Die Liebesbotschafterin. Andreas Menne Peter
einer der großen Klötze, sondern eher ein kleiner Klotz. Trotzdem ist er noch riesig. Ich habe die geschmacklose Inneneinrichtung mit einigen eigenen, hilflosen Designakzenten weiter ruiniert. Ein guter Makler würde seinen Kaufinteressenten erst gar nicht die Tür öffnen, sondern sie mit einem Blick von außen abspeisen, mit dem Hinweis darauf, dass es eine Frage der Barmherzigkeit sei, dieses Haus zu erstehen, nicht des Geschmacks.
Der Residenzgarten. Früher war ich öfter hier, aber irgendwann hat man »das Feld abgegrast«, außerdem ist mir die freie Natur lieber. Genau dort findest du deinen nächsten Hinweis. Wenn du von Würzburg aus nach Zellingen fährst und direkt nach dem Ort in den Parkplatz einbiegst, stehst du am Anfang einer Wanderroute. Dort findest du ein Hinweisschild. Grab hinter diesem hölzernen Pfeiler ein 15 Zentimeter tiefes Loch und du hast deinen nächsten Hinweis.
PS: Nimm eine kleine Gartenschaufel mit, du tust dir leichter.
PPS: Du bist toll.
Michael ließ das Pergament wieder sinken. Zellingen also. Der Ort sagte ihm etwas. Er gab ihn in sein Navigationsgerät ein. 25 Kilometer von hier. Sollte er sofort weitermachen? Er dachte darüber nach, ob er, warum er eine Pause machen sollte. Nur um sich zu erholen? Aber erholen würde er sich nicht, weil er den Gedanken nicht loslassen konnte, also machte er weiter.
Er fuhr zunächst einen Baumarkt an. Vielleicht war es unnötig, aber wer wusste, wie hart die Erde wirklich war. Außerdem sollte er sein Werkzeug kaufen. Einem Gärtner würde er diesmal ganz sicher nicht begegnen, zudem hatte er genug Nervenkitzel für einen Tag.
***
Er hatte die Auswahl zwischen fünf Modellen:
Eine Gartenschaufel mit Rundspitze von Wolf.
Eine Gartenschaufel mit Rundspitze von Gardena.
Eine Gartenschaufel mit Rundspitze von Der Gartenfreund.
Eine Gartenschaufel mit Rundspitze von Obi Eigenmarke und
eine Gartenschaufel de luxe mit ergonomischen Griff und Rundspitze von Green Tools.
Er entschied sich für die Eigenmarke. Die war am günstigsten. Dann fuhr er auf direktem Weg zum Zielort.
***
Es war, wie sie es geschrieben hatte: Ein Parkplatz, ein ausgeschilderter Wanderweg und – wie er sich erhofft hatte – nichts los. Er parkte direkt neben dem Schild, nahm die Schaufel vom Beifahrersitz und eilte zu dem Holzpfeiler. An dieser schattigen Ecke war die Erde noch feucht, obwohl es seit fünf Tagen nicht geregnet hatte. Er musste mit dem Fuß nachhelfen, um die Schaufel einigermaßen tief in die Erde zu bringen. Den ausgehobenen Brocken überprüfte er auf den gewünschten Inhalt. In ein Tütchen hatte sie die Nachricht diesmal wohl kaum gesteckt, dachte Michael. Sonst bestand die Gefahr, dass sich Mäuse oder anderes Getier daran zu schaffen machten.
Nach fünf weiteren ausgehebelten Erdhaufen stieß er auf etwas Hartes. Er versuchte um den Gegenstand herumzupulen und schließlich gelang es ihm, das eiförmige Etwas nach oben zu katapultieren. Er pflückte die Erde von dem Gegenstand und hielt schließlich ein Plastikei, wie man es aus dem Kaugummiautomaten kannte, in der Hand. Sie hatte die Sache wieder gut durchdacht.
Er schaufelte das Loch noch zu, packte sich die Schaufel und ging zurück zum Wagen. Diesmal hatte er nicht das Gefühl, das Gelände überstürzt verlassen zu müssen. Es würde ihm kaum einer einen Vorwurf machen, dass er ein bisschen in dieser Erde rumgewühlt hatte. Er öffnete das Ei und entfaltete den Zettel.
Sechste Nachricht
So langsam sollten wir uns als Bekannte bezeichnen, oder? Du hast in der Erde gewühlt, einen Stein im Residenzgarten ausgehebelt, Bücher gewälzt, im Internet recherchiert. Viel Aufwand für ein paar Zeilen auf Papier. Dabei hab ich dir nichts verraten, was man nicht auch völlig unverfänglich bei einem bedeutungslosen Plausch von sich geben würde.
Ich will das ändern. Ich möchte dir etwas mitteilen, das ich noch niemandem verraten habe: Ich bin einsam. Ich habe kein Problem mit dem Alleinsein, ich habe ein Problem mit der Einsamkeit. Verstehst du, was ich meine? Es ist besser, sich mit niemandem zu umgeben, als mit zehn Leuten zusammen zu sein, die einen nicht verstehen. Der Gedanke, dass jemand neben mir liegt, der mir fremd ist, erschreckt mich. Selbst wenn ich alles über ihn weiß.
Ich frage mich, wer du bist. Weißt du es? Wenn nicht, hör auf nach mir zu suchen. Such dich selbst.
Wenn ja, findet du hier deinen nächsten Hinweis: Im Würzburger Parkhaus am Hauptbahnhof. Zweite Etage, hinter dem Parkscheinautomaten oberhalb des Betonsockels innerhalb der Dichtungsmasse, die den Automaten auf dem Sockel hält.
Pass auf die Kamera auf.
Na, das Mädchen hatte wirklich Nerven. Was für absurde Verstecke! Andererseits: Wenn er darüber nachdachte, dann schien es ihm wahrlich nicht einfach, Hinweise irgendwo unterzubringen, wo sie die Zeit überdauern konnten und von niemandem gefunden wurden. Erde wurde umgegraben, Gebäude abgerissen, Systeme umgestellt, Bücher aussortiert. Man musste schon genau überlegen, wo man einen Hinweis platzierte, ohne dass er nach kürzester Zeit verloren ging.
Einen Moment lang hatte er Angst, dass vielleicht einer der Hinweise abhandengekommen sein könnte. Sofort würde seine Informationskette abreißen und er würde sie nie finden. Er versuchte den Gedanken zu verscheuchen. Sie würde schon vorgesorgt haben.
***
Er fuhr zurück in die Stadt und ins Parkhaus am Bahnhof. Im zweiten Stockwerk stand kaum ein Auto. Keiner wollte sein Fahrzeug der prallen Hitze aussetzen, wenn es nicht sein musste. Er näherte sich dem Parkscheinautomaten aus westlicher Richtung. Die Kamera filmte in Richtung Osten die Ereignisse, welche vor dem Parkscheinautomaten vonstattengingen. Aber er konnte sich von hinten nähern und den Zettel unbemerkt herausziehen. Zwar glaubte er nicht, dass irgendjemand Notiz davon nahm, wenn er ein bisschen am Automaten fummelte – die Gefahr war beim Verstecken des Hinweises sicherlich größer gewesen – aber er wollte kein Risiko eingehen.
Er lief um den Parkscheinautomaten herum, lugte in den Spalt zwischen Automat und Treppenaufgang und erkannte die eingedrückte Ecke in der Gummidichtung. Er fummelte mit zwei Fingern darin herum, bekam aber nichts zu fassen. Die Spalte war einfach zu klein. Alsbald musste er sich eingestehen, dass es so keinen Sinn hatte. Er brauchte Werkzeug. So verließ er das Parkhaus und lief in die Stadt. Das Erste, was er sah, war ein Drogeriemarkt. Er würde sich dort eine Pinzette kaufen. In der Kosmetikabteilung wurde er fündig. Die Augenbrauenzupfpinzette im Lederetui für 5,99 Euro. Wucher! Aber er hatte keine Wahl, also ging er damit zur Kasse.
Er hatte den Eindruck, dass ihm die Kassiererin argwöhnte, aber vielleicht täuschte er sich auch. Ihm konnte es egal sein. Er machte sich rasch auf den Weg zurück ins Parkhaus. Die Pinzette hatte er unterwegs entpackt, nun bohrte er auf Verdacht in der dunklen Öffnung herum. Da, er hatte ihn!
Rasch ging er zurück zu seinem Wagen, stieg ein und entfaltete das Papier.
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