Schön und ermordet: Zwei Kriminalromane. Alfred Bekker

Schön und ermordet: Zwei Kriminalromane - Alfred Bekker


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Dort wird unweigerlich von Neuem die Frage auftauchen, die Sie und Gräfe auch gestern nicht beantworten wollten oder nicht beantworten konnten — warum Sie den Leiter der Sonderkommission Heinen nicht über Ihren Einsatz informiert haben!«

       Weil Volker Gräfe nicht von der Überzeugung abzubringen ist, dass es eine sehr intensive illegale Verbindung zwischen hohen Amtsträgern der Polizei und den Drahtziehern der kriminellen Szene gibt. Korruption, Herr Oberrat.

      Peikert beugte sich plötzlich vor. Er war ein untersetzter Mann, dem meistens ein freundliches, unverbindliches Lächeln im Gesicht klebte. Jetzt verschwand sein Lächeln, die Augen blickten kühl und scharf.

      »Warum wollen Sie nicht darüber sprechen? Jetzt? Was Sie mir hier sagen, wird nie außerhalb dieser vier Wände wiederholt werden, wenn Sie es nicht wollen!«

       Ich will nicht als der Mann dastehen, der sein eigenes Nest beschmutzt. Und ich will weder mein eigenes Leben noch das meines Freundes in Gefahr bringen. Es hat schon zu viele Tote gegeben, Herr Oberrat. Gräfe hat eine Frau und zwei Kinder.

       Es war schon schlimm genug, dass Gräfe sich selbst um Kopf und Kragen redete.

      Peikert schlug mit der Hand auf den Tisch.

      »Mann, Roth, laufen Sie nicht wie das personifizierte schlechte Gewissen herum! Sie sind Polizeibeamter, und Sie werden es bleiben, dafür stehe ich ein. Ihnen ist passiert, was jedem von uns jederzeit auch passieren kann!«

      Aber mir ist es passiert.

      Er hatte einen Menschen erschossen. Einen Unbeteiligten. Er war gezeichnet. In der Halle ging man ihm aus dem Weg, im Aufzug sahen sie an ihm vorbei.

      Peikert lehnte sich zurück. Das unverbindliche Lächeln erschien wieder in dem flachen Gesicht mit der eingedrückten Nase, die den ehemaligen Boxer verriet. Irgendwo hatte Roth einmal die alten Plakate gesehen, auf denen Peikerts Name stand. Bevor er von der Schutzpolizei zur Kripo wechselte, hatte er in der Boxstaffel der Polizei geboxt. Er war ein gefürchteter Mittelgewichtler gewesen, davon wussten nicht nur die älteren Kollegen zu erzählen.

      »Ihnen ist sicher klar, dass ich Sie von der Soko Heinen abziehen muss, Gräfe natürlich ebenfalls. Sie kehren beide bis auf Weiteres in ihre alten Abteilungen zurück, und bis zum Abschluss des Disziplinarverfahrens versehen Sie ausschließlich Innendienst. Das ist die Bedingung, um eine Suspendierung bis zur Klärung eventueller Dienstvergehen zu vermeiden.«

      Peikert sah Roth an, als ob er Fragen oder Einwände erwartete, doch Roth schwieg. Er hatte nicht die Kraft, zu kämpfen. Im Übrigen hätte er auch nicht gewusst, gegen wen, wofür oder worum er hätte kämpfen können.

      »Ich nehme an, dass in den nächsten Tagen noch Fragen auftauchen werden, es ist also sinnvoll, wenn Sie sich zur Verfügung halten. Danach machen Sie am besten Urlaub. Sie hatten dieses Jahr noch keinen, soviel ich weiß?«

      Roth schüttelte den Kopf.

      »Das trifft sich also gut. Spannen Sie aus, suchen Sie Abstand. Ich möchte Sie übrigens nicht im Betrugsdezernat bei der Bearbeitung von Bagatelldelikten versauern lassen. Ein Mann mit Ihrer Erfahrung kann seine Fähigkeiten an anderer Stelle besser entfalten. Ich denke an eine Tätigkeit als Sachverständiger im Erkennungsdienst, in der Aus- und Fortbildung oder in der Logistik. Denken Sie über mein Angebot nach, aber lassen Sie sich Zeit. Erst der Urlaub, dann sehen wir weiter.«

      Roth fühlte sich benommen, als er aufstand. Er hatte mit seiner Suspendierung gerechnet, sie unbewusst vielleicht sogar erhofft, stattdessen wurde ihm nach Jahren des Stillstands noch einmal die Aussicht auf eine Karriere eröffnet.

      »Und vergessen Sie nie - wir stehen alle hinter Ihnen«, sagte Peikert, bevor Roth den Raum verließ.

      *

      Hans-Walter Heinen war auch körperlich ein mächtiger Mann. Seine Rückkehr in seine Büroräume hoch oben im 19. Stock der Alsterresidenz geschah mit der Wucht eines Panzervorstoßes.

      Trotz der sommerlichen Temperaturen trug er seinen pelzgefütterten Ledermantel mit dem Lammfellkragen, was Makowski daran erinnerte, dass es Winter und lausig kalt gewesen war, als man den Boss abgeholt hatte.

      Heinen schleuderte den Mantel auf die helle Ledercouch in seinem Arbeitszimmer, bevor er sich umwandte und Makowski ansah. Von den Blumen auf dem Glastisch nahm er keine Notiz.

      »Wo steckt Valeria?«, fragte er ungeduldig.

      »Sie ist schon unterwegs«, versicherte Makowski schnell. »Es kam alles so plötzlich ...«

      »Hast du den Sekt kalt gestellt?«

      »Natürlich«, antwortete Makowski, ohne das Gesicht zu verziehen.

      Mit einem kleinen Räuspern machte sich Volprecht bemerkbar. Der weißhaarige Anwalt hatte Heinen persönlich am Untersuchungsgefängnis abgeholt.

      »Haftverschonung ist kein Grund zum Feiern«, mahnte er.

      Heinen fuhr herum. Sein fleischiges Gesicht mit den tiefen Falten verriet versteckte Grausamkeit, die auch der breite, zu einem starren Lächeln verzogene Mund nicht zu mildern vermochte.

      »Ich gehe nie wieder rein, nie wieder, verstehen Sie?« Seine Stimme kam wie ein tiefes Grollen aus der breiten Brust, die selbst einen abgebrühten Mann wie Bernd Makowski frösteln ließ.

      »Wir dürfen auch die Möglichkeit einer Strafhaft nicht von vornherein ausschließen«, sagte der Anwalt unbeirrt.

      Heinen wischte sich mit dem Handrücken über die Lippen, eine Geste, die mehr als Nervosität verriet.

      »Ich dachte, es sei alles erledigt? Adolphis Unfall ...« Er sah Makowski an. »Wann ist die Beisetzung?«

      »Morgen Vormittag um elf«, antwortete Makowski.

      »Besorg mir einen Kranz!«

      »Ja, Chef.«

      »Den größten, den sie je gemacht haben, verstanden?« Heinen wandte sich an Volprecht. »In welcher Form können wir für die Witwe sorgen?«

      »Ich bin der Ansicht, Adolphi hat genug verdient, um Rücklagen geschaffen zu haben. Und dann hat sie ja noch die Rente ...«

      Heinens Gesicht lief rot an. »Adolphi hat 28 Jahre seines Lebens für mich gearbeitet! Achtundzwanzig Jahre! Er hätte mich nie freiwillig verraten. Aber er ist alt geworden, und er hatte Angst vor dem Gefängnis. Irgendwann hätte der Staatsanwalt ihn rumgekriegt. Er war mein Freund!«

      Auch Bernd Makowski kannte den Hai nun schon seit mehr als zehn Jahren, aber dennoch hätte er sich beinahe verwundert die Augen gerieben. Der meint, was er sagt, stellte er verwundert fest.

      »Ich wünsche, dass Sie sich mit ihr in Verbindung setzen«, sagte Heinen schroff. »Ich will, dass sie gut versorgt wird!«

      »Wie Sie wünschen«, meinte Volprecht.

      Heinen richtete den Blick erneut auf Makowski. »Warum erfahre ich nicht von dir, was mit Nelles passiert ist? Im Untersuchungsgefängnis wussten sie alle Bescheid. Nur ich nicht.«

      Makowski rollte unbehaglich die Schultern. »Ich bin noch nicht dazu gekommen, Chef«, sagte er. »Es hätte ihn beinahe erwischt ...«

      Heinen nickte ungeduldig. »Das weiß ich! Ich will wissen, wie das passieren konnte!«

      Makowski hob die Schultern. »Er traut keinem«, sagte er vorsichtig. »Deshalb besteht er darauf, sich seinen Unterschlupf jeweils selbst auszusuchen.«

      »Wem traut er nicht?«, fragte Heinen. »Dir nicht?«

      »Mag sein. Er will Sie sprechen. Sie persönlich.«

      »Er wird also ebenfalls zu einem Problem«, stellte Volprecht, der Anwalt, beinahe zufrieden fest. Er sah Heinen an, sein zerfurchtes Gesicht mit dem sorgfältig frisierten weißen Haar glich einer zersplitterten Tonmaske.

      »Was ist los, Konrad?«, fragte Heinen.

      Volprecht


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