Glossen 2003. Christian Friedrich Schultze

Glossen 2003 - Christian Friedrich Schultze


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jeweils zwei bis drei Miniteilzeitjobs durchziehen darf.

      Freitag, 11. April

      Die gute Nachricht zuerst: Der Sieg der Anglo-Amerikaner gegen das ehemals befreundete Saddam-Regime scheint nach drei Wochen Krieg zu Ende zu gehen. Nur Tikrit (die Geburtsstadt Saddam Husseins) und Mossul sind bis jetzt noch nicht eingenommen. Es ist gut für die seit Jahrzehnten geschundenen Iraker, dass die Bombardements und schweren Kriegshandlungen aufhören. Und wir Ossies sollten wissen, was der Untergang einer Diktatur bedeutet. Was Folter, Liquidationen und Personenkult betrifft, war die Hussein-Diktatur wesentlich schlimmer als unsere DDR-kommunistische. Deshalb können uns die Medien auch so viele Menschen zeigen, die sich freuen, dass die Macht des Diktators gebrochen und das Embargo aufgehoben wird. Sie waren natürlich für diesen Krieg. Wahrscheinlich in der gleichen Weise, wie wir Nachkriegskinder uns manches Mal das Eingreifen der Alliierten gewünscht hatten, wenn die Stalindiktatur ihre Untaten durchzog.

      Nun schlägt die Stunde der Opportunisten und Kriegsgewinnler. Dazu werden wir in den nächsten Monaten vieles erfahren. Das Meiste allerdings nicht. So wie wir kaum etwas davon hören, wie das Fell des Bären aufgeteilt wurde. Herr Merz von der CDU bedauert, dass die Deutschen nicht maßgeblich dabei sind. Herr Schäuble von der CDU meint, nun müsse man mal mit der Spalterpolitik aufhören und wieder nett zu den Amerikanern sein, sonst ginge ja zukünftig gar nichts mehr. (Für solch eine Harmonie kann man schon mal bisschen Krieg tolerieren.) Man sollte jetzt die Amerikaner und Briten bitten, dass sie Ruhe und Ordnung im Irak wieder herstellen, damit der demokratische Aufbau des Landes (finanziert von der EU!“) gemeinsam vorangebracht werden kann!

      Recht hat er! Demokratie und Law und Order müssen schon sein! Doch was Chirac, Schröder und Putin heute in St. Petersburg kungeln, könnte ja wirklich auf ein von den USA unabhängigeres Europa und ein gemeinsames Vorgehen im Hinblick auf die Verbesserung der Rolle der UNO gerichtet sein. Außerdem sind die Reaktionen auf die Anullierung der französischen und russischen Ölverträge mit dem Vorkriegsirak ins Auge zu fassen. Das kann ja jetzt nicht im Sinne der CDU sein, dass die weiter an europäischen Achsen schmieden! Denn dann würde vielleicht UNSERE LIEBE DEUTSCHE FRAU womöglich doch nicht Kanzlerin werden!

      Und was soll eine Fortsetzung des altmodischen Rechtsverständnisses der europäischen Staatsregierungen, nämlich dass dieser Krieg völkerrechtswidrig und im Hinblick auf Stabilität und Glaubwürdigkeit des Westens kontraproduktiv ist? Die Allianz der Willigen ist bislang den Beweis schuldig geblieben, dass von Saddam Hussein eine Weltbedrohung mit Massenvernichtungswaffen und ein Angriffskrieg gegen die USA ausging. Auch und vor allem, dass er Pate der El Qaida gewesen ist. Dennoch war dieser Krieg jetzt notwendig und ohne Alternative, wie uns dies UNSERE LIEBE DEUTSCHE FRAU einreden möchte.

      Was die Amerikaner nach eigenen Aussagen zur Zeit allerdings nicht können, ist die Herstellung polizeilicher Ordnung in den irakischen Großstädten. Dafür hätten sie keine Planungen und auch keine ausgebildeten Kräfte. Den Engländern geht es in Basra und Umm-Kasr ähnlich. Deswegen ist die öffentliche Ordnung dort seit vorgestern total zusammengebrochen und es wird en masse geplündert. So auch die Deutsche Botschaft, das Irakische Nationalmuseum und sogar ein komplettes Krankenhaus in Bagdad. Es gibt kaum Wasser, Lebensmittel und Medikamente. Täglich sterben viele unschuldige Iraker und hunderte Kinder.

      Nur im Kurdengebiet halten die Peschmerga einigermaßen Ordnung, das machen die seit Jahren, indem sie eigene Schulen, Krankenhäusern usw. betreiben. Das passt wiederum den Türken nicht. Deshalb haben ihnen die Amerikaner versprochen, dass die Kurden aus Kirkuk und Mossul wieder hinauskomplimentiert werden. Nach dem letzten Krieg kam das irakisch-deutsche Giftgas auf die Kurden hernieder. Man darf gespannt sein, was es diesmal sein wird. Denn im Kurdenland gibt es viel Öl.

      Donnerstag, 1. Mai

      „Millionen sind stärker als Millionäre“, unter dieser optimistischen Losung kamen zu den Maikundgebungen der Gewerkschaften in Deutschland dieses Jahr immerhin doppelt so viele Menschen, wie voriges. Neu war, dass diese Versammlungen vor allem auch gegen die Politik der SPD-geführten deutschen Regierung stattfanden. Es gab mal Zeiten, in denen die deutsche Sozialdemokratie für die Rechte von Arbeitnehmern und Gewerkschaften gekämpft hat.

      Heute meinen auch einige SPDler, dass die Gewerkschaften Blockierer einer wirtschaftlichen Aufwärtsentwicklung in diesem unserem Lande seien. Kanzler Schröder hält deshalb trotz aller Lehren der vergangenen sechs Jahre an seiner neoliberalen Wirtschaftspolitik fest. Doch die Steuererleichterungen und Deregulierungen, die er der Großfinanz und den deutschen Globalplayern verschafft hat, haben keinesfalls zu niedrigeren Arbeitslosenquoten geführt. Arbeitslosigkeit und Steuerflucht haben sich eher verstärkt.

      In seiner 1. Mai-Rede behauptete Schröder, dass diejenigen, die jetzt nicht begreifen, dass das deutsche Volk sich den radikal veränderten Bedingungen der Welt anpassen müsse und dass die Reformen der Agenda 2010 deshalb notwendig seien und künftig ohne Abstriche durchgesetzt werden müssen, wenig oder nichts im Kopfe hätten. Die Arbeit wandere schließlich dorthin ab, wo kulturelle und soziale Standards deutlich niedriger sind als hierzulande. Deswegen ist eine Anpassung unserer Standards an die der „dritten Welt“ notwendig. Das wird nicht lustig!

      Dabei wird permanent die Fragestellung umgangen, warum die Sozialsysteme einbrechen. Schließlich boomte die Wirtschaft bereits Jahre lang ungebrochen mit den Sozial- und Steuersystemen. Freilich zahlten die in Deutschland tätigen Globalplayer auch damals schon kaum Steuern an den deutschen Staat, dessen Infrastruktur sie aber gerne in Anspruch nehmen. Zusätzliche Arbeits- und Ausbildungsplätze wurden in jener Zeit dennoch nicht geschaffen. Logisch: Investitionen tätigt ein Unternehmer selbst bei steigender Nachfrage in erster Linie in Rationalisierungsmaßnahmen mit dem Ziel, Stücklohnkosten zu senken!

      Unterstützt die SPD Schröders Sozialabbau-Politik weiter, wird sie spätestens bei den nächsten Wahlen dafür ihre Dresche bekommen. Also sollte die innenpolitische Parole der SPD eher lauten: Entweder die CDU hilft, gegen die Steuerflucht der deutschen Globalplayer anzukämpfen, oder sie sollte es mal alleine versuchen, mit der Arbeitslosigkeit ohne Arbeitszeitverkürzung und ohne Kaufkraftsteigerung fertig zu werden.

      Vermutlich steht uns aber eher eine neoliberale Zeit bevor, in der der deutsche Arbeitnehmer für fünf Euro die Stunde von Teilzeitjob zu Teilzeitjob eilen und nach einer Versicherung suchen wird, die ihn gegen Unfall und Krankheit unter diesen Umständen versichert.

      Dafür sind wir nützlichen Idioten vom Herbst ´89 nun auf die Straßen gegangen!

      Sonntag, 1. Juni 2003

      Von den Massenmedien wurde der Kindertag aufgrund der Fülle und Bedeutung der internationalen Ereignisse beinahe vergessen. Und das ist nicht gut so! Denn überhaupt scheint es, dass die überwiegende Menschheit vergessen hat, dass es in erster Linie um die Erhaltung unserer Art und ihrer humanistischen Weiterentwicklung geht. Zur Zeit ist uns hier unten keine Realpolitik bekannt, die diese fundamentale Wahrheit wirklich berücksichtigt, oder kann da einer helfen?

      Nun ja, es fand an diesem 1. Juni des Jahres 2003 vor allem der Gipfel der sogenannten G8-Staaten, also der acht stärksten Wirtschaftsmächte der Welt statt. Gastgeber war der französische Präsident Girac im schönen Evian am Genfer See - bei auch noch wunderschönem Wetter. Das ganze Treffen war für die Teilnehmer herrlich arrangiert und soll einige zehn Millionen Dollar gekostet haben. Begleitet war es wie immer von Massenprotesten der „Globalisierungsgegner“.

      Immerhin sprach man auf diesem Gipfel zum ersten Mal von einer Weltwirtschaftskrise. Leider war der amerikanische Präsident G. W. Bush nur mal kurz auf Stippvisite da, um seine Huld zu verteilen, denn er musste dringend in den Nahen Osten reisen, um dort die Neuordnung der politischen Verhältnisse voran zu bringen. Einfliegend von der 300-Jahrfeier der Stadt St. Petersburg, wo er shakehand mit dem anderen mächtigen, und vor allem Atomraketen besitzenden, Präsidenten machte, sagte er zum Abbau der Dollarschwäche und des Leistungsbilanzdefizits gegenüber seinen Bruderländern: nichts.

      Irgendwie


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