Zurück zu den Wurzeln. Beate Reinecker
und verständnisvoll, als wenn dein Bauch deinen Kopf nicht überfordern wollte. Doch du besaßest nicht den Mut, dich gegen die Autoritäten aufzulehnen, ihnen zu widersprechen. Ein Protest wurde für dich unerreichbar. Du warst verstrickt in Scheinargumenten, in Selbstzweifeln und du misstrautest dir selbst. Irgendwelche Autoritäten hatten Macht über dich, da du es immer wieder zuließest. Dir fehlte die Kraft, der Mut, die Inhalte zu denken und konsequent auf dich zu beziehen. Du warst zu ängstlich, dir die Abgründe anzusehen und du warst zu belastet, um dir die Wahrheit einzugestehen: Man hatte dich immer wieder manipuliert, eingenordet, schließlich solltest du funktionieren. Du solltest den Bildern entsprechen, die andere für dich entworfen hatten. Bedauerlicherweise ignorierte man deine Vorhaben, Lebensentwürfe und Selbsterkenntnisse. Man hatte »Besseres« mit dir vor. Man wollte dich gebrauchen und verplanen. Deine Meinung störte dabei und sie wurde konsequent überhört. Du warst zu verunsichern, dein Ich stand auf wackeligem Grund. Nach und nach hattest du dich selbst verraten, aufgegeben. Du befandest dich in einem schleichenden Prozess. Es war ein Selbstentfremdungsprozess. Du verabschiedetest dich von deinen inneren Bedürfnissen, Träumen und Entwürfen, die du selbst erdacht, erfühlt hattest. Du warst zu verunsichern. Du warst nicht selten orientierungslos, hilflos. Angst und Selbstzweifel waren an der Tagesordnung. Das Gift, das man dir injiziert hatte, wütete in deinem Körper und in deinem Geist. Die boshaften Worte klangen in deiner Psyche nach: »Du bist nicht gut, nicht gut und wertvoll genug! Du kannst dem Tunnel nicht entfliehen. Du schaffst es nicht zu bestehen, denn die anderen werden dich wegfegen. Sie sind schöner und wertvoller. Du wirst scheitern, denn deine Konkurrenten sind besser und begehrenswerter. Bleib im Tunnel, entschuldige dich für deine Unvollkommenheit. Trau dich nicht nach oben und auch nicht ans Licht! Mische dich nicht unter die Menschen, denn es wird dir nicht gut bekommen! Du wirst scheitern! Lasse die anderen vor, denn sie haben es verdient, im Mittelpunkt zu stehen. Du machst zu viel falsch, du bist nicht gut und auch nicht richtig. Bleibe im Verborgenen! Du wirst sowieso scheitern! Du kannst nicht erfolgreich sein. Bleib im Verborgenen!« Niemand sprach offen und direkt zu dir. Niemand nannte Fakten und Beweise, denn du wurdest zu Unrecht abgewertet. Man verunsicherte dich und sprach niemals Klartext. An der Wahrheit schien niemand interessiert zu sein. Deine Fähigkeiten fanden keine Beachtung. Im Gegenteil: Wenn dir etwas gelang, wurde es ignoriert, totgeschwiegen. Du wurdest wie das Aschenputtel versteckt und für niedere Arbeiten angeheuert. Andere sollten erfolgreich sein und du solltest das Aschenputtel bleiben. Neidvolle Blicke verfolgten dich. Dein stilles Leuchten, deine Talente wurden mit Argwohn betrachtet. Gleichzeitig wurdest du als Spinner beschimpft. Du warst anders und erfrischend individuell. Das nervte die Spießer. Es gab keine Fakten, die belegen konnten, dass du es nicht schaffen könntest, dass du nicht gut und wertvoll bist. Man wollte dich klein machen, verunsichern. Niemand wollte das in dir sehen, was du ganz real bist. Deine Talente sollten niemals zum Vorschein kommen. Du solltest das Aschenputtel bleiben. Niemand sprach dir Mut und Zuversicht zu. Niemand wollte deine Größe, dein stilles Leuchten und deine Kraft sehen. Du selber zweifeltest immer mehr. Das Gift der Abwertung schwächte dich. Die Autoritätshörigkeit hatte dich gefangengenommen. Dein Verstand war umnebelt von Einschüchterungen, Drohungen, Versprechungen, die dich auf eine falsche Fährte locken sollten. Zuckersüße Versprechungen umnebelten deinen Geist. Irgendwelche Aussichten auf bessere Tage hielten dich gefangen. Du hattest dich in deiner Verunsicherung sträflich vernachlässigt und du warst immer schwächer geworden. Doch dein innerster Kern glühte noch und das war deine Chance, deine Saat für ein besseres Morgen. »Glaube an dich! Trau dich hinaus in die Welt! Viele Menschen werden dich erkennen und wertschätzen! Verlasse dein Verlies aus Selbstzweifeln, Angst und Depressionen!«
Der kalte Wind
Der Zombie erscheint cool, locker und immer entspannt. Er kann sich durchsetzen und Vorteile geltend machen. Er gibt vor, den Blick für das Wesentliche zu haben. Berechnungen und Fakten werden mit selbstsicherer Stimme vorgetragen. Die Show ist perfekt eingeübt und kein einziges Haar wagt es, im Wind zu wehen. Die Körperhaltung signalisiert: Ich habe die Lage im Griff. »Schau genauer hin! Es gibt so viele Deckmäntelchen und Täuschungsmanöver.« Wer den unbedingten Vorteil will, wer über Leichen geht, schießt wie ein Pfeil mitten in die Zentren der Macht. Doch was ist der Wert eines Treffers, der nur die Materie im Blickfeld hat? Der Vorteilsbesessene bahnt sich den Weg ohne jeden Skrupel und ohne den Gedanken an eine wahrhaftige Nachhaltigkeit. Ein Zombie ohne Skrupel, Moral und Empathie kennt keine Humanität. Er oder sie rauscht mit der Höchstgeschwindigkeit der Gier an der Menschlichkeit vorbei. Der Vorteilsrausch bestimmt das Denken und Handeln und fordert das schnelle materielle Vorrankommen. Menschen haben zu funktionieren, sie sollen dienen und werden nicht selten als Kanonenfutter missbraucht. Der Rausch, die Gier, fordert immer neue Opfer. Menschen werden zu Soldaten, zu Vertriebenen, zu nicht gern gesehenen Flüchtlingen. Der eiskalte Wind der Gier fegt über die Kontinente. Er tötet, er endsolidarisiert und polarisiert. Der denkende und empathische Mensch taumelt oft an der Grenze zur Resignation. »Kann die Gerechtigkeit noch gelebt und umgesetzt werden?« Der Denkende mahnt die ethischen Normen und Werte an und erkennt gleichzeitig ihren täglichen Verstoß. Der Empathische kämpft gegen die eigene Enttäuschung und möchte den Glauben an die Menschlichkeit nicht verlieren. Er oder sie möchte nicht in Resignation versinken und untergehen. Der kritische Denker möchte nicht zu einem verletzten Einzelgänger mutieren. Darf die Enttäuschung den Glauben an die Werte überdecken? Der Mitfühlende hat Angst, verletzt zu werden. Diese Angst vor immerwährenden Enttäuschungen ist ihnen ins Gesicht geschrieben. Sie tragen nicht selten ein Visier aus Zweifeln und Misstrauen. Unter der Rüstung schlägt das Herz der Humanität. Das Herz des Empathischen schlägt leidenschaftlich. Es schlägt für die Freiheit, Selbstbestimmung und Gerechtigkeit. Der kalte Wind der Gier und Unmenschlichkeit kann die Flamme des gerechten Herzens nicht auslöschen. Die Flamme leuchtet für die anderen und spendet in eiskalten Zeiten Wärme und Orientierung. »Lasst euch nicht einschüchtern! Lasst euch nicht eure Würde, Empathie und den Sinn für die Gerechtigkeit nehmen!« Der kalte Wind der Gier fegt über die Welt, doch er kann nicht alle Denkenden, Gerechten und Selbstbestimmten auslöschen.
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