Die Collide-Lovestory. Celine Ziegler
ein riesiges Missverständnis."
Scar geht zur Tür und öffnet sie, während ich noch immer wie ein Häufchen Elend im Raum stehe und auf ein Wunder hoffe. Verliere ich gerade ernsthaft meine beste Freundin, wegen so einem Arschloch und einer - anscheinend - verlogenen Amber?
"Scar, bitte...", bettle ich. Ich merke, wie mir ein riesiger Kloß im Hals wächst. Dieses Wochenende war doch schon von Anfang an dazu bestimmt, komplett zu eskalieren, wieso sollte es also jetzt anders enden? Ich denke, dass ich jetzt an einem Punkt angekommen bin, an dem ich nicht mehr an mich halten kann.
"Geh Ravely", sagt Scar, ohne mich anzusehen und hält mir die Tür auf.
Ich nicke nur ergeben und gehe an ihr vorbei in den Flur. Ich versuche nicht mal mehr, etwas zu sagen, denn wenn ich jetzt etwas sage, weiß ich, dass ich weinen muss und ich will nicht weinen.
Scar schließt vor meinen Augen die Tür und ich stehe allein im Flur. Ich fühle mich gerade komplett verlassen als wäre ich in ein dunkles Loch gefallen, als würde mich gerade jede Menschenseele hassen und mich verachten. Ich habe doch gestern versucht, ihr zu helfen... Ich habe Danny und dieser Amber nichts getan. Ich wollte nur das Richtige tun. Mit langsamen Schritten gehe ich die Treppen nach unten und bin froh, dass mich Scarletts Mutter nicht sieht als ich nach draußen gehe. Als ich draußen an der frischen Luft bin, habe ich nicht das Gefühl, dass der kühle Wind irgendetwas besser macht. Das Wetter spiegelt schon seit gestern meine Stimmung wider und genau jetzt fängt es auch noch an zu regnen wie es mein Dad vorhergesehen hat. Er hat mich sozusagen davor gewarnt, hierher zu fahren.
Als ich mich in das Auto setze, realisiere ich erst, was gerade passiert ist. Scar hat mich verlassen. Sie hat mich verlassen, weil Danny so ein riesiges Arschloch ist. Wieso hat mir nie jemand gesagt, dass es sich anfühlt, als würde man sterben, wenn man eine Person verliert die man liebt? Niemand sagte mir je, dass es sich anfühlt, als würde jemand in meine Brust kriechen und mein Herz herausreißen. Ja, genau das fühle ich gerade. Sitzend, hinter diesem Lenkrad, schreiend. Ich schreie buchstäblich alles heraus und haue auf das Lenkrad ein. Dieses Wochenende ist verflucht.
Scar kann mir das nicht antun, nein, Scar kann mir das nicht antun. Wieso glaubt sie mir einfach nicht? Wir kennen uns schon seit wir kleine Kinder sind und sie schmeißt alles weg, wegen so einem Idioten. Sie muss mir glauben, sie muss mir einfach glauben. Mir fließen Bäche von Tränen die Wangen herunter und ich habe Probleme, die Straße vor lauter Tränen zu sehen. Ich heule wie ein kleines Kind und ich fühle zum ersten Mal nicht schlecht deswegen. Ich fahre viel zu schnell, aber das ist mir egal. Ich will einfach nur noch weg. Ich will mich in mein Bett verkriechen und in einem dunklen Loch krepieren. Allein, dass ich so etwas schon denke, macht mich noch trauriger. Aber wer würde es mir verübeln? Meine gute, lustige, bessere Hälfte hat mich verlassen.
Als ich Zuhause angekommen bin, schließe ich mit zittrigen Händen die Tür auf und halte die Luft an, um bloß keinen Ton von mir zu geben. Ich möchte gerade niemanden sehen, geschweige denn, mit irgendwem reden. Schnell streife ich mir die Schuhe ab und renne die Treppen hoch in mein Zimmer. Ich schließe langsam die Tür hinter mir zu und starre auf die Wand. Stumme Tränen fließen erneut über meine Wangen und ich habe das Gefühl, umso mehr ich weine, desto mehr Schmerz vergeht. Nein, das stimmt nicht. Es wird nur schlimmer. Ich ziehe meine Jacke aus, lasse sie achtlos auf den Boden fallen und lege mich in mein Bett. Ich vergrabe mein Gesicht im Kissen und versuche nicht mal, aufzuhören bitterlich zu weinen.
Ich will nicht länger hier sein. Ich will nicht länger in Aldbury sein. Ich will Margret nicht nochmal sehen und Scar möchte ich auch nicht begegnen.
Ich werde gehen.
Entschlossen richte ich mich auf, wische mir die Tränen weg und fange an meine Klamotten einzupacken, die ich ausgepackt habe. Das Geschenk von Scar lasse ich auch in meiner Tasche verschwinden. Ich kann es noch nicht wegschmeißen...
Seufzend werfe ich mir die Tasche über die Schulter und gehe die Treppen herunter. "Dad?", rufe ich durch das Haus, als ich ihn nirgends finden kann. Ich will ihm wenigstens noch Tschüss sagen, denn ich weiß nicht, wann ich wieder herkommen werde. "Dad?"
"Er ist nicht da." Höre ich eine leise Stimme von oben. Margret steht an der Treppe und sieht zu mir herunter.
"Wo ist er?"
"Er ist gegangen als du wiedergekommen bist. Es ist etwas auf der Arbeit passiert." Sie kommt die Treppen herunter und sieht mich an.
Ich drehe mich von ihr weg und gehe zur Tür.
"Willst du gehen?", fragt Margret traurig.
"Ja." Ich ziehe mir meine Schuhe an.
"Wieso? Ist es wegen mir?"
Ich habe gerade keine Kraft, mich mit ihr zu streiten, deshalb entscheide ich, einfach mit ihr reden, als wäre sie nicht der Teufel höchstpersönlich. "Nein."
Ich höre Margret näher kommen und ich greife nach dem Türgriff.
"Ravely, hast du geweint?"
Ich erstarre in meiner Bewegung, schließe die Augen und spüre meine Unterlippe beben. Bloß nicht wieder weinen, Raven!
"Wieso hast du geweint? Was ist gerade bei Scarlett passiert?"
Ich spüre ihre Hand auf meiner Schulter und die Stelle fängt sofort an zu kribbeln. Vielleicht könnte ich es ihr erzählen. Aiden meinte, dass es gut tut mit jemanden über seine Probleme zu reden, also... Aber, nein.
Als hätte ich mich verbrannt, zucke ich von ihr weg und öffne die Tür. "Das geht dich nichts an. Kümmere dich um deine eigenen Probleme", zische ich, gehe nach draußen und knalle die Tür hinter mir zu.
Eine halbe Stunde später sitze ich auch schon im Zug nach London. Mit verheulten Augen starre ich aus dem Fenster und sehe wie die Welt vorbeizieht. Gerade fühle ich so viel Schmerz in mir, dass ich nicht mal sagen kann was schlimmer ist. Die Tatsache, dass meine Mutter wieder da ist oder dass Scar mich verlassen hat oder dass mein Vater anscheinend größere Geheimnisse vor mir hat, als ich geglaubt habe. Ich bin noch nicht bereit zu bestimmen, welche dieser Sachen mich am meisten verletzt, aber ich weiß, dass diese Dinge zusammen sich ganz und gar nicht gut anfühlen. Meine Welt ist innerhalb von einem Tag in tausend Scherben zersplittert und es fühlt sich grausam an.
Im Zug bekomme ich kein Auge zu, aber ich sehe, dass das Wetter besser wird, umso näher ich London komme. Und umso näher ich London komme, desto weniger weine ich. Es fühlt sich an, als würde ich in ein anderes Leben fahren. Ein Leben, in dem ich alles hinter mir lassen kann und endlich die Person sein kann, die ich sein möchte.
Fünfzehn Minuten bevor ich in London ankomme, schreibe ich Aiden eine Nachricht, ob er mich am Bahnhof abholen kann. Er hat noch nicht geantwortet. Ich hoffe einfach, dass er da ist, wenn ich ankomme. Ich will nicht mehr allein sein. Ich war jetzt vier Stunden allein.
Nachdem der Zug in London hält, steige ich aus und halte Ausschau nach ihm. Ich kann ihn nirgends sehen. Ich starre auf den Boden, während ich die Treppen vom Untergrund nach oben laufe, damit niemand meine aufgequollenen Augen sehen kann. Als ich mich vorhin im Zugklo im Spiegel betrachtet habe, habe ich fast einen Herzinfarkt bekommen - ich sehe aus wie ein Zombie. Ein unglaublich hässlicher Zombie. Leider ist die Sonne schon fast untergegangen, deshalb scheint sie mir nur mäßig auf den Kopf, als ich an den Parkplätzen vorbeilaufe. Wenigstens schenken die Sonnenstrahlen und die Wärme mir ein wenig Trost und tanken mich mit Energie.
"Raven!"
Ich schrecke auf und sehe mich um. Wo ist er? Ich will die Person, zu der die Stimme gehört, sehen. Ich sehe hinter mich und da kommt er auf mich zu gejoggt.
Aiden kommt wie ein Gesandter vom Himmel auf mich zu, um mir Trost zu schenken. Ich laufe ihm entgegen, kann mir aber kein Lächeln erzwingen. Selbst für ihn nicht.
"O Gott, was ist denn mit dir passiert?", sagt er, als er mein Gesicht besser erkennt und er nur noch zwei Meter von mir entfernt ist. Jetzt geht Aiden schneller auf mich zu und nimmt mich in den Arm.
Ich lasse meine Tasche fallen und vergrabe mein Gesicht einfach in seiner warmen