Naturfaktoren im Sozialleben. Tekla Reimers
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Tekla Reimers
Naturfaktoren im Sozialleben
Aussichten menschlicher Vergesellschaftung
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Inhaltsverzeichnis
Teil I Lebendigkeit, natürliche Fruchtbarkeit und ワbervölkerung
Teil II Zweierlei Liebesbindung
II 2. Natürliche Evolution obligatorischer Sexualität
II 4. Klons als kulturelle Evolution
III 1. Hemisoziale Natur des Menschen oder Eusozialität?
III 2. Naturgesetze innerartlicher Selektion
Teil IV Natürliche Evolution eusozialer Spezies
IV 2. Evolution zu Eusozialität bei Ameisen und Menschen
Teil V: Die soziale Natur des Jetzt-Menschen
V 1. Glückskinder in Zwangsgesellschaften
V 2. Soziale Hierarchien und die Herrschaft Einzelner
Teil VI: Aktuelle Möglichkeiten im Anthropozän
VI 1. Gemeinwirtschaftliches Sozialleben
Einstimmung
„Woher kommen wir?
Was sind wir?
Wohin gehen wir?“
(Paul Gauguin)
Für meine Kinder
im prekär en Umbruch freiheitlich demokratischer Staatsformen
zu populistischen und militär ischen Diktaturen des Kapitals
Einleitung
„Ihre sozialistischen Ideale in allen Ehren," sagte mein Doktorvater zur studentischen Rebellion von 1968, "aber die Menschen sind nun mal nicht so." Ging es um Ideale? Mit den Genossen vom sozialistischen deutschen Studentenbund (SDS) hielt ich mich an die ökonomischen und historischen Analysen von Karl Marx oder auch Friedrich Engels, dessen Abhandlung "Die Entwicklung des Sozialismus von der Utopie zur Wissenschaft" wir gerade lasen. Im Erfolgstaumel unserer internationalen Jugendrevolte waren wir überzeugt, dass sozialistische Gemeinwirtschaft - unter Herrschaft der arbeitenden Bevölkerungsmehrheit - mit dialektischer Gesetzmäßigkeit, auf die kapitalistische Produktionsweise folgen würde. Viel später hörte ich den Grundgedanken zur Untauglichkeit des Menschen für einen egalitären Sozialismus wieder, diesmal von Berthold Brecht, einer Autorität kommunistischen Kulturschaffens. Während seiner letzten Lebensphase in der DDR (Deutschen Demokratischen Republik) wies er auf eine anthropologische Lücke der sozialistischen Theorie hin. Diese späte Einsicht des weltberühmten Dichters ist weit weniger bekannt geworden als sein geflügeltes Wort aus der Drei-Groschen-Oper: "Wir wären gut, doch sind wir roh, / denn die Verhältnisse, die sind nicht so." Immer wieder stellt sich bei politischer Gestaltung menschlicher Sozialsysteme die Frage nach der sozialen Natur des Menschen und den Umwelteinflssen. Warum haben sich die angestrebten egalitären Gesellschaften, ohne Ausbeutung abhängig arbeitender Bevölkerung durch luxuriös konsumierende Oberschichten, nirgends dauerhaft verwirklicht?
Das behavioristische Paradigma, demgemäß Menschen unbegrenzt konditionierbar und lernfähig sind, beherrscht seit einem halben Jahrhundert die Diskurse in Wissenschaft und Politik. Für unser individualistisches Zeitalter und Verhaltensanpassungen in offenen Gesellschaften mit durchlässigen Hierarchien eignet sich diese Theorie hervorragend. Doch die Epoche wird nicht ewig dauern und neigt sich bereits ihrem Ende zu. Während der bekannten Weltgeschichte lebten die meisten Zivilisationsmenschen in strikt hierarchischen Sozialverbänden großer Staatsgebilde. Freie Individuen gab es historisch vornehmlich bei Jägern und Sammlern, aber auch in den Oberschichten hoch kultivierter Gesellschaften sowie an deren Rändern. Wie sieht die erbliche Veranlagung der Spezies Homo sapiens zur Vergesellschaftung eigentlich aus - Inklusive aller Lernfähigkeiten und neuronalen Voraussetzungen zur nachhaltigen Prägung von Verhalten.
Seit der Altsteinzeit lässt sich in menschlichen Gruppierungen einige Übereinstimmung mit der natürlichen Evolution von Hierarchien sozialer Raubtiere aufzeigen. Mit Hundeartigen vor allem. Bis zum heutigen Tag eignet sich der Hund so hervorragend als Gefährte des Menschen, weil seine Urahnen, die Wölfe, einer sozialen Selektion in Jagdrudeln unterworfen waren, welche auch die menschliche Natur formte. Underdogs in Hunde- und Menschengestalt bringen diese Übereinstimmungen auf den Begriff. Lerndispositionen und Triebnatur der ursprnglicheren Hunderassen bedürfen nahezu sozialer Rangfolgen für eine artgemäße Entfaltung ihrer Individuen. Solche Hunde sind biologisch prädestiniert für ein Leben in hierarchischen Sozialverbänden und blühen darin auf. Bei solitärer Lebensweise, zum Beispiel als einsame Wölfe, werden sie von Angst gepeinigt, aggressiv und unglücklich. Menschen machen sich die biologisch gegebenen Eigenschaften dieser Spezies zu nutze und sozialisieren ihre Familienhunde mit einer menschlich-hündischen Zwitter-Identität. So kann der Hund einen unteren Rang im familiären Rudel ausfüllen, Babies bewachen und als Sündenbock oder Blitzableiter bei Konflikten herhalten. Auf jeden Fall verschaffen folgsame Hunde ihren Gebietern eine gefühlte Rangerhöhung.
Heutzutage drängen sich auch Analogien zwischen Insektenstaaten und der postmodernen Industriegesellschaft