Selfie. Michael Beilharz

Selfie - Michael Beilharz


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überlegend. Jantina gab Malte ein paar Sekunden Zeit: »Malte? Haben Sie meine Frage verstanden?«

      »Sie sagten, dass ich, sollte ich Gefahr laufen, mich mit meinen Antworten selbst zu belasten, nicht antworten muss. Ich habe Ihre Frage verstanden, aber ich möchte nicht darauf antworten.«

      »Die Antwort auf meine Frage, ob Sie Kontakt zur Hackerszene haben oder ein Teil davon sind, könnte Sie belasten?«

      »Ich möchte dazu nichts sagen.«

      »Das ist Ihr gutes Recht.« Jantina ließ Malte erst einmal ein wenig in Ruhe.

      »Herr Lichtermann, nur damit Sie mich richtig verstehen, dies ist kein Verhör oder Ähnliches. Es ist ein Protokoll, ein … elektronisches Ge­sprächsprotokoll, mehr nicht. Es ist aus­schließlich für meine Unterlagen, die keine Ermittlungen darstellen, gedacht. Es ist also eher privater Natur, nur möchte ich nicht mitschreiben müssen, sondern mich ganz auf das Gespräch mit Ihnen konzentrieren kön­nen.«

      »Sie haben sich vorhin allerdings schriftliche Notizen gemacht! War das Ihr privater Ein­kaufszettel

      Verblüfft und überrascht sah Jantina Malte an: »Schau mal einer an«, dachte sie, »obwohl er nicht in meine Richtung blickte, registrierte er, dass ich mir Notizen gemacht habe.«

      »Nein! Ganz sicher nicht. Es sind, wie Sie bereits erkannt haben: Notizen. Offene Punkte oder Fragen, die mich noch interessieren und die ich nicht vergessen möchte. Stört Sie das?«

      »Nein … ja … ich weiß nicht so recht. Irgend­wie ist es doch wie ein Verhör!«

      »Wie oft wurden Sie denn schon vernom­men?«

      »Noch nie.«

      »Wieso kommen Sie dann darauf, dass es sich wie ein Verhör anfühlt?«

      »Ist eben ein Gefühl. Vielleicht von zu vielen Krimis schauen?«

      Jantina stoppte die Aufzeichnung und wandte sich sofort zu Malte: »Malte, ich verarsch dich hier nicht. Es ist nichts Offizielles! Kein Verhör! Nichts, was dich beunruhigen müsste! Ver­sprochen!«

      »Und falls ich etwas sagen würde, was mich belasten könnte?«

      »Du wirst ja niemanden umgebracht haben, oder?« Jantina hätte sich für diese vor­schnelle Bemerkung selbst ohrfeigen können. Vor ein paar Minuten saß Malte weinend auf dem Boden und warf sich vor, er hätte je­manden umgebracht, weil er es nicht verhin­dern konnte, und jetzt diese taktlose und hirnrissige Äußerung! – »Entschuldige bitte … ist mir so rausgerutscht.«

      »Schon o. k. Sag schon! Was ist, wenn ich mich selbst belaste?«

      »O. K., du willst eine Antwort. Also, bisher sehe ich unser Gespräch als privat an, das habe ich dir bereits gesagt. Ich stehe zu dem, was ich sage, und mache dir ein Angebot …« Jantina schob ihr Smartphone näher zu Malte: »Solltest du der Meinung sein, dass du mir – damit ich einen Zusammenhang besser oder überhaupt verstehen kann – für dich Belas­tendes mitteilen müsstest, dann kannst du die Aufnahme unterbrechen. Du bestimmst also, was aufgezeichnet wird und was nicht. Ist das für dich in Ordnung?«

      »Ja, das ist es. Danke.«

      »Meine Notizen werde ich hinterher weg­werfen, die dienen nur als Gedächtnisstützen, auf die ich allerdings nicht verzichten kann.« Jantina sah überrascht zu Malte, der die Aufnahme fortsetzen ließ. Er beugte sich etwas dem Smartphone entgegen und grinste Jantina an, als er in Richtung Smartphone sprach: »Könnten wir bitte eine kleine Pause machen? Ich müsste mal ›für kleine Angst­hasen‹!« Die Staatsanwältin konnte sich ein Lachen nicht verkneifen, als sie antwortete: »Gerne!«

      Beide standen auf und gingen zur Tür ihres Büros und auf den Gang hinaus, dort zeigte Jantina Malte, wo sich die Toiletten befanden; er bedankte sich. Doch bevor Malte sich in Bewegung setzte, sagte sie zu ihm: »Ich besorge uns noch etwas Wasser und Kaffee, möchtest du etwas essen?«

      »Ja, gerne … irgendwas … egal!« Malte drehte sich in die Richtung, die Jantina ihm zeigte, und marschierte los.

      Als Jantina in ihr Büro zurückkam, saß Malte bereits auf seinem Stuhl. Mit einem sehn­süchtigen Blick schaute er auf das Tablett, das Jantina trug.

      Er meinte ihr zugewandt: »Ich hatte nicht bemerkt, dass ich einen tierischen Hunger bekommen hatte. Ich könnte das Tablett mit allem drauf verputzen!«

      »Da hätte ich aber etwas dagegen«, lächelte sie ihn an. »Aber wenn dir fürs Erste ein bisschen Obst und ein belegtes Brötchen genügen sollten, dann wollen wir uns erst einmal etwas stärken.«

      Jantina deponierte das Tablett auf ihrem Schreibtisch und stellte jedem einen Teller und eine Tasse Kaffee an seinen Platz. Eine Flasche Wasser, Gläser, eine kleine Platte mit Obst und zwei belegten Brötchen platzierte sie in der Mitte des Tisches.

      »Ich wusste nicht, was du magst, und habe daher ein Käse- und ein Wurstbrötchen mit­gebracht. Nimm, was du möchtest, mir ist beides recht.«

      Malte griff sich das Käsebrötchen.

      »Bist du Vegetarier?«, wollte Jantina wissen.

      »Nein, habe nur momentan keine Lust auf Wurst, und ich hoffe ehrlich gesagt, dass der Käse mehr satt macht als die Wurst … ich habe echt tierischen Hunger!«

      Jantina griff sich das Wurstbrötchen und be­gann ebenfalls zu essen.

      »Hast du die Brötchen gemacht und … was bin ich dir schuldig?«, wollte Malte wissen.

      »Nein, ich war in der Kantine und habe uns auf Staatskosten etwas zu essen und trinken besorgt, jede Staatsanwaltschaft hat ein kleines Budget zum Bewirten, das ist wirklich nicht viel, und für kulinarische Gaumen­freuden reicht weder die Kantine noch das Budget aus, aber ich denke, das hier tut’s auch, oder?«

      »Ja klar! Danke für die Einladung.«

      »Malte, wenn es dir nichts ausmacht und wir unsere Brötchen gegessen haben, dann könn­ten wir unser Gespräch fortsetzen. Was denkst du?«

      »Sicher! Kann losgehen!« Malte drückte selbst auf das Smartphone, um die Aufnahme fortzusetzen.

      Jantina fing sofort an: »Herr Lichtermann, Sie scheinen inzwischen nicht mehr so in Eile zu sein, wie zu Beginn unseres Treffens und unseres Gesprächs. Woher kommt das? Was ist geschehen?«

      »Ich habe immer noch Angst, dass etwas geschehen könnte, das ich hätte verhindern können, wenn ich nur schnell genug reagiert hätte. Aber ich verstehe auch, dass Sie mir nicht helfen können, solange ich Ihnen noch nicht alles erzählt habe.«

      »Haben Sie immer noch Bedenken, dass Sie sich mit einer Ihrer Aussagen selbst belasten könnten?«

      »Unbedingt!«

      »Können Sie mir, wie Sie eben selbst erwähn­ten, alles erzählen, ohne Gefahr zu laufen, sich selbst zu belasten?«

      »Nein, das geht leider nicht.«

      Jantina war über Maltes Kehrtwende und über den Verlauf des Gesprächs nach der kurzen Pause mehr als überrascht.

      »Malte, ich muss gestehen, dass mich Ihre Antwort sehr überrascht. Vor der kleinen Pause waren Sie geradezu besessen davon, genau das nicht zu tun. Und nun sagen Sie genau das Gegenteil. Ich frage Sie also noch mal: Was ist geschehen, was hat sich inzwischen geändert?«

      Malte schaute Jantina geradewegs und unbeirrt in die Augen, mit suchendem Blick erforschte er diese, als wollte er in ihre Augen schauen, um dort nach der Antwort zu suchen.

      »Weil es anders keinen Sinn macht. Ich müsste eine gewaltige Lügengeschichte erfinden, um mich außen vor lassen zu können. Nun bin ich zum einen ein miserabler Lügner und – zu allem Übel – zum anderen mit einer noch miserableren Fantasie ausge­stattet. Deshalb.«

      »Und sind Sie bereit dazu?«

      »Ich habe Angst davor.«

      »Angst?«


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