Der Plethora-Effekt. Jon Pan

Der Plethora-Effekt - Jon Pan


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      Jon Pan

      Der Plethora-Effekt

      Das Geheimnis

      Dieses eBook wurde erstellt bei

      

      Inhaltsverzeichnis

       Titel

       Prolog

       Kapitel 1 - Augustnacht

       Kapitel 2 - Unterwegs

       Kapitel 3 - Anderswo

       Kapitel 4 - Xenia

       Kapitel 5 - Eindrücke

       Kapitel 6 - Palm

       Kapitel 7 - Liebe?

       Kapitel 8 - Allgemeinwissen

       Kapitel 9 - Entdeckungen

       Kapitel 10 - Territorium

       Kapitel 11 - Chiffren

       Kapitel 12 - Studien

       Kapitel 13 - Erkenntnisse

       Kapitel 14 - Zusammenhänge

       Kapitel 15 - Verrat

       Epilog

       Impressum

       Prolog

      »Im Grunde vermehrt sich jede lebende Einheit. Wenn sie dabei den plethorischen Zustand erreicht, kann sie sich teilen, aber das Wachstum (die Plethora) ist die Bedingung für die Teilung, die wir in der Welt der Lebewesen Fortpflanzung nennen.«

       [Georges Bataille/Der heilige Eros]

      »Verstehen Sie, Herr Thebesius. Ich zweifle am Sinn solcher Liebe, wenn sie unsere Gesichter auch nur im Geringsten verunstaltet durch eine Einsamkeit, die gerade im Moment der Lust entsteht. Eigentlich sollten wir uns doch klarer, deutlicher und besser erkennen in einem solchen Augenblick. Ist das nicht der Sinn jenes biblischen Ausdrucks ›und sie erkannten sich?‹«

       [Der Dichter Johann Christian Günther in H. Boetius »Schönheit der Verwilderung»]

      »Wehe, wenn sie euch den schützenden Mantel der Tabus wegsprengen und die Lava der Triebhaftigkeit unter ihren missionarischen Blicken fließt! Die Sprengkraft der Lust wird der größte Overkill sein. Nicht der Overkill, der das Leben an sich auslöscht, sondern ein Overkill, der in einer rasenden Attacke alles oberhalb der Instinktgrenze zerfressen wird und die Zivilisation zu einem orgiastischen Magma zusammen schweißt. Sie werden kommen! Oder wie Juan Elmo Mosconi sagt: ›Das All ist überall!‹«

       [Rupert Dill]

      Es gibt Menschen, die tragen ein tiefes Geheimnis in sich. Ihr Körper ist wie ein Gefäß, das es umschließt. Die Erschütterungen des Lebens können ihm nichts an tun. Käme irgendein Verrückter auf die Idee, dieses Gefäß zu öffnen, so fände er nichts vor. Er könnte genauso gut die Seele suchen.

      Sitzt das Geheimnis, das bis zur letzten Konsequenz gehütet werden muss, sogar in der Seele? Tarnt es sich in einem ihm gemäßen Fluidum?

      Ein Geheimnis ist ein Gedanke, ein minimaler Teil des Erinnerungsvermögens, eine elektro-chemische Reaktion, belehrt man mich.

      Und ich sage: Nein, das Geheimnis sitzt in der Seele.

      Doch das Geheimnis, das Wissen in sich birgt, darf nicht verkommen, darf nicht zu einem unsichtbaren Organ heranwachsen, das nur einen Geist befruchtet.

      Denn wenn die Schatten, die die Tiefen in uns werfen, sich drohend über uns erheben, dann ist es Zeit, das Schweigen zu brechen. Wer schimpft mich also Verräter?

      Hiermit zerschlage ich das Gefäß, das ich bin, damit das Geheimnis einen fruchtbaren Boden tränke...

      Rupert Dill

      (In den Jahren nach Eksta)

       Kapitel 1 - Augustnacht

      Die Hitze des Tages hatte meinen Körper klebrig gemacht. Ich stieg aus dem Wagen, blieb stehen, schaute auf meine Schuhe hinunter. Links entdeckte ich auf dem rotbraunen Leder einen weißen Farbtropfen, etwa in der Größe eines Hosenknopfs. Anstatt mich zu bücken, hob ich den Fuß hoch und ließ meine Handinnenfläche über die makelhafte Stelle gleiten. Der Farbtropfen, gläsern wie der Zuckerguss einer Pille, saß weiterhin auf dem Leder fest.

      Warum hatte Samuel ausgerechnet heute den Gartenzaun streichen müssen? Samuel war der Stiefbruder meines Vaters, also eine Art Onkel, und er kümmerte sich seit der Trennung meiner Eltern aufopfernd um mich. Auch war er es, der mir ein Studium ermöglicht hatte, das ich allerdings nicht abschloss.

      Onkel Samuel besaß nicht viel Geld, aber er lebte sparsam und hatte weder Frau noch Kinder. Vielleicht sah er in mir einen Ersatzsohn, was mich nicht störte. Und da er schon über sechzig war, half ich ihm öfters dabei, sein kleines Haus in Ordnung zu halten, besonders was die handwerklichen Arbeiten betraf.

      Ich ließ den Schuh los. Er stürzte für den Bruchteil einer Sekunde, als wäre er nicht an meinem Fuß befestigt, nahm dann die Gesetzmäßigkeit meines körperlichen Bewegungsablaufs auf, wobei die Ledersohle zum Schluss fast stampfend auf dem Boden aufschlug.

      Es war kurz nach sechs Uhr abends, und das Sonnenlicht schaffte es nicht mehr, die weißen Häuserfassaden in blendender Grellheit erscheinen zu lassen. Eine rötliche, fast fettbeladene Hitze senkte sich auf die kleine Stadt herab, kroch über den teilweise aufgeweichten Straßenbelag. Die meisten Läden und Jalousien waren zur Kühlung der dahinter befindlichen Räume geschlossen, und wo das nicht der Fall war, warf das Fensterglas ein dichtes Rot zurück.

      Während ich auf die Haustür zuschritt, zupfte ich das nasse Hemd in der Rückenpartie von meiner Haut weg. Der zwischen meine Finger geklemmte Schlüsselbunds rasselte. Ansonsten geschah nicht viel, denn das Hemd, durch meinen schwitzenden Körper angezogen, klebte erneut wie eine zweite Haut auf meiner ersten. Ich schob den Schlüssel ins Türschloss, drehte ihn, drückte die Klinke, trat ein. Von stickiger Luft umlagert, eilte ich zum Fenster, öffnete es. Vor dem Fenster stand ebenso schwere Luft. Zwischen der Schräge zweier Dächer, über deren roten Ziegeln ein Hitzepolster flirrte, senkte sich der glühende Ball der Sonne. Ich war sicher, würde ich ihn anstarren, so bliebe er für mein Auge an derselben Stelle


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