Der Kampf ums Recht oder Das unsichtbare Böse , 1. Band. Walter Brendel
Kopernikanische Weltbild wurde vertreten durch Johannes Kepler und Galileo Galilei. Kepler war dem Zugriff der Inquisition entzogen, musste aber, wie wir wissen, in Linz als kleiner Schulmeister sein Leben fristen. Sein Wirken war somit auf die außerkatholische Welt beschränkt und deren Seelenheil war für die Kurie nicht von so großem Interesse. Anders lag der Fall bei Galilei, der zudem noch ein guter Katholik war;
- seine Arbeiten machten ihn zum damals berühmtesten Naturforscher Italiens am Hofe des Großherzogs von Toscana, Cosimo II. di Medici, dessen Lehrer er in jungen Jahren war und an dessen Universität in Florenz er lehrte, war er „persona grantissima“
- die Florentiner Accademia dei Lincei betrachtete ihn als ihr erlauchtestes Mitglied
- er stand mit vielen ausländischen Fürstlichkeiten und Wissenschaftlern in ständigem Briefwechsel und fertigte für sie seine Fernrohre
- viele Geistliche, auch solche von höchsten Rängen, hatten bei ihm gelernt und rühmten sich seiner Freundschaft.
Wie konnte man also gegen einen solchen Mann vorgehen? – zumal er auch aus seinen Erkenntnissen keine philosophischen Schlussfolgerungen zog.
Kardinal Belarmin, ein Jesuit, der nicht unbedingt als sein Gegner angesehen werden kann, bestellt ihn nach Rom und vermittelt ihm, dass das Werk des Kopernikus als nicht bewiesene und den Glauben gefährdende Hypothese auf den Index gesetzt wird.
Galilei erklärt daraufhin feierlich: „Er werde die kopernikanische Lehre in keiner Weise halten, lehren und verteidigen“.
Damit beginnt nun die eigentliche Tragödie des Galileo Galilei.
Selbst für einen Galileo Galilei (1564-1642) ist es eine seltene Ehre, dem ehrwürdigen Bellarmin seine Aufwartung zu machen. Dabei ist der Astronom und Physiker Galilei einer der berühmtesten Wissenschaftler seiner Zeit. Doch Bellarmin ist die graue Eminenz im Heiligen Offizium, der gefürchteten römischen Inquisition. Bei einem ersten Treffen sind sich Galilei und Bellarmin als Gelehrte begegnet. Wenige Jahre später ist Robert Bellarmin wieder mit Galilei befasst - doch diesmal in der Rolle des Inquisitors: Galilei als Astronom ist denunziert worden. Die Anzeige ist sehr ungewöhnlich, noch nie zuvor hat sich die Inquisition mit Naturwissenschaft beschäftigt. Dass Galilei der Theologie ins Handwerk pfuscht, kann Bellarmin nicht hinnehmen. Doch ein Prozess würde dem Ansehen der Kirche zutiefst schaden. Bellarmin greift zu einem Trick. Er verbietet zwar die Lehre, dass die Erde um die Sonne kreist, als „ketzerisch“. Die Akten zeigen jedoch, dass dieses Verbot nicht für alle Ewigkeit gelten soll und korrigiert werden darf. Galilei, der eigentlich Beschuldigte, wird mit keinem Wort erwähnt. Bei einer privaten Audienz warnt ihn Bellarmin, die Ansichten des Kopernikus öffentlich zu lehren. Doch weiter forschen darf Galilei. Mit diesem geschickten Vorgehen steht Bellarmin innerhalb der Inquisition einzig da. Unter Kardinal Bellarmin erhält die Inquisition ein menschliches Antlitz. Als er 1621 stirbt, halten Papst und Kardinäle Totenwache. Das Volk läuft auf die Straßen und zerreißt die Kleidung. Fachkundige erforschen den Leichnam nach Blutmalen, nach übernatürlichen Zeichen. Für sie ist Bellarmin ein Heiliger, doch seine Weisheit hat über den Tod hinaus keinen Bestand.
Kritiker werfen Galilei noch heute vor: er habe in der Unterredung mit Kardinal Robert Belarmin das große Anliegen des abendländischen Geistes und damit die Freiheit des Denkens und Forschens verraten. Geschützt durch seine weltlichen, politischen und auch klerikalen Freunde hätte ein entschlossenes Auftreten seinerseits Erfolg gehabt. Ein Vorgehen wie gegen den auf sich allein gestellten Giordano Bruno wäre der Kurie damals nur schwer möglich gewesen!“
Wie bereits erwähnt, sind u.a. mit Kardinal Robert Belarmin auch Jesuiten am nun folgenden Schicksal des Galileo Galilei beteiligt. Ich zitiere deshalb einige Passagen aus dem Buch „Die Jesuiten“, von Manfred Barthel. Darin ist aus meiner Sicht der Prozess gegen Galilei und die Umstände, die dazu beigetragen haben, recht aus-führlich dargestellt.
Vorab aber noch ein Zitat aus dem Buch „Gottes erste Diener“, von Peter de Rosa, in dem Papst Urban VIII. Galilei folgenden Rat erteilt. „Du magst unwiderlegbare Beweise für die Bewegung der Erde haben. Das beweist nicht, dass die Erde sich wirklich bewegt“ und weiter: „Gott ist über dem menschlichen Verstand; und was Menschen vollkommen vernünftig erscheint, kann sich für Gott als Dummheit erweisen“; soweit Papst Urban VIII., Papst von 1623 bis 1644.
Nun zu den Einzelheiten:
Galilei ging nicht gerade zimperlich vor. Er suchte Streit wo er nur konnte und legte sich mit zahlreichen Gelehrten an. Die Kirche wäre an seinen Ideen zunächst wenig interessiert gewesen, doch einige Dominikanermönche machten die Inquisition mit Nachdruck darauf aufmerksam, dass die Ideen eines Kopernikus höchst brisant seien und von Ketzern unterstützt werden. Man muss wissen, dass die damalige Kirche weniger an naturwissenschaftlichen als an politischen Geschehnissen interessiert war. Am 23. Februar 1616 trat die Congregatio qualificationum zusammen und verurteilte die wichtigsten Lehrsätze Galileis (Sonne ist der Mittelpunkt des Weltalls) als häretisch, philosophisch unhaltbar und theologisch irrig. Der Jesuit Kardinal Bellarmin wurde beauftragt, Galilei aufzufordern, die von der Kongregation zurückgewiesenen Behauptungen aufzugeben. Bellarmin sprach so dann mit Galilei, und sonderbarerweise ist bis zum heutigen Tag unklar, worüber Bellarmin und Galilei wirklich sprachen und welche Vereinbarungen sie dabei trafen. Im März 1616 indizierte Rom alle Bücher, die behaupteten, die kopernikanische Lehre widerspreche nicht der heiligen Schrift. Diese Maßnahme geschah nach neueren Erkenntnissen vor allem des halb, weil zahlreiche revolutionäre und abtrünnige Theologen die kopernikanische Lehre als Vehikel im Kampf gegen die Kirche oder sogar das Haus Habsburg ein zusetzten pflegten. Galilei indessen kümmerte sich herzlich wenig um die ganze Geschichte. Er rechnete im Bedarfsfalle mit der Hilfe einiger Kardinäle, die als Hobby-Astronomen Galileis Ideen durchaus etwas abgewinnen konnten. Der bekannteste seiner Freunde war der Florentiner Maffeo Kardinal Barberini, der spätere Papst Urban III. Im Jahre 1632 erschien Galileis Buch „Dialog über die beiden hauptsächlichen Weltsysteme“, in dem die kopernikanische Lehre mit Nachdruck verteidigt wurde. Kein geringerer als Albert Einstein sagte über dieses Werk: „Da offenbart sich ein Mann, der den leidenschaftlichen Willen, die Intelligenz und den Mut hat, sich als Vertreter des vernünftigen Denkens der Schar derjenigen entgegenzustellen, die auf die Unwissenheit des Volkes .... sich stützend, ihre Machtpositionen einnehmen und verteidigen. Seine ungewöhnliche schriftstellerische Begabung erlaubte es ihm, zu den gebildeten seiner Zeit so klar und eindrucksvoll zu sprechen, dass er das Denken der Zeitgenossen überwand und sie zu einer objektiven, kausalen Einstellung zum Kosmos zurückführte, die mit der Blüte der griechischen Kultur der Menschheit verlorengegangen war.“
Galilei wurde daraufhin von Papst Urban III. nach Rom zitiert, wo man ihn des Ungehorsams beschuldigte. Er habe, so meinten die Kardinäle der Inquisition, den seinerzeitigen Befehl von Kardinal Bellarmin missachtet. Galilei legte jedoch einen als Leumundszeugnis erkennbaren Brief von Kardinal Bellarmin vor, angeblich jenes Schriftstück aus dem Jahre 1616, welches eigentlich Galileis Verwarnung enthalten sollte. Das Tribunal war so verblüfft, dass der Prozess vertagt wurde. Galilei hoffte auf einen großzügigen Kompromiss, doch er täuschte sich. Der Prozess gegen ihn war ein Schachzug der Inquisition, der sich in Wahrheit gegen die Anhänger des Giordano Bruno, des Tommaso Campanella und gegen andere Abweichler richtete. Tommaso Campanella, der zweite Ketzer im Bunde, war ein abtrünniger Dominikanermönch und Anhänger der kopernikanischen Lehre. Weil er in Süditalien einen Volksaufstand organisiert hatte, wurde er 1599 eingekerkert und gefoltert. All diese Hintergründe spielten beim Prozess eine entscheidendere Rolle als die naturwissenschaftlichen Lehrinhalte.
Der Prozess aus der Sicht des Manfred Barthel in seinem Buch „Die Jesuiten“:
„Es muss für Galilei eine große Genugtuung gewesen sein, als ein führender Kopf der damaligen Astronomie seine mathematisch-astronomischen Berechnungen nachprüfte, sie an Exaktheit überbot und schließlich bestätigt. Der Name des Mannes: Christov Clavius,( S. 7a), jener sternkundige bayerische Jesuitenpater ,(der vorher bereits erwähnt wurde). ....
Tatsächlich: ein Jesuit bestätigt Galileis Berechnungen. In diesem Satz ist das Wort „Berechnungen“ wichtig. Diese bestätigte der Pater, aber nicht Galileis Theorie. Galilei