JETZT BIST DU WEG! DIE ABRECHNUNG. Monika Bonanno
zur Arbeit, was ist mit der DNA-Analyse, gibt es schon Ergebnisse?“
Maria-Lia ließ sich ihre Enttäuschung nicht anmerken und deutet auf den großen Glasmonitor, auf dem die Vergleichs- und Suchvorgänge abliefen. „Wie du siehst, es läuft, kann noch ein Weilchen dauern. Ich gebe dir Bescheid, wenn wir Ergebnisse haben.“
„Danke, wo ist eigentlich meine Schwester?“ Christians Halbschwester Nadine machte gerade ihr Praktikum in der Gerichtsmedizin und war Maria-Lia unterstellt.
„Sie ist zum Tatort gefahren, um den Kollegen bei der Spurensicherung zu helfen.“
Er erwiderte: „Spurensicherung vor Ort passt aber nicht zum Vorpraktikum des Medizinstudiums.“
„Ja okay, aber sie wollte unbedingt mitgehen“, erklärte sie. „Warum auch nicht, man muss alle Facetten mal kennenlernen.“
Er überlegte, was sollte schon daran falsch sein. Eigentlich war es ihm auch egal, er wollte nur wissen, ob sie mit seiner Schwester zufrieden war, und fragte sie explizit danach.
Maria-Lia verdrehte die Augen und antwortete: „Ja Chris, wenn du es genau wissen willst. Sie passt hier nicht rein, ganz und gar nicht. Sie ist nicht gewissenhaft und auch noch zimperlich. Bei der Obduktion hängt der Mundschutz auf ihrem Kinn und sie zieht einfach die Handschuhe aus, weil sie das ganze Gummizeug nervt. Von Desinfektionsmitteln hält sie gar nichts und trotz Tigerbalsam beschwert sie sich ständig, dass der Gestank unerträglich sei.“
„Finde ich im Moment gar nicht so schlimm. Aber gut, jeder Mensch ist anders. Du musst halt mal mit ihr reden wegen der Sicherheitsvorschriften bezüglich Mundschutz, Handschuhe und so“, schlug er vor.
Sie zuckte die Schultern. „Das ist ja nur das kleinste Übel. Stell dir vor, deine Schwester hat auf die Leiche gekotzt. Einfach so, ein wenig blass im Gesicht und einen Würgereiz, dann die volle Soße frontal auf den Kerl. Das war vielleicht eine Sauerei, ihn wieder einigermaßen sauber zu bekommen. Zudem haben wir somit ihre ganze DNA auf dem Opfer. Wie sollen wir das trennen? Alles ist komplett versaut.“
Er lächelte und versicherte ihr, dass jedes Praktikum auch mal ein vorhersehbares Ende habe.
„Hoffentlich, ich kann es kaum abwarten. Das hat nichts mit ihrer Person zu tun, verstehe mich da nicht falsch“, sagte sie.
„Nein, kein Problem. Vielleicht überlegt sie es sich noch einmal mit dem Medizinstudium.“
„Wie auch immer, unser netter Mensch hier unter dem Laken ist ja schon identifiziert. Ihr habt alle personenbezogenen Daten?“
Christian nickte und deutete auf die schwarze Rose, die auf dem Seziertisch lag. „Was ist das?“
„Die lag zwischen seinen abgeschnittenen Eiern“, antwortete sie kurz angebunden. „Nun, ich schick dir dann eine WhatsApp, wenn die DNA-Analyse durch ist und du sie einsehen kannst“, beendete die Gerichtsmedizinerin abrupt das Gespräch und begleitete ihn demonstrativ zur Tür.
Ihm war das mehr als recht. Diese unangenehme Situation und ihre beleidigte Stimmung ließ ihn mit einem erleichterten Seufzer die Tür zuziehen. Er überlegte, ob er das nächste Mal lieber einen Kollegen in die Gerichtsmedizin schicken sollte.
Als er im Auto saß, machte sich sein Smartphone bemerkbar. Er schaute darauf und sah ein Bild mit rosa Hintergrund und den Worten in blutroter Schrift: „Ich liebe Dich, mein Engelsgesicht.“
„Maria-Lia kann es nicht lassen, habe ich mich nicht deutlich genug ausgedrückt?“, schimpfte Christian. Er löschte die Nachricht, dann erst kam ihm das Bild merkwürdig vor. Das passte überhaupt nicht zu ihr.
4. Kerstin
„Meine Mama hat uns zum Essen eingeladen“, erklärte Kerstin ihrer Lebensgefährtin Rosa, als diese von der Arbeit nach Hause kam.
„Ja gut, wann denn?“, fragte Rosa müde.
„Heute Abend um acht Uhr.“
„Ach Schatz, so kurzfristig, eigentlich hatte ich mir den Abend ganz anders vorgestellt."
Ich auch, aber ich habe schon zugesagt. Kommt ja nicht so oft vor“, sagte Kerstin aufmunternd.
„Findest du, dass das eine gute Idee ist, möchtest du nicht lieber alleine gehen?“, fragte Rosa. „Deine Mutter schaut uns immer an, als wären wir von einem anderen Stern.“
Kerstin strich ihr zärtlich das lange blonde Haar aus dem Gesicht und küsste herausfordernd ihre Lippen. Dann stellte sie noch einmal klar, dass ihre Mutter Rosa sehr gern hatte und die Liebe zwischen zwei Frauen zwar nicht verstand, aber akzeptierte.
„Gut, dann gehe ich jetzt mal duschen, damit wir pünktlich sind. Kommst du mit?“, fragte Rosa, aber Kerstin meinte schmunzelnd: „Na, dann wissen wir ja, wie das gemeinsame Duschen wieder ausgeht. Sicher kommen wir so nicht rechtzeitig zum Familientreffen.“
„Wie Familientreffen, wer kommt denn noch?“
Sie antwortete, dass nur ihre Geschwister Christian und Nadine da sein werden. Ihr Stiefvater war noch mit seinen Projekten beschäftigt und Eva konnte wegen der Zwillinge nicht weg, da Sven einen Abendtermin hatte.
„Na fein, dann gehe ich jetzt alleine unter die Dusche“, sagte Rosa und machte einen Schmollmund, „ohne dich.“
Kerstin lachte und versprach ihrer Lebensgefährtin für den nächsten Abend ganz viel stimmungsvolle Zweisamkeit.
Während ihre Freundin unter der Dusche stand, zog sie sich an, dann kümmerte sie sich vor dem Kosmetikspiegel um ein dezentes Make-up. Ihre braunen Augen bekamen einen warmen Glanz. Ja, Rosa war die Frau, die sie über alles liebte. Niemals hätte sich Kerstin einen männlichen Partner in ihrem Leben vorstellen können. Alle Männer, mit Ausnahme ihres Bruders, kamen ihr auf eine unerklärliche Weise suspekt vor. Erklären konnte sie diese Ansicht nicht, aber das war ja auch nicht wichtig, sie hatte ja Rosa. Ihre Familie musste das einfach respektieren.
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Um zehn nach acht standen die beiden Frauen vor Sabrinas Tür.
Nadine öffnete und begrüßte sie mit einem Kuss auf die Wange.
„Na du Leichenfledderin, wie geht es dir?“, fragte Kerstin.
Nadine rümpfte die Nase. „Frag lieber nicht. Hat Christian gepetzt?“
Kerstin nickte. „Ja klar.“
„Sieht ihm ähnlich, er kann seinen Rand nicht halten. Mama ist in der Küche, es gibt Schweinebraten mit Klößen und Rotkohl. Viel zu schwer für den Abend, wenn du mich fragst“, sagte sie abfällig. „Ich glaube, mir wird schon wieder schlecht.“
„Schwanger?“, fragte Rosa leichthin.
„Nein ganz bestimmt nicht, ohne männliche Einwirkung wäre es ein Wunder der Natur“, antwortete Nadine und rannte zur Toilette.
Kerstin und Rosa betraten die große modern eingerichtete Wohnküche. Sabrina holte gerade die fertigen Klöße aus dem Topf und Christian deckte den Tisch. „Na ihr Turteltäubchen, schön, dass ihr es einrichten konntet“, begrüßte er sie.
Als sie am Tisch vor dem leckeren Essen saßen, wollte Kerstin von Christian wissen, was für einen Fall er gerade bearbeitete.
„Ist vielleicht jetzt nicht so passend“, bemerkte er, aber sie meinte: „Egal, wir sind nicht so zimperlich.“
Er erzählte diskret von dem Mord an dem Mann, aber passte mit seiner Wortwahl auf. Schließlich wollte er das Tischgespräch nicht mit ekligen Details verderben.
„Habt ihr auch schon die gerichtsmedizinische Untersuchung abgeschlossen?“, wollte Kerstin wissen.
„Na, das ist nicht so einfach. Dank unserer lieben Schwester, die sich mitten in der Obduktion mal einfach so auf die Leiche übergibt.“
Nadine