Die Krone gegen Penguin. Walter Brendel
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Walter Brendel
Die Krone gegen Penguin
Die Krone gegen Penguin
Walter Brendel
Der Prozess der Lady Chatterlee
Impressum
Texte: © Copyright by Waltr Brendel
Umschlag: © Copyright by Walter Brendel
Illustrationen: © Copyright by Walter Brendel
Verlag: Das historische Buch, 2021
Mail: [email protected]
Druck: epubli - ein Service der neopubli GmbH,
Berlin
Inhalt
Erster Verhandlungstag. Die Anklage hat das Wort
Zweiter Verhandlungstag. Die Zeugenbefragung
1928. Autobiografische Skizzen.
Sechster Verhandlungstag. Das Urteil
Einleitung
Bücher haben es manchmal schwer. Sie bündeln die Macht der Worte und lösen so manchen Skandal aus. Vordergründig, weil sie so manches Tabu brechen. Doch meist geht es dabei um tiefgreifende gesellschaftliche Strukturen, um neue Ideen. So auch 1960, als in England der 1928 entstandene Roman "Lady Chatterley" von D.H. Lawrence erschien. Die Gegner argumentierten mit Moral und verteidigten doch ihre Privilegien.
„Pornografisch“ nannten die prüden englischen Kritiker David Herbert Lawrence’ Roman Lady Chatterleys Liebhaber kurz nach seinem Erscheinen im Jahr 1928. Und wirklich war das Vokabular für die damalige Zeit sehr freizügig und vor allem sehr eindeutig. Aufgeklärte Leser von heute werden von den erotischen Finessen des Buches kaum noch schockiert sein, eher wirkt der stellenweise allzu pathetische Stil unfreiwillig komisch. Der Autor schwankt zwischen Naturphilosophie, Sozialromantik und gesellschaftlichem Realismus. Er wird nicht müde, die Natur zu verherrlichen und die Industrie zu verdammen. Lawrence hat seine Geschichte der Lady Chatterley in 19 kurze Kapitel aufgeteilt. Das Ende bleibt offen, der Leser erfährt nicht, wie die nicht standesgemäße Romanze ausgeht. Dialoge und Briefe unterbrechen häufig den Erzählfluss und deuten wichtige Veränderungen an. Der Radius der Hauptfiguren ist begrenzt, die Handlung beschränkt sich auf wenige Orte. Heute ist der Roman vor allem als literaturhistorisches Dokument interessant, weil er wie kaum ein anderes belletristisches Buch in den Giftschrank gesperrt worden ist und von der staatlichen Zensur betroffen war.
Die britische Krone strengt auf der Grundlage des „Gesetzes über obszöne Publikationen“ einen Prozess gegen den Verlag Penguin an. Das Ziel – der Druck des Romans „Lady Chatterley“ soll untersagt werden und das Buch in Großbritannien weiter verboten bleiben. In der Begründung heißt es, die Geschichte von Lady Chatterley und dem Wildhüter sei „aufrührerisch, skandalös und pornographisch!“ Sechs Tage dauert der Prozess. Dieser wird für die Kläger zum Desaster. Lady Chatterley ist fortan eine Heldin der sexuellen Revolution.
Als Constance Chatterley in den Armen ihres Wildhüters die Lust entdeckt, verstößt sie gegen die Moral und die gesellschaftlichen Normen ihrer Zeit. Vor allem aber entdeckt sie ihre eigene Stärke, entkommt ihrem Schicksal und nimmt ihr Leben in die Hand – eine Emanzipationsgeschichte. Die Zensoren hingegen reduzierten den Roman auf die anrüchige Geschichte einer wollüstigen außerehelichen Beziehung.
1960 war das Buch in England noch immer verboten, als der Taschenbuchverlag Penguin beschloss, sich über die Zensur hinwegzusetzen und „Lady Chatterley’s Lover“ zu veröffentlichen. Aber was ist obszön an einer mutig-radikal formulierten Darstellung von geschlechtlicher Liebe?
Handelt es sich nicht eher, wie der Bischof von Woolwich im Zeugenstand aussagte, um einen „Text, den alle Christen lesen sollten“? Was genau wirft man Constance Chatterley vor: ihre sexuelle Befreiung oder die scharfe Kritik an der britischen Gesellschaft? Im Verlauf des Prozesses entsteht Stück für Stück ein anderes Porträt von Lady Chatterley als eine Frau ihrer Zeit, die den ihr zugewiesenen Platz der Ehefrau und Adligen ablehnt und Freiheit anstrebt. Nach sechs Verhandlungstagen waren sich die Geschworenen einig: nicht schuldig! Ein Rückblick auf die Geschichte zeigt, dass dieser „Jahrhundertprozess“ die sexuelle Revolution mit in Bewegung brachte, die in den 60er Jahren erst England und schließlich ganz Europa erfassen sollte.
David Herbert Lawrence’ Roman schlug wie eine Bombe ein. Großbritannien befand sich nach dem Ersten Weltkrieg in einer wirtschaftlichen Krise. Viele Arbeiter hatten mit zunehmender Verarmung zu kämpfen. Dazu kam die Orientierungslosigkeit vieler Menschen, die sich nach dem Krieg nicht mehr zurechtfanden. Das „gute alte England“ existierte nicht mehr, und die Gesellschaft hatte noch keinen neuen Weg gefunden. Impulse von der Oberschicht des Landes blieben aus. Und dann dieser Roman, der wegen seiner erotischen Freizügigkeit sofort berüchtigt wurde: Das Buch erzählt die Geschichte von Lady Chatterley, die ihren kriegsversehrten Mann verlässt, um mit einem Wildhüter aus der Arbeiterklasse zusammenzuleben. D. H. Lawrence löste damit einen der größten Skandale der Literaturgeschichte aus; dies gleich aus zwei Gründen: zum einen, weil die junge Frau ihren Stand verrät und Klassenschranken missachtet, zum anderen, weil sie zu einer erfüllten Sexualität findet, was im puritanischen England verpönt war. Die freizügigen erotischen Szenen führten zu einem Veröffentlichungsverbot, das erst nach über 30 Jahren aufgehoben wurde. Die anderen Leitmotive des Romans – beispielsweise die Kritik an ungebremster Industrialisierung und am Kapitalismus – wurden zunächst kaum wahrgenommen.
Worum es geht beim Prozess?
Im jenem Jahr 1960 versucht der Verleger des Penguin Verlages einen großen und genialen Erfolg zu landen. Ein neues Gesetz hat gerade die Zensur gelockert. Danach durfte ein obszönes Buch erscheinen, wenn ein Gericht dem Werl literarische Qualität bescheinigt. Penguin nutzt die Gunst der Stunde und versucht erstmals in Großbritannien, 30 Jahre nach dem Tod des Autors David Herbert Lawrence, die Veröffentlichung von „Lady Chatterleys Liebhaber“.
Der Taschenbuchverlag Penguin setzte sich also 1960 provokant über neuere Gesetze gegen „obszöne Publikationen ohne literarische Qualität“ hinweg. Die sehr präzise formulierte Darstellung von geschlechtlicher Liebe, in Verbindung mit einem Plädoyer für die Natur – als im Buch genutzte Metapher für menschliche Sinn- und Natürlichkeit – erregte genauso Anstoß wie dargestellte sexuelle Befreiung und scharfe Kritik an der britischen Gesellschaft.
Penguin ließ elf Exemplare des Buches an eine Bahnhofsbuchhandlung ausliefern und erstattete, um ein Gerichtsverfahren