Die Earanna Chroniken. Wolfgang Seibert
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Wolfgang Seibert
Die Earanna Chroniken
Band1: Wie Bron gefunden wurde
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Inhaltsverzeichnis
Kapitel2: Nächtliche Schrecken
Kapitel3: Jengar bleibt verschwunden
Kapitel1: Eine Flussfahrt
„Die Mächte die unser Leben lenken und leiten, bedienen sich der unwahrscheinlichsten Boten um uns auf unseren Weg zu schicken!“ pflegte die Matriarchin Irune zu sagen.
Und: „Manchmal sind wir schon auf dem Weg bevor wir es wissen!“
Diese Worte sollten sich am heutigen Tag für Narael und Ardun als wahr erweisen.
Die Beiden waren, vom Kloster kommend, die Marmelstraße hinunter geschlendert, hatten sich über die Vorfälle der Nacht unterhalten und wie schon so oft, fanden sie sich auf der Wassertreppe wieder. Wenn sie von hier aus stromaufwärts schauten, hatten sie einen guten Blick auf die Menschenmenge, die geschäftig über die Marktbrücke strömte und stromab sahen sie die Boote auf dem Fluss.
„Unser Leben gerät in Bewegung.“ stellte Narael soeben fest.
„Meinst du?“ fragte Ardun mit einem verdrießlichen Gesicht. „Nur der Darrel bewegt sich und fließt immerfort;“sprach er und zeigte auf den Fluss zu ihren Füßen. „Wohingegen die Menschen hier in Wahrheit Wurzeln haben, wie die Bäume.“
Ardun war natürlich gar nicht so verdrießlich wie er tat - es war ihrer beider, beinahe schon ritueller, kleiner Scherz auf Kosten der Darrelbrücker Bürger. Auch nach all den Jahren fiel den Beiden das sesshafte Leben schwer und die behäbigen Bürger und die Ordensleute mit ihrem immer gleich bleibenden Tagesablauf erschienen ihnen entweder unglaublich langweilig oder äußerst rätselhaft.
„Du hast sie ganz schön aufgescheucht!“ Narael gelang es nicht, streng mit ihm zu reden; zumal sie wusste, dass sie immer noch zu jung für das Gewand einer ehrwürdigen Schwester aussah. Sie war schlank, hatte ein schmales, blasses Gesicht und nachtschwarzes Haar, von dem immer wieder einmal eine Locke unter der Kapuze hervorquoll. Ihre Bewegungen waren leicht und graziös und zugleich erfüllt von einer Ruhe, die gar nicht so recht zu einem so jungen Mädchen passen wollte. Sah man genauer in ihr schmales Gesicht, so blickte man in Augen, wie sie sonst niemand in diesem Lande hatte. Strahlend hell und zugleich Schattengrün, schienen sie Dinge sehen zu können, die anderen Augen verborgen blieben. Wie immer wenn sie sich außerhalb des Tempels aufhielt, verbarg sie Gesicht und Haar in der tiefen Kapuze des Ordensgewandes.
„Na ja, bestimmt nicht das erste Mal! Ein wenig Fangen spielen mit Zweiburgener Markwächtern ist ein harmloser Spaß und hat sogar Tradition, zumal sie auf der Darrelbrücker Seite der Marksteine ritten.“ spielte Ardun sein kleines Abenteuer herunter. „Dumm war nur, dass mich unsere Tempelwache dabei beobachtete, wobei sie eigentlich nur die Zweiburgener beobachten wollten.
Nun denn:
Die guten Schwestern werden lange und eingehend darüber nachdenken und anschließend miteinander alle Aspekte der Sache besprechen. Und dann werden sie in ihrer unendlichen Weisheit beschließen, dass es das Beste sein wird, wenn wir vorerst gar nichts tun! Außer natürlich im Garten wandeln und meditieren!“
Ardun war etwa 27 Jahre alt und nur wenig größer als Narael. Im Gegensatz zu ihr, wirkte er aber beinahe untersetzt, obwohl kaum ein Gramm Fett an ihm zu finden war. Er hatte kräftige Arme und Beine, einen tiefen Brustkorb und breite Schultern. Umso verwunderlicher war die Leichtigkeit mit der er sich bewegte.
Ebenso wie Narael hatte er ungewöhnliche Augen, zumindest für Darrelbrück. Hier hatten die Menschen Augen, die waren braun oder grün, doch seine waren meergrau.
„Nein, diesmal wird es anders!“ behauptete Narael. „Dein Freund Targon - ich glaube, er ahnt etwas!“
„Meinst Du?“ fragte er zweifelnd.
„Du musst wirklich müde sein!“ gab sie zurück, „Er ist ein Zauberer, Ardun, dazu ein neugieriger und er scheint mir gar nicht wie einer der seine Tage wandelnd und meditierend verbringt!“ fuhr sie fort, während sie ihre Hände in den weiten Ärmeln ihres Gewandes verschwinden ließ, ein langes Gesicht machte und einmal gemessenen Schrittes zum westlichen Treppengeländer und zurück ging.
„Wie unsere Lehrerin, die gute Schwester Alina!“ kommentierte Ardun lachend. „Und ja, ich glaube du hast Recht, Targon ahnt etwas. Vielleicht sollten wir die Gelegenheit nutzen und endlich heimlich davonlaufen um uns einer Schaustellertruppe anzuschließen, denn Sie haben Talent, meine Dame!!“
„Aber sagtest du nicht, die hiesigen Schausteller seien ein wahres Trauerspiel?“
„Da hast du Recht!“ Ardun tat übertrieben erschreckt: „Oh weh, wir sind verloren - wir werden an Langeweile sterben!“
„Ach du verrückter Kerl, “ lachte Narael. „Das Trübsal blasen wird dir nie so recht gelingen, fürchte ich.“ Dann wurde sie wieder ernst und sagte: „Andererseits siehst du wirklich müde aus, also werde ich dich jetzt nach Hause bringen und Kraan bitten, dich ins Bett zu jagen.“
„Ach was, ich bin schon in Ordnung.“ beteuerte Ardun und musste gleich darauf Gähnen.
„Oh ja, natürlich! Aber dennoch bringe ich dich jetzt nach Haus, du siehst nämlich verboten aus!“ Damit hakte sie sich bei ihm ein und gemeinsam verließen sie die Treppe.
„Nun fahre er fort mit seinem Bericht und lasse er nichts aus!“ verlangte Narael als sie in die Promenade einbogen.
„Aber gewiss doch eure Hoheit!“ näselte Ardun, „doch seid gewarnt, gar schrecklich ist, was in jener Nacht geschah! - Schrecklich langweilig!“
Während er Narael von seiner nächtlichen Begegnung mit den Zweiburgener Markwächtern berichtete, die, wie sie glaubten, heimlich das Land auskundschafteten, schlenderten sie weiter zur Marktbrücke. Dort begann das bunte Treiben des Marktviertels. Ein fahrender Händler aus dem südlichen Ondra hatte heute seine Teppiche über das östliche Brückengeländer gehängt und verhandelte gerade lautstark mit einem Rufejungen.
„Was denn, Bursche, eineinhalb Silbergroschen für den Tag? Du willst mich wohl arm machen! In Cormal und Raun, in Stanhus und Zweiburgen, ja sogar in Delas am Meer werden Marktschreier mit Kupferlingen bezahlt!“
„Einem Schreier mögt ihr Kupferlinge geben, Herr!“ erwiderte der Junge. „Ich aber bin ein Rufer und mit silberner Zunge werde ich eure Waren preisen und für nur einen Silbergroschen gutes Gold aus den fetten Beuteln der Darrelbrücker Bürger locken!“
Ardun musste unwillkürlich lachen: „Guter Mann, gebt ihm einen Groschen und lasst seine Zunge für euch arbeiten, bevor noch mehr von diesem Tag vergangen ist und bevor Ihr selbst ihrem Zauber erliegt! Er ist so gut wie er sagt!“
„Wahrhaftig Herr, ihr seid weiser als eure Jahre vermuten lassen!“ antwortete der Junge. Und als der Händler einwilligte, flüsterte er mit einem Augenzwinkern: „Danke