeiten auf den Bahamas einen Sonnenbrand und wäre der hässlichste 007, seit es die Filmfigur gibt.
Nachdem der Film „Casino Royale“ (2006) explosionsartig gestartet war, verstummten die Kritiker wieder. Dokumentationsmaterial, das erst nach dem Filmstart freigegeben wurde, zeigt Craig am Tag des Pressetermins, wie er verblüfft fragt, ob er wirklich diese lächerliche Schwimmweste tragen müsse. Ja, er müsse: „Versicherungstechnische Gründe“. Craig kann problemlos Auto fahren, brauchte lediglich eine kurze Einweisung für einen Bagger am Set.
Den Sonnenbrand holte sich Craig bei den Dreharbeiten im Wasser in der prallen Sonne und durch eine Reflexionspappe, die dem Darsteller die Sonne immer von derselben Seite an den Körper scheinen ließ.
Fazit: Jeder Darsteller hatte einen schlechten Start, wenn man der Presse glauben darf.
Connery war zu männlich und hart, Lazenby zu hässlich, Moore zu weich und glatt, Dalton zu hässlich, Brosnan zu schön und Craig wieder zu hässlich und unfähig. Dann wird James Bond Nr. 7, wer auch immer es sein mag, wohl wieder ein Schönling allererster Güte werden.
4) „Casino Royale“ (2006) - mehr Neubeginn als Rückblick
Der neue James-Bond-Film „Casino Royale“ (2006) geht zurück zu den Anfängen und zeigt den frühen 007, wie er einen Entwicklungsprozess durchmacht, der ihn zu dem werden lässt, den das Publikum aus 20 anderen Filmen kennt und den es so liebt? Falsch. „Casino Royale“ (2006) ist kein Einblick in die Anfänge der Entwicklung des James Bond68, sondern zeigt, wie Bond seine 00-Nummer durch zwei Auftragsmorde erhält. Das könnte bedeuten, dass dieser Film zeitlich vor „James Bond 007 jagt Dr. No“ (1962) spielt, denn in diesem ersten offiziellen James-Bond-Film ist Bond bereits Nr. 007.
Folgende Dinge führen diese Theorie ad absurdum: James Bond besitzt in „Casino Royale“ (2006) schon seine Walther PPK - in „James Bond 007 jagt Dr. No“ (1962) bekommt er sie aber erst von seinem Chef „M“ ausgehändigt. „M“ ist im ersten James-Bond-Film ein Mann (Bernard Lee69, dann Robert Brown70),