Der feuchte, amerikanische Traum. Lucian Vicovan

Der feuchte, amerikanische Traum - Lucian Vicovan


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      Fabunni zierte sich nur kurz und nur für den Anschein, dann schritt sie entschieden auf das Pult zu und griff mit ihrer dicken Hand nach dem Mikro. Sie flüsterte dem Kerl, der am Pult stand, etwas zu, worauf dieser nickte. Die Projektion an der Wand wechselte und drei Punkte erschienen auf einem grünen Hintergrund. Die Musik setzte ein und wurde auf die wütenden Handzeichen Fabunni´s hin lauter gedreht. Dann erschienen die Worte auf die Wand und die Stimme Fabunni´s, die sich vorgenommen zu haben schien, das Hochhaus, in dem wir uns befanden, in seinen Grundfesten zu erschüttern, setzte ein. Ihre Clique fand es gut, sie tanzten und ermutigten sie. „Yes babe. Show them babe! You got it!” Der Junge saß auf einem Barhocker, klatschte unaufhaltsam in die Hände und setze ein Gesicht auf, als ob ihm jemand einen Eimer kaltes Wasser über den Kopf geschüttet hatte. Dieser ganze Zirkus kulminierte im Refrain des Liedes, in dem uns Fabunni glatt belog.

      “Don´t be fool by the rocks that I´ve got, I´m still, I´m still Jenny from the block!” plärrte sie schamlos und überforderte die armen Boxen. Mein ohnehin schon vom langen Flug und der Zeitverschiebung geplagtes und vollkommen trübes Gehirnwasser, hielt mich davon ab, Fabunni, lass den Scheiß! zu schreien. Ich schien ohnehin der einzige zu sein, dem das Dargebotene plagte. Sogar Maria, die hinter der Bar stand, klatschte hemmungslos im Takt und sang abschnittsweise sogar lautstark mit.

      Nun, ihr würde ich die Sache mit Jenny from the block auch eher abkaufen. Ihre kubanischen Wurzeln schienen sie mit all den Vorzügen, die eine Latina auszeichnet, gesegnet zu haben. Ihr fehlte nur die Größe Jennys. Doch Fabunni... lassen wir das, denn ich bin mir der Gefahr bewusst, in die man geraten kann, wenn man anfängt sich über Äußerlichkeiten anderer auszulassen - sie war aber ein richtig großes Exemplar Mensch.

      Wie das Meiste im Leben endete auch der Song nach einer Weile und ich konnte wieder aufatmen und drei weitere Bier bestellen. Eines für sofort, eines, um es schnell auszutrinken und eines, um gemächlich daran zu nuckeln.

      „Was für eine starke Stimme, findest du nicht auch Luczizcki?”

      „Und wie. Darf ich bitte drei Bier haben?”

      „Hat sich in der Hinsicht also nicht viel getan bei dir, Luczizcki, was?”

      „Bei dir scheint die Zeit auch stehen geblieben zu sein, Maria, du siehst immer noch so gut wie eh und je aus.”

      „Ach du Schleimer, ich danke dir trotzdem, ich brauche solche Worte, es ist bei mir leider zu vieles passiert in letzter Zeit, ich kann es auch kaum erwarten dir alle Einzelheiten zu erzählen.”

      Vor Einzelheiten fürchtete ich mich, es muss doch eine Möglichkeit geben, viele Einzelheiten zusammenzulegen und daraus eine Kurzfassung zu machen. Zusammenfassung - das war der Name dafür. Es gibt sogar eine Bezeichnung dafür! Ich nahm mir vor, diesen Gedanken auszusprechen, sobald es dazu kam, dass sie mich mit den Einzelheiten konfrontieren wollte. Vorerst stellte sie mir drei Flaschen Corona auf die Bar, was den Redebedürftigen von seinem Beobachtungsposten in der Mitte der Bar erweckte.

      „Du bist nicht von hier, Amigo!” Damit beging er innerhalb eines Augenblicks zwei Kapitalverbrechen. Erstens sprach er mich unerwünscht an, zweitens wählte er die Redewendung, die man im Spanischen für das Wort Freund benutzt. Dass er mich demzufolge auch als Latino abgestempelt hatte, konnte ich ihm noch leichter verzeihen. In Europa, oder zumindest in Österreich, fühlt sich keiner davon angegriffen, sondern eher geschmeichelt.

      Auf mein Schweigen hin, insistierte er mit einer neuerlichen Frage über meine Herkunft - er schien aufs Ganze gehen zu wollen. Das Glas, welches er mit beiden Händen krampfhaft drückte, war leer, ein Eisblock deutete auf irgendwas on the rocks hin, seine Augen auf bis dato viel mehr als nur eines davon.

      „Aus Österreich. Wien, um genauer zu sein.”, sagte ich und fühlte mich sofort von diesem Pärchen, welches mir versprochen hatte, dass sich hier keiner um mich kümmern würde, geradewegs verarscht.

      „Ach Österreich!“ (In Wahrheit sagten wir beide Austria) „Konrad Lorenz!”, sagte er, ließ den Kopf zur Brust fallen und schüttelte ihn so, als wäre er mit meiner Herkunft nicht einverstanden.

      „Julian Baumgartlinger!”, antwortete ich und begann gefallen an diesen Namensspiel zu finden.

      „Was hast du gesagt?”, fragte er mich und ließ seinen Kopf nach oben schellen.

      „Julian Baumgartlinger, was hast du gesagt?”

      „Konrad Lorenz!”

      „Ach so.” Sollte ich so tun, als ob ich diesen Konrad kannte, würde ich das Spiel gewinnen, bildete ich mir ein.

      „Wer ist dieser Julian?”, fragte er mich verwirrt. Die erste Runde war also entschieden, der Punkt gehörte mir.

      „Das ist unser Abräumer und Motor im Mittelfeld, der Kerl hat Lungen wie vier Ochsen und eine Aga-Kröte zusammen. Der läuft alles in Grund und Boden. Nachdem der Schiedsrichter das Spiel abpfeift, muss er noch zwei Runden um das Stadion laufen, um endlich anhalten zu können.”

      Mein Gegenüber folgte meiner Ausführung anfangs nur mit weit geöffneten Augen, dann fiel seine Kinnlade herunter, danach schaute er in sein Glas, schüttelte es, wobei das typische Geräusch von Eisblock gegen Glas ertönte. Maria war sofort zur Stelle.

      „Dasselbe?”

      „Ja, und für meinen Freund was auch immer er trinkt.”

      „Der Luczizcki trinkt immer drei Bier auf einmal.”, sagte Maria lachend.

      „Dann stell ihm drei Bier hin!”

      Sie sah verschmitzt zu mir herüber und zwinkerte mir zu. Nun fand ich mich in einer festgefahrenen Lage, ich würde mich von jetzt an wohl oder übel mit diesem Konrad Lorenz unterhalten müssen.

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