49 Anregungen zum Reflektieren. Georg Ferdinand Weidner

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dargelegte Gleichung für Handlungsweisungen respektive Gedankenfortschritt aus meinem ersten Buch „51 Ein-Ladungen zum Nach-Denken“ (im Folgenden „#51EZN“) lautet theoretisch:

      zwischen den zwei Entscheidungspunkten (-optionen) A und B bedarf es der Schlussfolgerung: C, mit Hilfe des Gewissens, die vor der Gewissens-Entscheidung in der Mitte der Beiden ist, wie eine Waage, und dann nach A oder B ausschlägt, respektive in der Mitte verbleibt (keine Entscheidung ist auch eine Entscheidung).

      1. Denn wer sein Leben retten will, der wird es verlieren; wer aber sein Leben verliert um meinetwillen, der wird es gewinnen.

      Dieses Zitat aus der Bibel bringt etwas nach-vollziehbar auf den Punkt: nichts ist so, wie es scheint. Denn, wer möchte schon sein Leben verlieren, vielleicht gar sterben? Wenn man so fragt: niemand. Aber was könnte damit gemeint sein?

      Zunächst, und das ist meine These: es gibt genau zwei „Realitäten“. „Realitäten“ schreibe ich deswegen in Anführungsstrichen, da es meiner Meinung nach einmal die tatsächliche Realität gibt und zum anderen „die perfekte Kopie“ (s.u.).

      So lässt sich dann auch das Zitat verstehen, respektive ist es der Schlüssel zur Erkenntnis dieses Satzes. Um sein Leben zu gewinnen, respektive das Alte zu verlieren, muss man sich klar machen, dass es mehr als die eine „Realität“ gibt. So versteht man auch nur das Höhlengleichnis Plato`s. Die einen sitzen in der Grube und schauen Schatten, die Anderen sind der Höhle entstiegen und schauen die Realität.

      Es gibt also einen Reflektionsauftrag an das Individuum genau zu analysieren, was ich sehe und denke und das bedeutet zuerst: loslassen. Das Bibelzitat ist hierfür die generelle Feststellung, dass es zwei Seiten der Medaillen gibt. Der und die Reflektierte sieht die beiden Seiten der Medaille und als drittes, reflektiert, die Medaille als Ganzes.

      So wird verständlich: lasse nach, das Leben als so gegeben zu sehen (,reflektiere), verliere es um der Realität willen (Gott), dann wirst Du die Realität sehen (Gott), im Höhlengleichnis Platos, der Höhle entsteigen.

      2. Im Angesicht des Todes ist alles egal

      In #51EZN wurde aufgezeigt, dass jeder ein Erbe hinterlässt (vgl. „Jeder hinterlässt (s)ein Erbe“). „Ich sterbe, ist also doch eh alles egal!“ ist eine schale Aussage in zweierlei Hinsicht: erstens, sterben alle, die leben. Zweitens ist die Konklusion eine falsche: eben weil ich nur begrenzt Zeit habe, ist alles wichtig.

      Das Leben, und der Sinn des Lebens, besteht gerade in seiner Begrenzung. Hegelianisch: Leben kann nicht ohne Tod betrachtet werden. Es ist sogar verstandesmäßige Vorschrift, dass das Leben nicht anders als durch sein Gegenteil gedacht werden kann. Oder wie will man sich ein Leben ohne seinen Gegenspieler (Tod) vorstellen? Dies würde in einer „Fantasietranszendenz“ enden.

      Gleichzeitig ist der Ausspruch „Yolo“ (aus dem Englischen: You only live once“) oder „man lebt nur einmal“, als Perspektiven auf das Leben beziehungsweise auf den Tod, genauso befremdlich. Woher will man mit Sicherheit wissen, dass man nur einmal lebt? Wenn man stirbt, geht dann das Licht aus? Mit Descartes: geht dann einfach das Licht des Denk-Bewusstseins aus?

      Ich denke, die einzige Möglichkeit, die wir haben, ist die Gegenwart; die Vergangenheit ist vergangen, die Zukunft ist offen. Mit der Gegenwart meine ich nicht die von Emotionen geprägte Gegenwart, sondern die durch das Gewissen gestaltete. Gegenwart ist aktivisch, nicht passivisch. Mit immer wieder neuen Handlungen gestalte ich das Jetzt, mit Rumsitzen verwalte ich die Vergangenheit. Gerade auch wegen der Unberechenbarkeit des Gewissen, manchmal der Kontraintuition kann man darauf vertrauen, dass man im hier und jetzt lebt. Standatisierte Handlungsmechanismen in ihrer Bloß-heit schaffen keine „neue“ Zukunft – auch sie verwalten nur. Das Gewissen kann also hier theologisch als ein Hinweis auf Gott gelesen werden: Gott schreibt auf krummen Linien gerade.

      Von daher halte ich es eher wie die Philosophen: „Nur das geprüfte Leben ist es wert, gelebt zu werden.“. Oder ignatianisch: „Nur das (mit dem Gewissen) reflektierte Leben ist es wert, gelebt zu werden.“

      3. Wir alle sind Philosophen

      Wie schon im Kapitel „Warum jeder Bürger Unternehmer (im beruflichen Sinne) und Politiker ist“ in #51EZN dargelegt, sind wir alle Unternehmer. Gleiches gilt für die Philosophie. Wir alle sind Philosophen.

      Jeden treibt die Frage um, was das gelingende Leben ist. Den Einen mehr, den Anderen weniger. Auch wenn ich den ganzen Tag vor dem Fernseher sitze, habe ich, ob ich es will oder nicht, den Eindruck, dass das vor dem Fernseher sitzen einen Lebenssinn oder eine Lebensqualität darstellt. Dass das Leben mehr bietet für jeden Menschen, liegt auf der Hand. Vielleicht brauchen wir eine grundsätzliche Neuauflage des Bildungssystems, wie sie im Kapitel „Mündige vs. hörige Schüler, Kinder, Adoleszenten“ in #51EZN vorgeschlagen wird. Auf jeden Fall kann man aber auch darüber nach-denken, wie man Mainstream-Medien gestaltet, wenn man herausgefunden hat, welche Bevölkerungsgruppe „die anonyme Masse“ (#51EZN) ist.

      Warum gibt es Kochsendungen im Fernsehen, die ein ziemliches Know-How abverlangen und eine hohe qualitative Messlatte von den gekochten Speisen her aufweist? Wieso bringt man stattdessen nicht Kochsendungen, die einem Rezepte zum Nach-Kochen zeigen, die kurz, einfach und gesund in einen stressigen Arbeitsalltag passen?

      Wieso laufen Sendungen wie „Frauentausch“ oder das „Dschungel-Camp“, in welchen absichtlich gefilmt wird, wie Menschen scheitern? Warum gibt es stattdessen nicht Sendungen, in denen gezeigt wird, wie Menschen kleine und große Dinge gelingen? Die man nach-ahmen kann?

      So würden auch diejenigen „abgeholt“ werden, die vor dem Fernseher sitzen, und ermutigt werden, vielleicht noch andere Dinge in ihrem Leben zu machen, als Andere beim Versagen zu beobachten. Man könnte einen neuen Geist in der Gesellschaft anregen.

      Hier sind die Programmdirektoren gefragt, und ja, es gibt wirtschaftliche Zwänge, und stellte man das Programm um, gäbe es vermutlich finanzielle Einbußen – aber für einen guten Zweck: für mehr Bildung in allen Bevölkerungsschichten und mehr gelingendene Lebens-Entwürfe.

      4. Eine Überlegung zur Freiheit

      Freiheit wird vor allem dadurch garantiert, dass es Regeln gibt. Was sich zunächst als Widerspruch darzustellen vermag, ist jedoch eine simple Feststellung: Entweder gibt es die Freiheit von etwas, oder die Freiheit für etwas (vgl. „Die Masse der Freiheit“ #51EZN). Hegelianisch gesprochen (wie auch in „Die Masse der Freiheit“ #51EZN dargelegt): Freiheit allein kann nicht existieren, erst in der Reflektion ihrer absoluten Andersartigkeit, des Zwanges, kann Freiheit auftreten. Auch ohne Hegel zu bemühen, kommt man durch Verstandesbetätigungen darauf, dass Freiheit für sich allein nicht gedacht werden kann. Freiheit ist nicht nur Wahlmöglichkeit. Freiheit bedeutet in der Wahlfreiheit nochmal frei zu sein.

      Freiheit bedarf also Regeln. Es klingt kontraintuitiv: Wenn ich mich an Regeln halte, dann bin ich frei. Ein gutes Beispiel ist die Wahlfreiheit oder Kunstfreiheit – diese bestehen aus Regeln. Die Freiheit in der Freiheit wäre (vgl. „Die Masse der Freiheit“ #51EZN), ergriffe ich die Freiheit in der Wahlfreiheit, mich an gar keine Regeln zu halten, führte das in den Abgrund der Freiheit.

      Wenn ich mich an gar keine Regeln halte, dann bin ich auch frei von meinem Gewissen. Das führt in eine subjektive Sackgasse. Denn Regeln oder auch das Gewissen haben einen sozialen Charakter, jeder ist mit ihnen und/oder ihm verbunden.

      Wenn


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