Schattensamt. Klara Chilla
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Klara Chilla
Schattensamt
Band 1
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Inhaltsverzeichnis
Prolog
Adam duckte sich unter einer plötzlichen Sturmbö. Unter der Kapuze seiner dichten Wachsjacke warf er einen skeptischen Blick auf das Wasser des Loch Linnhe. Die Wellen wurden immer rauer und hatten längst die Farbe von flüssigem Blei angenommen. Das Ufer der kleinen Insel von gegenüber verschwand nahezu vollständig hinter einem Vorhang aus schwerem Regen. Es wurde Zeit, dass er nach Hause kam.
Ein letztes Mal beugte er sich vor und nahm Ewe, seiner Setter Hündin, den Stock aus ihrem triefenden Maul. Begeistert kläffte das Tier, völlig unbeeindruckt von der Wetterlage und der Tatsache, dass ihr Fell bereits in dicken roten und weißen Strähnen am schlanken Körper klebte. Adam holte aus und schleuderte den Ast, soweit es bei dem Wind möglich war. In riesigen Sätzen sprang sie hinterher und stürzte sich in das Wasser, während Adam die Jacke fester um seinen Hals zog und sich auf den Weg zu seinem Auto machte. Ewe würde schon von alleine nachkommen. Doch als er gerade den Schlüssel in das Türschloss steckte, hielt er inne. Der Klang ihres Kläffens hatte sich verändert. Aus dem fordernden Bellen, das sie von sich gab, wenn sie spielen wollte, war ein aufgeregter Laut geworden. Besorgt sah er auf und kniff die Augen zusammen. Ewe stand mit den Pfoten im seichten Wasser des Uferbereichs, das aufgebracht gegen das Land stürmte, und bellte etwas an, das unmittelbar vor ihr lag. Seufzend steckte Adam den Schlüssel wieder in seine Jackentasche und ging neugierig zu dem Hund, der mit seinem völlig durchnässten Körper das Fundstück verdeckte.
»Na, meine Kleine, was …« Seine Stimme erstarb. Dann fluchte er laut und stürzte vor, als er sah, was Ewe aus dem Wasser gezogen hatte. Ein nacktes Baby lag wimmernd auf dem von harten Kieselsteinen bedeckten und Wasser umspülten Boden.
Adam riss sich die Jacke vom Körper und schlug das Baby in den dicken Stoff ein wie in eine Decke. Dann presste er es behutsam gegen seinen Oberkörper und rannte, so schnell er konnte zum Auto.
Kapitel 1
Mehr als gelangweilt starrte ich durch das Fenster an meiner Seite unseres Wagens und gab mich ganz der Musik hin, die in gerade noch erträglicher Lautstärke durch die Kopfhörer direkt in meinen Verstand hämmerte. Ich hatte so gar keine Lust auf diesen Urlaub. Wer war nur auf die Idee gekommen, die Ferien ausgerechnet in Schottland, irgendwo im nirgendwo, zu verbringen? Jede andere vernünftige Familie fuhr in den Süden nach Mallorca oder nach Griechenland. Aber nein, meine Eltern wollten es mal wieder anders machen. Wie das nervte.
Noch mehr nervte mich, dass ich selbst schuld war. Meine Eltern hatten mir angeboten, mit einer Freundin auf eine Jugendreise zu gehen. Meine beste Freundin Julia hatte Prospekte angeschleppt und Vorschläge gemacht. Ich hatte mich zwischen den ganzen Angeboten nicht entscheiden können. Mal wieder. Damit war dann das Vorhaben gescheitert, und ich ärgerte mich seitdem. Der Landschaft um mich herum gönnte ich bewusst keinen einzigen Blick, was nicht einfach war. Denn meine Mutter fiel bei jedem Berg, den sie sah, und das waren nicht wenige, beinahe in Ohnmacht vor Begeisterung, während mein Vater geduldig sich um jede Kurve der schmalen Landstraßen schlängelte und mein Bruder nebenan mit der Kotztüte spielte, die er für sogenannte Notfälle neben sich liegen hatte.
Ich verdrehte die Augen und begegnete den fragenden Blicken meiner Mutter, die sich auf ihrem Sitz herumgedreht hatte.
»Was?«, fragte ich und zog missmutig die Stöpsel aus meinen Ohren.
»Weißt du, du hast dir wirklich selbst zuzuschreiben, dass du jetzt mit uns hier bist. Also pack deine schlechte Laune irgendwo anders hin, Klara. Hast du mich verstanden?«
Na toll. Das fing ja wirklich gut an. Aber sie hatte Recht. Ich machte es nicht besser, wenn ich mir die nächsten Wochen einfach nur selber leidtat. Also nickte ich lahm und wollte mich wieder in meine Musik zurückziehen. Doch meine Mutter war noch nicht fertig.
»Loretta sagt, wir sind gleich da. Sollen wir noch vorher im Supermarkt einkaufen oder möchtest du lieber direkt zum Ferienhaus?«
»Oh nein, nicht direkt einkaufen. Ich will jetzt endlich in mein Zimmer.«
»Ich will auch nicht erst einkaufen. Ich will erst das Haus sehen«, maulte mein Bruder und presste die Kotztüte zusammen.
»Na gut, dann machen Papa und ich das später.« Meine Mutter setzte sich wieder richtig hin, unerschütterlich in ihrer guten Ferienstimmung. Ich seufzte und wollte mich gerade wieder in meine Musik absetzen, als die roboterhafte Stimme unseres Navigationsgerätes erklang:
»Links abbiegen in die Schtewensohns Haus.«
Meine Eltern lachten