Natürliche Rache. Schuldig. Julia.. B. L. Rámiz
etwas ganz Wichtiges geschehen sein musste.
»Klar! Du wirst keine Zeit gehabt haben zu sehen, was passiert ist! Ihr wohnt weiter weg!«, rief Carlos aus. »Moore und der Präsident sind tot!«
»WIE!!?« Julia war fassungslos. »Wenn das ein Witz ist, dann ist er nicht lustig.«
»Im Ernst!«, sagte Carlos sehr aufgeregt. »Moores Chihuahua hat beiden die Halsschlagader aufgerissen und eine weiße Taube hat ihnen mit dem Schnabel die Augen ausgepickt!«
»Chihuahuas und Halsschlagader, Tauben und ausgepickte Augen ... Hast du etwa schon Marihuana geraucht?« Julia bat ihn immer, nicht zu kiffen, wenn sie etwas vorhatten, wo sie konzentriert sein mussten.
»Ich weiß, es klingt wie eine Facebook-Lüge! Aber es ist wirklich wahr! Alles ist live passiert!« Carlos erkannte, dass es für diejenigen schwer zu glauben sein musste, die es nicht gesehen hatten und deshalb nahm er sein Smartphone heraus, um ihr das Video zu zeigen.
»Und jetzt zeigst du mir einen von deinen Fakes«, sagte Julia gelangweilt. »Komm schon, hör auf mit diesem Unsinn und lass uns einen Blick auf den Konferenzablauf werfen.«
Aber Carlos hielt bereits das Video vor sie. Julias Gesicht war ein Gedicht: Zuerst lächelte sie leicht, dann verzog sie ihr Gesicht angewidert und drehte den Kopf zur Seite, als wollte sie es nicht mehr sehen. Aber es schien wahr zu sein. Er nahm sein Smartphone und suchte nach Nachrichten über den Empfang von Izan Moore, musste jedoch nur den Buchstaben ›I‹ eingeben, damit Google ›Izan Moore‹ als wahrscheinlichste Suche anzeigte. Er wählte eine der Nachrichten mit gerunzelter Stirn.
»VERDAMMT! ABER WAS ZUM TEUFEL?« Sie flippte völlig aus. »ES IST WAHR!«
»Überall auf der Welt wird über nichts anderes geredet! Deshalb war ich spät dran!«, sagte Carlos. »Die Taube und der Chihuahua wurden eingeschläfert, sobald die Leibwächter den Schock überstanden hatten«.
»Echt übertrieben! Oder?«, sagte Julia, aber das Gesicht ihres Freundes gab ihr zu verstehen, dass sie sich genauer erklären musste. »Ich meine nicht den Tod des Hundes oder der Taube! Auch nicht den dieser beiden Hurensöhne! Und obwohl ich denke, dass sie der Welt einen Gefallen tun, indem sie tot sind, wünsche ich niemandem einen so schrecklichen Tod.«
»Die Wahrheit ist, dass es ziemlich seltsam war. Man kann es im Video nicht sehen, aber der Chihuahua wollte in den Rosengarten und als er wieder eintrat, tat er es mit dieser Taube«, erklärte Carlos. »Da kamen schnell Theorien über trainierte Tauben auf.«
»Wer trainiert Tauben darauf, den Leuten die Augen auszustechen?«, fragte Julia und rümpfte dabei ihre Nase.
»Und das Seltsamste: Wer kann Tauben dazu trainieren, einen Chihuahua davon überzeugen zu können, Halsschlagadern aufzureißen?« Carlos schien an die schwierigste Frage in diesem Dilemma gekommen zu sein.
»Es spielt keine Rolle, wie auch immer, sie sind tot. Besser so.« Julia hielt die Angelegenheit für erledigt. »Jetzt werden wir den Ablauf checken.«
»Wie langweilig! Wir kennen den doch schon auswendig! Gestern haben wir mehr als drei Stunden damit verbracht, ihn durchzugehen«, beklagte sich Carlos.
Die Reise verlief zwischen Lachen und Beschwerden auf beiden Seiten. Am Ende gingen sie nichts durch, aber sie sprachen über die Pläne, die Julias Vater und Bruder hatten. Sie lasen ein bisschen und hörten Musik, bevor sie in einen tiefen Schlaf fielen.
»Leute, entschuldigt« Ein Schaffner klopfte zweimal auf Julias Schulter, die auf dem Sitzplatz am Gang saß. »Ihr habt Glück gehabt, dass ich hier vorbeikomme, der Zug ist gerade in Málaga angekommen und fährt gleich weiter.«
»Scheiße! Entschuldigung!« Julia sah den Schaffner etwas verlegen an. »Möchten Sie unsere Fahrkarten sehen?«
»Nein, danke, sie liegen auf dem Tisch, also habe ich sie bereits gesehen und euch weiterschlafen lassen«, antwortete der Schaffner lächelnd. »Auf geht´s! Raus jetzt!«
Die beiden jungen Leute packten ihre Taschen, nachdem sie sich beim Schaffner bedankt hatten und stolperten durch die Tür des Wagons, durch die sie eingestiegen waren. Das Hotel, in dem sie diese zwei Nächte verbringen würden, war ganz in der Nähe des Bahnhofs ›María Zambrano‹, also gingen sie zu Fuß. In Málaga war der Himmel etwas klarer, aber gemessen an der Richtung der Wolken schien es, als würden sie diesen bis Ende des Nachmittags vollständig bewölken.
Sie kamen im Hotel an, legten ihre Ausweispapiere vor, um für die Unterkunft einzuchecken und gingen auf ihr Zimmer. Es war ein einfaches Zimmer in einem billigen Hotel, das mit Gemeinschaftsbädern ausgestattet war. Sie verstauten ihre Kleidung in dem kleinen Schrank und steckten ihre Rucksäcke unter das Bett. Dann meldeten sie sich bei ihren Familien, dass sie sich bereits eingerichtet hatten und gingen nach draußen, um etwas zu essen.
Es fing an zu regnen, also gingen sie schneller, um einen Platz zum Essen zu finden, bevor es schlimmer werden würde. Ein Mann vor ihnen ging sehr langsam und führte einen Hund an der Leine. Er schrie ihn an.
»VERDAMMTER SCHEISSKÖTER! PISS JETZT! ES WIRD REGNEN!« Julia und Carlos sahen sich an und machten ein wütendes Gesicht. PISS VERDAMMT NOCHMAL, ICH WERDE KLATSCHNASS!« Als er das sagte, riss der Mann fest an der Hundeleine, so dass der Hund aufschrie.
Julia und Carlos wollten gerade eingreifen, als eine Möwe schnell herabstieg und dem Hundebesitzer auf seiner Glatze einen Kratzer verpasste. Er beschimpfte den Vogel ein paar Mal und riss dann wieder an der Leine. Die Möwe kratze ihn noch mehrmals und der Mann, etwas verängstigt, packte den Hund und rannte davon.
»Er hat es verdient!«, rief Julia aus. »Wir sollten jedoch vorsichtig sein, einige Möwen verteidigen ihr Gebiet.«
»Ihr Gebiet? Wir sind im Zentrum von Málaga!«, rief Carlos aus.
»Ich weiß nicht, ich schätze, sie ist desorientiert. Die Fauna spielt verrückt mit der Umweltverschmutzung und dem Klimawandel«, sagte Julia und wischte sich mit dem Ärmel ihrer Bluse das Gesicht ab. »Wir werden klitschnass! Genau hier!«
Sie gingen in eine Bar, in der mehr junge Leute waren und bestellten ein paar vegetarische Sandwichs. Dann gingen sie zurück ins Hotel, um sich auszuruhen.
Am nächsten Tag hatten sie die erste Umweltkonferenz, die sich mit ›Der kurzfristigen Nicht-Nachhaltigkeit des Fleischkonsums‹ befasste.
Nach der Konferenz gingen sie auf ihr Zimmer zum Essen, ihre Mutter hatte ihnen einen grünen Salat mit Tofu und Pilzen zubereitet. Eine Nachricht ihres Vaters teilte ihnen mit, dass er bereits in Madrid angekommen war und dass Alex seinen Weg nach Asturien bereits fortsetzte.
Als sie zum Hotel gingen, kamen sie an einem kleinen Park vorbei, in dem scheinbar gebaut wurde. Ein Stadtarbeiter hielt eine Kettensäge. Zuerst dachten Julia und Carlos, er würde einige Äste abschneiden, aber dann sahen sie, wie er die Kette des Geräts an den Stamm ansetzte.
»Entschuldigen Sie, hören Sie mal. ENTSCHULDIGUNG!« Julia musste schreien, um trotz des Motorgeräuschs gehört zu werden. Der Arbeiter sah sie an. »KÖNNTEN SIE DIE FÜR EINE SEKUNDE AUSSCHALTEN?«
»Hallo, sorry, ich konnte dich mit dem Lärm nicht hören. Was gibt es?«, fragte der Arbeiter sie freundlich.
»Nun, ich habe gesehen, dass Sie den Baum fällen werden, aber er sieht nicht krank aus, dürften wir wissen warum?«, fragte die Tochter der Smiths mit ihrem amerikanischen Akzent.
»Nun, es ist eine Schande, ich war selbst dagegen, aber natürlich, der Chef sagt, was Sache ist«, begann der Mann im braunen Overall zu erklären, während er die Kettensäge hielt. »Eine Baufirma hat dem Gemeinderat Millionen für diesen Park gezahlt, sie werden hier Luxusbüros bauen.«
»HURENSÖHNE! Kann da nichts getan werden?«, fragte Carlos und trat zwei Schritte vor.
»Glaubt mir, ich bin genauso sauer wie ihr, aber wenn es um finanzielle Interessen geht, sind Grünflächen weniger wichtig als Scheiße«, sagte der Arbeiter, bevor er die Kettensäge erneut