Wer braucht schon Zauberkerle?. Marie Lu Pera
gebe ich zu.
„Aber du siehst nicht so aus. Ganz im Gegenteil. Du wohnst jetzt schon vier Monate hier und jedes Mal, wenn ich dich sehe, machst du einen ganz gefassten Eindruck. Ich würde sogar so weit gehen zu sagen, du wärst glücklich und zufrieden“, teilt er seine Beobachtung mit mir. Tja, ist alles Tarnung.
„Ich bin genauso wenig glücklich und zufrieden, wie der Typ auf dem Bild Jesus ist“, knalle ich ihm vor den Latz.
„Ich wusste es, dass mit dir etwas nicht stimmt“, erklärt er etwas unbehaglich.
„Haben Sie Angst vor mir?“, fordere ich ihn heraus. Kurz sieht er etwas ertappt aus, lächelt aber gleich daraufhin.
„Touché“, gibt er sichtlich beeindruckt zu.
„Wissen Sie jetzt, wie man Gefühle betäubt oder nicht?“, verlange ich ungeduldig.
Er taxiert mich mit seinem Blick, versucht abzuschätzen, was genau an mir seltsam ist, sagt aber dann: „Möglicherweise.“
„Ich höre“, fordere ich.
„Was bietest du im Gegenzug für die Information an?“
War ja so klar. „Was wollen Sie?“
Der Mann lächelt. „Einen Gefallen.“
„Welcher Art?“, verlange ich.
„Ich habe einen Enkelsohn, der sich über ein Rendezvous freuen würde. Er hat ein Auge auf dich geworfen, als er dir vorigen Sonntag im Flur begegnet ist, nachdem er hier zu Besuch war.“ Was?
„Das ist ein Scherz?“, pruste ich mit erhobenen Augenbrauen.
„Keineswegs. Er hat dich sogar angesprochen, aber du bist in Gedanken versunken an ihm vorbeigelaufen, als wäre er Luft“, meint der Hexer. Das muss mir wohl entgangen sein. Naja, vielleicht war der Typ ja unscheinbar oder, was viel realistischer ist, ich hab wieder auf Grübelmodus geschaltet, was mich üblicherweise komplett von der Außenwelt abschottet.
„Wo ist der Haken?“, will ich wissen.
„Es gibt keinen Haken. Mein Enkel ist ein Gentleman, wohlhabend, gutaussehend – ein wahrer Charmeur“, schwärmt der Hexer.
„Da haben wir den Haken“, verkünde ich. „So einen Typen gibt’s nicht. Die Beschreibung ist zu schön, um wahr zu sein. Außerdem, wieso braucht er seinen Großvater, um an Dates zu kommen, wenn er doch solch ein Traummann ist? Äußerst verdächtig, wenn Sie mich fragen. Also ist er entweder ein Herzensbrecher, ein arrogantes Arschloch oder beides.“
„Ich gebe zu, der Hang zum Herzensbrecher ist bei ihm minimal ausgeprägt, was er übrigens von mir geerbt hat“, erklärt der Alte augenzwinkernd. Ich muss lächeln, weil sein Herzensbrecher-Dasein sicher schon ein paar Jahrzehnte zurückliegt. Mann, was für ein Kuppler.
„Krieg ich jetzt die Information oder setzen Sie gleich Kaffee auf und holen die Babyfotos von Ihrem Enkel raus?“, fordere ich mit einem Hauch Sarkasmus.
„Gehst du mit ihm aus, wenn ich es dir erzähle?“, hakt er nach.
„Na schön, aber nur ein Date und Sie quatschen mich deshalb nicht an. Denken Sie bloß nicht, wir wären jetzt Freunde, nur weil wir einen Handel eingegangen sind.“
Er grinst schief und sagt: „Also gut, Efeu gemischt mit anderen Kräutern wie Johanniskraut und Saft der Passionsblume bewirken eine vorübergehende Betäubung von Angstzuständen und innerer Unruhe. Das Mittel heißt Ambrosia – wie die Götterspeise.“ Er hat echt Efeu gesagt – verdammt.
„Ich dachte immer, Efeu wäre giftig“, wende ich ganz nebenbei ein.
„Ist es auch, aber in kleinsten Mengen verabreicht, wirkt es betäubend auf Körper und Geist. Es versetzt einen in eine wahrliche Glückseligkeit“, klärt er mich auf. Mann, her mit dem Zeug.
„Wie lange hält der Trank an?“, will ich wissen.
„Oh, es ist kein Trank – eher ein Mittel, das ins Blut injiziert wird. Je nach der Stärke der negativen Gefühle, wirkt es zwei bis vier Tage lang“, informiert er mich.
„Wo bekommt man so etwas?“
„Nur auf dem Schwarzmarkt“, stellt er fest.
„Auf dem Schwarzmarkt?“, hinterfrage ich seine Aussage.
„Ja klar. Es ist eine Droge“, sagt er doch tatsächlich. Meine Alarmglocken läuten erneut.
„Ich nehm keine Drogen“, kommt es wie aus der Pistole geschossen.
„Sehr vernünftig“, lobt er mich. Hey, was soll das?
„Das ist die Information? Sie empfehlen mir Drogen?“, stoße ich aufgebracht aus.
„Glaubst du, Gefühle, die Höllenqualen auslösen, kann man so einfach mit einem Tee betäuben?“
„Woher wissen Sie eigentlich so gut über das Zeug Bescheid? Sind sie Dealer?“
„Nein, mein Enkel nimmt das manchmal auf Partys“, antwortet er.
„Ihr Enkel ist ein Junkie?“, pruste ich krächzend. Wo wir wieder beim Haken wären.
„Natürlich nicht. Das sind harmlose Jugendgeschichten. Er ist … stark und bei starken … ähm Menschen hat das Zeug eine … gemäßigte Wirkung“, stottert er. Also das heißt im Klartext, auf Hexen wirkt das Zeug anders, als bei Menschen. Wahrscheinlich werden wir davon nicht süchtig – davor schützt uns möglicherweise die Magie in uns. Klingt logisch. Ich sollte seinen Enkel auf jeden Fall dahingehend ausquetschen.
„Kaffee?“, bietet mein Nachbar an.
„Nein danke. Ich sollte gehen“, erkläre ich. Schnell weg hier. Der Kerl ist mir nicht geheuer.
„Ja, mach dich zurecht. Mein Enkelsohn ist schon auf dem Weg hierher“, informiert er mich. Was? Moment mal.
„Wie kann er auf dem Weg sein, wenn er doch noch gar nichts von dem Date weiß“, wende ich ein.
Sichtlich ertappt redet er sich mit „Er kommt mich … also, heute besuchen, … ganz zufällig … da könnt ihr zwei doch gleich um die Häuser ziehen“ raus. Das war gelogen – sicher stehen sie in mentaler Verbindung oder kommunizieren irgendwie anders miteinander.
Ich nicke, denn ich hab keine Lust, meine Tarnung als Mensch zu verlieren. Das Letzte, was ich jetzt gebrauchen kann, ist Aufmerksamkeit in der Nachbarschaft zu erregen.
Der Hexer bringt mich zur Tür und hält mich mit den Worten „Du bist ein ganz besonderer Mensch, Rose. Das spüre ich“ zurück. Tja, vielleicht, weil ich kein Mensch, sondern eine Hexe ohne Zauberkräfte bin.
„Wow, danke“, stoße ich überspielt freundlich aus.
Im nächsten Moment setzt er mich schon grinsend vor die Tür. Toll, jetzt hab ich mir doch tatsächlich eine Verabredung mit einem Hexen-Junkie eingehandelt – am Tag meines Heiratsantrages. Mein Leben ist schon irgendwie schräg.
Aber das mit diesem Glückszeug klingt interessant. Diese blöde Kräutermischung vom Markt scheint keine Wirkung mehr zu zeigen – zumindest nicht die, die ich mir erhoffe.
Eine halbe Stunde später klingelt es an meiner Tür, die einen lässig am Türrahmen lehnenden Anzugträger Marke Schönling freigibt. Schlagartig muss ich laut lachen, was ihm sein aufgesetztes Grinsen schlagartig von der Backe fegt. Er ist sexy, aber ein ziemlich von sich eingenommener Modeltyp, der obendrein überhaupt nicht mein Typ ist.
Beliar, der genau mein Typ ist, schafft es erneut, in mein Bewusstsein vorzudringen, aber nur kurz, bevor ich mich am Riemen reiße und die Gedanken verbanne.
„Dein Großvater hat nicht zu viel versprochen“, konnt ich mir jetzt einfach nicht verkneifen.
Sein Blick wird wieder lauernd. „Wir sind uns bereits begegnet,